Ökologie

Katastrophen-Rekorde

Der Klimawandel ist im vollen Gange

Das alte Jahr verabschiedet sich furios, ganz so als wollte es uns noch einmal die umweltpolitischen Diskussionen der letzten zwei Jahrzehnte in Erinnerung rufen: Schwerste Überschwemmungen in Nord-Venezuela mit etlichen tausend Toten in einer Zeit, zu der eigentlich schon die Trockenzeit hätte einsetzen sollen, und Stürme über West- und Mitteleuropa von einer nie gesehenen Intensität. In ihrer Folge kündigt sich am Rhein und Nebenflüssen bereits extremes Hochwasser an. Weniger spektakulär aber oftmals nicht weniger schlimm sind die Dürren, die das zurückliegende Jahr zu bieten hatte. Während der Sahel eine feuchte Saison hinter sich hat, wobei es mitunter des Guten schon zu viel war, erlebten die iberische Halbinsel, das südliche Afrika, Zentralchina und einige Regionen in Südamerika ausgedehnte Trockenperioden. Am schwersten traf es den Osten Madagaskars. Auch die Ostküste der USA wurde im ersten Halbjahr 1999 von einer historischen Dürre mit erheblichen Ernteverlusten und Rationierung von Trinkwasser heimgesucht, um dann ab August von schweren Regenfällen gebeutelt zu werden. Und pünktlich zum Beginn der diesjährigen Klimakonferenz verwüstete im ostindischen Orissa der wahrscheinlich schwerste dort je beobachtete tropische Sturm ganze Landstriche und tötete 10.000 Menschen.

Spielt also das Wetter verrückt, erleben wir bereits den Klimawandel? Sind das die Folgen der Treibhausgase Kohlendioxid und Methan, die der verschwenderische Lebensstil des reichen Nordens im Übermaß in die Luft bläst? Die meisten Wissenschaftler sind vorsichtig, einzelne Ereignisse auf den menschlichen Einfluss zurückzuführen, so z.B. auch Mojib Latif, Sprecher des Hamburger Max-Planck-Instituts für Meteorologie. "Die Atmosphäre ist ein chaotisches System", so der Klimaforscher. Extremereignisse gebe es immer mal wieder, ohne dass man das im Einzelnen auf verändertes Klima zurückführen könne.

Allerdings - und darauf weisen viele seiner Kollegen schon seit längerem hin - nimmt mit der Erwärmung die Wahrscheinlichkeit solcher verheerenden Ereignisse zu. Das Wetter wird variabler und wird künftig mehr Kapriolen schlagen. US-amerikanische Forscher haben bereits für die 80er Jahre für die USA eine deutlich erhöhte Häufigkeit extremer Wetterlagen nachgewiesen. Auch für den Nordostatlantik, unsere "Wetterküche", ist eine Zunahme der Stürme bereits seit längerem bekannt. Zudem stellte erst im Herbst ein Hamburger Kollege Latifs Untersuchungen vor, nach denen z.B. Überschwemmungen wie die am chinesischen Yangtse im Sommer 1998 künftig im Schnitt alle fünf statt wie bisher alle fünfzig Jahre auftreten könnten. 3.600 Menschen starben seinerzeit, als die Dämme am Mittellauf von Chinas größtem Fluss brachen. Der materielle Schaden, den die Fluten anrichteten, betrug rund 55 Mrd. DM. Immerhin 3% des Bruttosozialprodukts der Volksrepublik.

Für die Klimaforscher kommt die Zunahme starker Regenfälle nicht gerade überraschend. Denn mit dem Ansteigen der Lufttemperaturen erwärmen sich auch die oberen Schichten der Weltmeere. Dadurch verdunstet mehr Wasser, die Luft enthält also mehr Wasserdampf, was wiederum mehr Regen bedeutet. Damit nicht genug: Wasserdampf spielt auch im Energiehaushalt von Zyklonen aller Art, d.h. vom tropischen Sturm über Hurrikane bis zum Tiefdruckgebiet der gemäßigten Breiten, eine wesentliche Rolle. Wenn Luftmassen im Zentrum dieser atmosphärischen Wirbel aufsteigen, kühlen sie ab, so dass der Wasserdampf, den sie mit sich tragen, kondensiert. Dabei gibt er Wärmeenergie an die umliegende Luft ab, deren Auftrieb dadurch verstärkt wird. Je mehr Wasserdampf, desto mehr Energie wird den Wirbeln zugeführt und desto heftiger fallen die mit ihnen verbundenen Stürme aus.

Dargestellt ist der Verlauf der global gemittelten Temperatur. Zu sehen sind die Abweichungen von einem Referenzwert, der aus Gründen der Überschaubarkeit auf 0 Grad Celsius gesetzt wurde. Tatsächlich beträgt er in etwa 14,6 Grad Celsius. Die Werte aus der Zeit vor 1870 stammen aus verschiedenen indirekten Methoden, wie Baumringen, aus deren Dicke sich die Klimaverhältnisse im Jahr ihres Wachstums ableiten lassen. Diese Methoden sind natürlich wesentlich ungenauer als direkte Messungen, deshalb weichen die Ergebnisse unterschiedlicher Autoren etwas von einander ab. Die Daten sind mit einem 50-Jahres-Filter geglättet, d.h. dargestellt ist eher der jeweilige Trend, als der jährliche Verlauf.

Und daran, dass die Temperaturen weltweit steigen, wenn auch nicht gleichmäßig verteilt, gibt es keinen Zweifel mehr. Nach einer Mitteilung der Welt-Meteorologie-Organisation WMO war das zurückliegende Jahrzehnt das wärmste seit Beginn der Temperaturmessungen vor rund 120 Jahren. Seit dieser Zeit liegen aus verschiedenen Regionen des Planeten genug Daten vor, um daraus auf die globale Mitteltemperatur schließen zu können. Mehr noch, aus Baumringen abgeleitete Klimadaten und andere indirekte Methoden lassen darauf schließen, dass wir sogar das wärmste Jahrzehnt des Jahrtausend hinter uns haben und dass 1998 das wärmste Jahr seit über 1000 Jahren war. 1999 nimmt in dieser Hitliste immer noch den fünften Platz ein, was die Meteorologen für besonders bemerkenswert halten, da es von einem La-Niña-Ereignis geprägt war, einer Abkühlung des äquatorialen Pazifiks, die regelmäßig auf eine El-Niño-Periode folgt und diesmal sogar besonders stark ausfiel. Eigentlich hätten die Wetterbeobachter eine stärkere globale Abkühlung erwartet. Die weiteren Aussichten lassen erwarten, dass 1998 nicht das letzte Rekordjahr war. Die tausendjährige Temperaturkurve, die die WMO verbreitet, zeigt steil nach oben.

(wop)