AWO-Bundesvorstand will von Hartz IV profitieren:

Protest gegen Billigjobs

Am 29. Oktober hielt die Arbeiterwohlfahrt (AWO) im Bremer Congress Centrum einen Bundeskongress ab. Dabei kam es zu einer Protestaktion von gut 50 Personen gegen Ein-Euro-Jobs und die Beteiligung der AWO an der so genannten "freiwilligen" Rückkehr von Flüchtlingen. Zum neuen AWO-Vorsitzenden wählte der Kongress den Geschäftsführer der SPD Bundestagsfraktion Wilhelm Schmidt, allein das schon eine klare Positionierung in der gegenwärtigen Auseinandersetzung um den allgemeinen Sozialkahlschlag. Im folgenden dokumentieren wir leicht gekürzt das verteilte Flugblatt. (wop)

Wir sind der Auffassung, dass die Bundeskonferenz eine gute Gelegenheit dafür ist, der AWO als künftigem Profiteur von 1-Euro-Jobs und Abschiebedienstleister klar zu machen, was wir von ihren Geschäftspraktiken halten: Nämlich nichts.

"Die Wohlfahrtsverbände scharren mit den Hufen"- mit diesem in der Frankfurter Rundschau vom 07.09.2004 zitierten Satz hat Manfred Ragati, Präsident der Bundesarbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtspflege und gleichzeitig Bundesvorsitzender der Arbeiterwohlfahrt (AWO), das große Interesse der Wohlfahrtsverbände an den 1-Euro-Jobs deutlich gemacht. Gleichzeitig hat man Vorschläge eingebracht, wie das Ganze aus Sicht der Verbände noch günstiger gestaltet werden könnte. So wünscht man sich z.B. eine Verlängerung der Beschäftigungsdauer, die derzeit mit sechs bis 12 Monaten vorgesehen ist. Bundesfamilienministerin Renate Schmidt geht davon aus, dass allein 60.000 derzeit unbesetzte Zivi-Stellen problemlos durch 1-Euro-Jobs ersetzt werden könnten. Weiterhin würden bundesweit noch 35.000 Tagesmütter benötigt. Hier tut sich also ein weites Beschäftigungsfeld für die Wohlfahrtskonzerne auf.
Mit den 1-Euro-Jobs wird nun nach jahrelangen Diskussionen der Niedriglohnsektor mit staatlicher Subvention etabliert und ausgeweitet. Von diesem wird massiver Druck auf die bestehenden regulären Beschäftigungsverhältnisse ausgehen. Die geforderte „Zusätzlichkeit“ ist hierbei lediglich eine wirkungslose Beruhigungspille für die Öffentlichkeit. Denn wie die Sozialpolitische Opposition Hamburg so treffend festgestellt hat: „Zusätzlichkeit“ wird täglich produziert: Der Kahlschlag in allen Bereichen des sozialen Hilfesystems und der sozialen Sicherung, die Ausdünnung von Leistungskatalogen, jede Entlassung und jede geschlossene Einrichtung schafft neue „Zusätzlichkeiten“, mit der 1-Euro-Tätigkeiten in diesen Bereichen gefordert und begründet werden.

Die Perspektiven sind bedrohlich: ErzieherInnen, die bei der Schließung von Kitas arbeitslos werden, sollen nach einem Jahr Erwerbslosigkeit die selbe Arbeit in einer anderen Einrichtung oder als Tagesmutter erledigen - erzwungener maßen und für ein Euro die Stunde. Entlassene KrankenpflegerInnen arbeiten anschließend für ein Euro in irgendwelchen Pflegediensten, erwerbslose MaschinenschlosserInnen oder LandschaftsgärtnerInnen leiten für 1 Euro in Beschäftigungsprojekten Jugendliche an - die dort ihrerseits auf 1-Euro-Basis arbeiten. Die Spirale des Lohndumpings und der Entwertung von Qualifikationen scheint unendlich.

Ein Wohlfahrtskonzern mischt mit

Wenn der (inzwischen ehemalige) AWO Bundesvorsitzende Ragati sagt, dass die Wohlfahrtsverbände mit den Hufen scharren, dann hat er klar gemacht, dass diese sich nicht nur zähneknirschend, sondern mit großem Elan an der Umsetzung von Hartz IV beteiligen wollen. Auch die AWO, die mit 480.000 Mitgliedern, 100.000 Ehrenamtlichen und 145.000 hauptamtlich Beschäftigten zu den Großen im Geschäft zählt, wird zu den Profiteuren der 1-Euro-Jobs gehören.

Wie heißt es so schön in einer anlässlich der Bundeskonferenz 2004 verbreiteten Selbstdarstellung der AWO: "Die Arbeiterwohlfahrt arbeitet auf der Grundlage betriebswirtschaftlicher Überlegungen, bewertet ihren Erfolg aber nicht allein an den Betriebsergebnissen. (...) Betriebwirtschaftliche Erfordernisse und soziale Mitverantwortung für die Lebenslage des Einzelnen und für das Gemeinwesen sind für uns gleichrangige Güter. (...)"

Viele Beschäftigte der AWO (und auch anderer Wohlfahrtsverbände) wissen ein Lied davon zu singen, was das Gerede von betriebwirtschaftlichen Erfordernissen und sozialer Mitverantwortung konkret heißt: Knallharter Kostendruck und eine stetige Verschlechterung von Arbeitsbedingungen. Aber nicht nur die Beschäftigten, sondern auch diejenigen, die von der AWO "betreut" werden, kennen die Geschäftspraktiken der AWO. In den von der AWO in den frühen 1990er Jahren in Bremen betriebenen Unterkünften für AsylbewerberInnen herrschten miserable Bedingungen. Sie waren aufgrund der räumlichen Verhältnisse, der Verpflegung, der Besuchsverbote und der Feindseligkeit des eingesetzten Leitungspersonals geradezu berüchtigt. Es war die AWO, die diese Art von Unterbringung zusammen mit dem Bremer Senat auf die Spitze trieb, als sie sich nicht zu schade dafür war, auch noch fensterlose Kriegsbunker als Flüchtlingsunterkünfte zu bewirtschaften.

Abschiebedienstleistungen

Unter „sozialer Mitverantwortung für das Gemeinwesen“ versteht man bei der AWO offenbar auch Abschiebedienstleistungen. Die AWO Bremerhaven organisiert unter dem wohlklingenden Namen Heimatgarten die Rückkehr von alten und schwer erkrankten Menschen in das ehemalige Jugoslawien. Das Ganze wird beschönigend als "freiwillige Rückkehr" bezeichnet, wohl wissend, dass ein Großteil der RückkehrerInnen erst durch die Abschiebeandrohung in die Programme gedrängt wird. Wo bislang aus humanitären Gründen auf eine gewaltsame Abschiebung verzichtet werden musste, bieten nun "freiwillige" Rückkehrprogramme den Ausländerbehörden neue Perspektiven, kranke Menschen auf unkomplizierte und preisgünstige Weise los zu werden. Um die Sicherung eigener Pfründe bemüht, greift die AWO in Anpreisung ihrer Fähigkeiten bereitwillig auf die in Mode befindliche Diskussion der Sparpotenziale zurück. Volker Tegeler, AWO-Geschäftsführer in Bremerhaven, stellt in der Nordsee-Zeitung vom 19.05.04  erst fest "Die Kassen sind leer", um dann zu folgern: "Flüchtlinge in ihre Heimat zu begleiten ist günstiger, als sie in Deutschland zu betreuen"

Bündnis gegen 1-Euro-Zwangsarbeit