MigrantInnen

Dokumentiert:

Legalisierte Unmenschlichkeit

Der Beauftragte für Flüchtlings-, Asyl- und Zuwanderungsfragen des Landes Schleswig-Holstein, Helmut Frenz, kritisiert die Überraschungsabschiebung der armenischen Familie Chatchaturjan in der Nacht vom 6. auf den 7.12.1999 als verantwortungslos und unmenschlich: "Wenn derartige Nacht- und Nebelaktionen in Deutschland legal sind, befinden wir uns in Deutschland im Zustand der legalisierten Unmenschlichkeit. Die Vorgehensweise der Ausländerbehörde im Einvernehmen mit dem Innenministerium war unangemessen, unverhältnismäßig und steht in ihrer politischen Orientierung im eindeutigen Widerspruch zu Geist und Inhalt des Grundgesetzes. Als besonders empörend empfinde ich es, dass diese Art der Abschiebung nicht mit menschlichem Versagen des zuständigen Vollzugpersonals entschuldigt wird, sondern vom Innenministerium als planvolles absichtliches Handeln dargestellt wird: Zuerst ein Täuschungsmanöver, indem die Ausländerbehörde die Duldung drei Tage vor der geplanten Abschiebung um einen Monat verlängert und somit die Familie in vermeintlicher Sicherheit wiegt. Dann drei Tage später ein vollkommen unangemessener nächtlicher Überfall mit Abschiebung in Handschellen nebst dem Verbot an die Mitbewohner, telefonisch die Öffentlichkeit zu unterrichten. Die Durchsetzung des Abschiebungswillen hatte im Falle der armenischen Familie Chatchaturjan Priorität vor dem Respekt der Menschenwürde."

Dieser Feststellung wurde im Innenministerium nicht widersprochen. Die Rechtfertigung lautete: "Was hätten wir tun sollen? Der Mann war suizidgefährdet. Die Handschellen sollten ihn schützen!" - "Hier behalten und ärztlich behandeln", scheint nach Auffassung des Innenministeriums jedenfalls mit dem Gesetz unvereinbar. Es ist unstrittig, dass die Familie "vollziehbar ausreisepflichtig" war. Doch eine derartige heimtückische Nacht- und Nebelaktion gegen kranke und schutzbedürftige Menschen ist nicht hinnehmbar und darf sich auf gar keinen Fall wiederholen. Dieser Vorgang widerspricht auch zahlreichen Äußerungen von Innenminister Ekkehard Wienholtz zur Ausländer- und Asylpolitik. Frenz: "Ich spreche diese - die Menschenwürde verletzende - Abschiebungspraxis so deutlich an, weil bereits jetzt schon die Abschiebung von vier Geschwistern nach Mazedonien angedroht worden ist für den Fall, dass sie nicht Anfang Januar 'freiwillig' Deutschland verlassen. Dabei spielt es offensichtlich keine Rolle, dass die Daferoskikinder seit elf Jahren in Deutschland leben, dass sie hier zur Schule gehen und dass sie in Mazedonien, weder Wohnung, noch Arbeit und nicht die geringste Chance auf ein würdiges Leben haben. Ich fordere im Zusammenhang mit dem Fall der Familie Chatchaturjan eine Überprüfung der Abschiebepraxis in Schleswig-Holstein. Wenn schon das alte Jahrtausend für einige Menschen so endet, könnte das neue menschlicher beginnen."