Der DGB kann’s nicht lassen:

Wahlkampfhilfe für die SPD

Simonis startet mit DGB-Unterstützung in Wahlkampf", hieß es nach dem Landesparteitag der SPD Schleswig-Holstein in den Medien. Verwiesen wurde dabei unter anderem auf die Ankündigung, DGB-Chef Michael Sommer werde am 29. Oktober gemeinsam mit Simonis auf einer Wahlkampfveranstaltung auftreten. Am 26. 10. dementierte Sommer auf einer IG-Metall-Veranstaltung in Berlin, dass er jetzt wieder für die SPD Wahlkampf machen wolle. Nach seinem Auftritt bei Heide Simonis am 29.10. in Schleswig darf man allerdings an dieser Beteuerung zweifeln. Andere SpitzengewerkschafterInnen in Schleswig-Holstein haben sich schon zur Unterstützung von Heide Simonis im Landtagswahlkampf bekannt, unter ihnen der 1. Bevollmächtigte der Kieler IG Metall, Wolfgang Mädel.

Dass Michael Sommer auf einer SPD-Veranstaltung über soziale Gerechtigkeit in Schleswig auftreten werde, habe nichts weiter zu sagen - er wäre auch einer Einladung von Angela Merkel gefolgt, so äußerte sich er sich sinngemäß in Berlin. Nach dem Schleswiger Treffen erschien in den KN ein Artikel mit der Überschrift "DGB und SPD rücken wieder zusammen". Auch wenn man inhaltlich immer noch nicht zusammen sei, so gibt die Zeitung die Äußerungen des DGB-Vorsitzenden wieder, gebe es doch viele Gemeinsamkeiten - "zum Beispiel in der Frage, wie man die Strukturen der Zukunft gestalten wolle - ob mit Ellbogen oder in Solidarität". Für Gewerkschaftsmitglieder ist das eine schlimme Botschaft. Wer den VorkämpferInnen der Agenda 2010 bescheinigt, sie gingen solidarisch mit den arbeitenden Menschen und den Erwerbslosen um, ist nicht bei Trost. Wer sich in Solidarität zu Gerhard Schröder und Heide Simonis begibt, unterstützt ihren Kurs des Sozialabbaus. Beide Positionen dürfte ein Gewerkschaftsvorsitzender nicht einnehmen, ohne jeden Anspruch auf Respekt oder Rückhalt zu verlieren. "Gewerkschaften und Bundesregierung", so schreibt die KN weiter, könnten nach Sommers Worten kein Interesse daran haben, "den Streit - typisch deutsch - fortzusetzen, `bis wir beide am Boden liegen´".

Nun, es wäre alles andere als typisch deutsch, wenn die Gewerkschaften "den Streit" solange fortsetzten, bis das Sozialkahlschlag-Programm der Bundesregierung am Boden zerstört ist. Denn darum geht es. Die Gewerkschaften schaden sich nicht etwa selbst, wenn sie die real existierende SPD zu Fall bringen, im Gegenteil - wenn sie darauf verzichten, ist die Gefahr, mit ihr zu Boden zu gehen, am allergrößten. Und dieser Verzicht würde auch weitere Menschen, die unter der Regierungspolitik leiden, in die Arme rechter Demagogen treiben.

Andere Gewerkschaftsführer bekennen sich schon direkter zum Wahlkampf für die SPD als Michael Sommer. Der Vorsitzende des DGB-Nord, Peter Deutschland, betonte laut einer AP-Meldung vom 24.10. auf dem Landesparteitag der SPD in Lübeck, das Zusammenwirken von Landesregierung und Gewerkschaften sei "mehr als positiv": "Das Tischtuch zwischen Sozialdemokraten und Gewerkschaften ist in Schleswig-Holstein nicht zerschnitten."
Und die SPD durfte bereits am 21. 10. in einer Presseerklärung die Gründung einer Wahlinitiative "ArbeitnehmerInnen für Heide Simonis" vorstellen. Darin heißt es u.a., für uns in Kiel besonders interessant:

"Als positives Zeichen für die Politik der schleswig-holsteinischen SPD sieht Wolfgang Mädel, Landesvorsitzende der Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen in der SPD, die Wahlhilfe: `Heide Simonis, die SPD Schleswig-Holstein und die Landesregierung waren in den vergangenen fünf Jahren verlässliche Partner der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in unserem Land. In Krisensituationen standen sie an der Seite der Beschäftigten. (...) Wer einen sozialen Wandel im Land will, der braucht Heide und die SPD!´"

Wolfgang Mädel ist nun nicht allein AfA-Vorsitzender in Schleswig-Holstein, er ist auch Erster Bevollmächtigter der IG Metall in Kiel. Dass er auf Grund solcher politischen Aussagen kein Interesse an der Unterstützung des Kieler Bündnisses gegen Sozialabbau und Lohnraub sowie ähnlicher Initiativen hat, ist verständlich. Es ist allerdings zu hoffen, dass nicht alle IGM-Mitglieder diesem Kurs folgen. Denn der soziale Wandel auch in unserem Bundesland muss gegen die Befürworterin der Agenda 2010 und Hartz IV, unsere langjährige Tarifgegnerin im Öffentlichen Dienst, muss gegen Heide Simonis und SPD-Grüne genauso wie gegen CDU-FDP durchgesetzt werden.

Zur Erinnerung

Martin Kayenburg (CDU) im Kieler Landtag, 20.3.03:
"Frau Simonis stellt fest, dass die Gewerkschaften manchmal zu unflexibel sind, fordert, den Kündigungsschutz auch gegen den Widerstand der Gewerkschaften zu lockern und will zur Belebung des Arbeitsmarktes die Lohnzusatzkosten senken. Dabei hat sie sogar den CDU-Ansatz übernommen, diese Kosten auf unter 40 Prozent zu senken.Recht haben Sie, Frau Simonis!"

"Die schleswig-holsteinische Ministerpräsidentin Heide Simonis (SPD) hat ihre Partei aufgefordert, sich bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit offensiv mit den Gewerkschaften auseinanderzusetzen. "Ich glaube, dass wir über Themen reden müssen, wo die Gewerkschaften aus Instinkt Nein rufen, zum Beispiel über den Flächentarif", sagte sie der "Berliner Zeitung". (...) Simonis sagte, die Arbeitnehmerorganisationen nähmen zu viel Rücksicht auf all jene, die einen Arbeitsplatz haben, und seien manchmal "zu unflexibel". "Wir sollten keine Angst vor der Auseinandersetzung haben und schwierige Themen vorbehaltlos diskutieren." (13.2.03, Phönix online)

Nachsatz

Im Herbst stehen bei den DGB-Aktionen die Themen Arbeitszeit und Arbeitnehmerrechte im Mittelpunkt. Den Angriffen von Arbeitgeberseite und Oppositionsparteien auf Tarifverträge und gesetzlich verankerte Arbeitnehmerrechte setzen wir Informationen und Argumente entgegen. Geplant sind zahlreiche Veranstaltungen, Infostände und Flugblattaktionen. (Hervorhebung von mir) Diese Meldung fand sich am 28.10. auf der mainpage des DGB. Ist das jetzt der offizielle Abgesang auf die Bestrebungen, sich gegen die Angriffe von Seiten der Bundesregierung und der SPD-geführten Landesregierungen zu wehren? Was dann eben auch hieße, wesentliche "Angriffe von Arbeitgeberseite" nicht mehr abwehren zu wollen.

           (D.L.)