Kultur

Der "Barrikaden-Tauber"

Zum 100. Geburtstag von Ernst Busch

Wenn Sozialdemokraten Wahlkampf machen ... Als Werbung zur Reichtagswahl 1928 ließ die SPD Seife verteilen mit dem Aufdruck: "Wählt SPD". Auf dem dazugereichten Flugblatt stand: "Nimm dieses Stückchen Seife, auf daß es Dich erfreu' und schenke deine Stimme der SPD-Partei." Nicht alle Teile der Arbeiterbewegung waren von diesem eigenwilligen Humor begeistert. Es entstand folgendes Spottlied:

Ernst und Irene Busch 1977

Das Seifenlied

 

Wir haben unsere Brüder

mit Wahlkampfseife bedacht.

Das tun wir das nächste Mal wieder;

es hat sich bezahlt gemacht.

...

Wir haben ihn gebilligt,

den großen heiligen Krieg.

Wir haben Kredite bewilligt,

weil unser Gewissen schwieg.

...

Dann fiel'n wir auf die Beine

und wurden schwarz-rot-gold.

Die Revolution kam alleine,

wir haben sie nicht gewollt.

...

Wir haben die Revolution zertreten,

und Ruhe war wieder im Land.

Das Blut von den roten Proleten,

das klebt noch an unserer Hand

Wir schlagen Schaum.

Wir seifen ein.

Wir waschen unsere Hände

wieder rein.

Das "Seifenlied" war eines der Stücke, die das Publikum immer wieder vom Sänger, Schauspieler und späterem Kommunisten Ernst Busch forderte und gehört zu den Liedern, die Buschs Ruf als "Barrikaden-Tauber" - in Anspielung an den großen Operettenstar der 20er Jahre Richard Tauber - begründeten.

Ernst Busch wurde am 22. Januar 1900 in Kiel geboren und wuchs hier in einer Arbeiterwohnung in der Prüne auf. Ein Jahr nach Beginn des 1. Weltkriegs begann er eine Lehre auf der Kruppschen Germania-Werft als Werkzeugmacher und arbeitete dort u.a. als Facharbeiter im Ventilbau für U-Boote. Ab 1912 war Ernst Busch in verschiedenen proletarischen Jugendorganisationen tätig, ab 1918 als Distriktleiter bei der Sozialistischen Arbeiterjugend (SAJ) in Kiel. Dort war er, der 1919 in die antimillitaristische USPD eingetreten war, eigentlich für einen Funktionärsposten vorgesehen, seine Entlassung auf der Werft lenkte seinen beruflichen Werdegang jedoch in eine andere Richtung.

Busch, der schon seit 1919 privaten Gesangs- und Schauspielunterricht genommen hatte, bewarb sich als Schauspieler beim Vereinigten Städtischen Theater in Kiel und bekam umgehend einen Vertrag. Im Dezember 1921 spielte er mit Gustaf Gründgens in "Die letzten Masken" von Arthur Schnitzler. Sein weiterer Weg führte ihn über das Stadttheater in Frankfurt/Oder (1924-26), die Pommersche Landesbühne (1926/27) zu Erwin Piscators Theater am Nollendorfplatz in Berlin. Dort hatte er seine Premiere in Ernst Tollers "Hoppla wir leben".

1929 lernte er Hanns Eisler kennen, mit dem ihn eine lebenslange Freundschaft verbinden sollte. Busch und Eisler entwickelten sich zu einem überaus produktiven Gespann. Der eine brachte Texte ein, für die der andere die Melodien komponierte und ihn bei Auftritten oft am Klavier begleitete. Ab 1930 entwickelte sich die Zusammenarbeit mit Bertolt Brecht.

Anfang März 1933, einige Tage nach dem Reichstagsbrand, emigrierte Busch in die Niederlande. Schon einige Tage später war er über Radio Hilversum mit dem "Kominternlied" und dem "Solidaritätslied" zu hören. Sein weiterer Weg führte ihn über Belgien, London, Zürich, Paris und Wien, nach einem Auftritt bei der 1. Arbeitermusik- und Gesangolympiade in Strasbourg im Juni 1935, schließlich in die Sowjetunion.

