Herr, send' Hirn!

Man muss kein linker Asket und Genussfeind sein, um sich angesichts Sozialklau und Sparwahn allenthalben darüber aufzuregen, dass zur Millenniumsfeier in Berlin allein für Feuerwerk und Laser-Show von der Silvester Berlin GmbH 21 Mio. DM in die Luft geblasen wurden. Für den böllernden Großmachtswahn ist halt nichts zu teuer. Man gönnt sich außer Panzergeschäften und Raffinerien-Deals via "Anderkonten" ja sonst nichts. Die angenehmste Nachricht im Millenniumsgedöhns kam daher aus dem sozialistischen Kuba. Was hat Fidel Castro mit einem deutschen Studienrat für Mathematik gemeinsam? In Havanna, so verkündete das Zentralorgan der KP Kubas, gebe es kein öffentliches Feuerwerk, da das Jahrtausend ohnehin erst am 31.12.2000 zu Ende gehe. Zwar nerven dieserorts Besserwisser mit solchen Zahlenspielen, auch wenn die mathematisch voll korrekt sind. Aber die Lakonie, mit der die kubanischen Genossen solcherlei verkündeten, hatte doch Grandezza. Darauf ein Prosit Neujahr mit einem Glas "Havanna Club"!

Ein Prosit auch auf Oskar Lafontaine. Ihn als Linken zu bezeichnen ist zwar Blödsinn, ihm hinterher zu weinen einfach nur albern. Außer Jusofrau Andrea Nahles kann doch niemand ernsthaft glauben, dass mit Lafontaine als Finanzminister das "Rot-grüne Reformprojekt" auf einmal keine Kriege mehr führen und nur noch munter von oben nach unten verteilen würde. Aber es gab ohne Frage Sternstunden im politischen Wirken dieses Mannes, die jeder fortschrittliche Mensch einfach würdigen muss. Gemeint sind hier nicht die ganz privaten Resozialisierungsmaßnahen Lafontaines für Saarbrücker Kiezgrößen, sondern die klaren, wahren Worte, mit denen er vor rund 20 Jahren den ehemaligen Wehrmachtsoffizier und Alt-Bundeskanzler Helmut Schmidt so richtig auszählte. Mit den von Schmidt abgefeierten deutschen Sekundärtugenden, so Lafontaine damals, ließe sich auch trefflich ein KZ leiten. Wahre Worte, wie gesagt, die neben "Kein Mann, keinen Pfennig für dieses System" in jedem revolutionären Poesiealbum einen Ehrenplatz bekommen sollten.

Die schleswig-holsteinische PDS scheint das mit den Sekundärtugenden jedoch nicht ganz so verkniffen und eher schmidtsch als lafontainesch zu sehen. "Unser Land ist ein fleißiges Land und doch sind viele von uns arbeitslos" wird da in selten bescheuerter Wahlkampfprosa auf der Homepage des Landesverbandes (www.pds-sh.de) getextet. Heutzutage ist wirklich alles möglich: Sogar SozialistInnen, für die Fleiß ein positiver Wert an sich ist und die entäuscht darüber sind, dass der Laden es gar nicht honoriert, wenn man sich wie blöde krumm macht für ihn. Auch die übrigen Aussagen des PDS-Wahlkampftextes stimmen eher bedenklich als froh: "Unser Land braucht vor allem eines: Soziale Gerechtigkeit ohne Wenn und Aber. Unser Land ist ein schönes Land und doch leidet die Natur. Unser Land ist ein reiches Land und doch sind so viele Menschen arm. (...) Unser Land ist ein friedliches Land und sieht doch auch Hass und Gewalt. Recht und Gesetz gelten und doch herrscht keine Soziale Gerechtigkeit. Was ist los in Schleswig-Holstein? SPD und CDU wollen seit Jahren und auch diesmal wieder nur das Beste für das Land. Die PDS macht Druck von links. Damit sich etwas bewegt." Das meint ihr doch nicht wirklich ernst, PDSler!? Mindestens ein Jahr auf der marxistischen Klippschule wiederholen und beim nächsten Mal nicht die gesamte Energie ins Unterschriften Sammeln stecken!

(jm, cs)