Nach dem Kongress:

Kieler Perspektiven

Die Diskussion auf der Internet-Seite "kieler-perspektiven", die der Bewertung und Weiterentwicklung der Arbeit des DGB-Kongresses vom 2./3. Oktober dienen soll, verläuft schleppend. Einige der in dieser LinX veröffentlichen Artikel verdeutlichen das Desinteresse einflussreicher Kreise im DGB, wirkliche Perspektiven gegen die Politik der SPD-geführten Regierungen zu entwickeln. Das sollte niemanden hindern, sich einzumischen - auch via Internet.Ich warte noch darauf, dass das Impulsreferat von Michael Schlecht im Netz veröffentlicht wird. Da das noch nicht geschehen ist, habe ich erst einmal diesen kleinen Diskussionsbeitrag auf die erwähnten Seite gestellt:

"Schade, dass hier keine Zusammenfassung von Michael Schlechts Impuls-Referat erfolgt. - Zwei Anmerkungen dazu:Michael macht am Beispiel der steigenden Produktivität unserer Arbeit deutlich, dass alle mit Hinweis auf die "Überalterung der Gesellschaft" begründeten Sozialabbau-Modelle haltlos sind. "Produktivität schlägt Demografie" - so weit, so gut.

Wozu unsere steigende Produktivität unter den gegebenen Verhältnissen tatsächlich führt, erfahren wir heute jeden Tag: Zum Ansteigen der Arbeitslosigkeit und zur (oft von Gewerkschaften abgesegneten) Verlängerung des Arbeitstages für die Noch-Beschäftigten. Zum stärkeren Verschleiß unserer Arbeitskraft und Gesundheit statt zu leichterer Arbeit und kürzerer Arbeitszeit für alle. Weil die Produktionsmittel in privater statt gesellschaftlicher Hand sind. Wie sagte einst die SPD:
"Der Abgrund zwischen Besitzenden und Besitzlosen wird noch erweitert durch die im Wesen der kapitalistischen Produktionsweise begründeten Krisen, die immer umfangreicher und verheerender werden, die allgemeine Unsicherheit zum Normalzustand der Gesellschaft erheben und den Beweis liefern, dass die Produktivkräfte der heutigen Gesellschaft über den Kopf gewachsen sind, dass das Privateigentum an den Produktionsmitteln unvereinbar geworden ist mit deren zweckentsprechender Anwendung und vollen Entwicklung." (Wer mir sagen kann, aus welchem SPD-Programm das stammt, kriegt ein rotes Gummibärchen.)
Und wenn wir der von den Unternehmerverbänden diktierten Politik eigene Forderungen entgegenstellen - Vorschläge: drastische Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn- und Personalausgleich, gesetzlicher Netto-Mindestlohn für alle oberhalb der Pfändungsgrenze, hohe Besteuerung des Reichtums usw. - ist das keine Frage von Vernunft oder Unvernunft (auch nicht von "Gerechtigkeit"), sondern gegensätzlicher Interessen. Klassenkampf eben.

Gut: Michael Schlecht nannte den Tag der Verkündung der Agenda 2010 eine "Zeitenwende". Auf Gesprächsebene sei für die Gewerkschaften von der Regierungspartei SPD nichts mehr zu erwarten. Bundesweit müsse Widerstand organisiert werden, gestützt auf die zu mobilisierende eigene Kraft.
Aus diesen Erkenntnissen Perspektiven zu entwickeln, das gelang in der Kürze der Zeit am 2. Tag nur unzureichend. Es darf also nicht die letzte Perspektiven-Konferenz gewesen sein."

Inzwischen hat der ver.di-Bezirksvorstand beschlossen, im Frühjahr nächsten Jahres einen weiteren Perspektiven-Kongress selbst zu organisieren. Das halte ich für eine gute Sache, zumal ver.di kein Problem damit hat, andere gesellschaftliche Kräfte in die Vorbereitung einzubeziehen.

         (D.L.)