Ernst Busch beim Radio Komintern

Hier arbeitete er bei einem Kominternsender, der mit 500 kW in fast der ganzen Welt zu empfangen war, v.a. um den Widerstand in Nazi-Deutschland zu ermutigen. Als der Spanische Bürgerkrieg ausbrach, begann Busch unverzüglich, über Radio Komintern Lieder des Freiheitskampfes auch in spanischer Sprache zu singen.

1937 fuhr er mit der Journalistin Maria Osten nach Spanien, um den Freiheitskampf direkt vor Ort mit seinen Mitteln zu unterstützen. Nach seiner Ankunft im Sammellager der Internationalen Brigaden in Albacete fuhr Ernst Busch direkt nach Madrid zum Internationalen Kongress der Schriftsteller, an dem u.a. Ernest Hemingway, Andre Malraux, Michail Kolzow, Egon Erwin Kisch, Alfred Kantorowicz, Anna Seghers, Gustav Regler, Willi Bredel, Ludwig Renn, Hans Marchwitza und Bodo Uhse teilnahmen, mehrere von ihnen kamen direkt von der Front. Der Schriftsteller und Arbeiterdichter Erich Weinert nannte diesen Kongress von 1937 "eine manifeste Kampfansage an den Weltfaschismus. Noch kein Schriftstellerkongress hat unter solchen Aspekten getagt. In Madrid donnerten die Geschütze der nahen Front in die Reihen der Delegierten."

In der Zeit bis zu seiner Abreise im Juli 1938 reiste Busch v.a. mit Weinert zusammen über 50 mal zu den einzelnen Truppenteilen der Freiwilligenverbände, in Lazarette, Kindergärten und Schulen, um Gedichte und Lieder vorzutragen, die auch über mehrere Sender im Radio übertragen wurden. Schon 1937 hatte er die "Canciones de la Guerra de las Brigades Internacionales" veröffentlicht, ein Buch mit Kampfliedern der Internationalen Brigaden, das in 16 Sprachen in mehreren Auflagen erschien.

Nachdem Busch 1938 Spanien verlassen hatte, lebte er vorwiegend in Antwerpen, wo er nach dem Einmarsch der Deutschen im Mai 1940 vom Vichy-Regime verhaftet und in den südfranzösischen Konzentrationslagern St. Cyprien und Gurs interniert wurde. Nach geglückter Flucht Ende 1942 wurde er Anfang 1943 an der Grenze zur Schweiz verhaftet, an die Gestapo ausgeliefert und nach Berlin verbracht. Nur durch die Fürsprache und finanzielle Unterstützung von Gustaf Gründgens, der wider besseren Wissens behauptete, dass Busch völlig unpolitisch sei, konnte er der Todesstrafe entgehen und wurde zu 4 Jahren Zuchthaus in Moabit verurteilt.

Nach der Befreiung 1945 trat Busch in die KPD ein und lebte in der SBZ/DDR, wo er 1946 auf Drängen sowjetischer Kulturoffiziere den Schallplattenverlag "Lied der Zeit" gründete. Als Sänger feierte er bald wieder - u.a. als Tucholsky-Interpret - große Erfolge. Als Schauspieler hatte er einen festen Platz in Bertolt Brechts Berliner Ensemble.

Am 8. Juni 1980 starb Ernst Busch in der DDR, zu der er, so sein Biograf Karl Siebig "immer eine Haltung der kritischen Solidarität einnahm". Ernst Busch war ohne Frage ein wichtiger forschrittlicher Künstler und Antifaschist, ein besonderes anti-stalinistisches Engagement kann man ihm jedoch nicht unterstellen. Auch wenn manche Busch-Songs wie das martialische "Arbeiter, Bauern, greift die Gewehre" mit der zu DDR-Zeiten eingefügten Stelle "... damit Deutschland den Deutschen gehört" nach heutigen Maßstäben textlich eher grausam sind, die Beschäftigung mit der Person Ernst Busch, seinen Filmen und seinen Liedern ist jedoch auf alle Fälle lohnenswert. Gelegenheit dazu hat man in den nächsten Tagen:

Mit Liedern, Texten und Bildern von und über Ernst Busch wird am 21. Januar im Schauspielhaus in den 100. Geburtstag des gebürtigen Kielers hineingefeiert. Ensemble-Mitglieder des Kieler Schauspielhauses lesen, der Ernst Busch Chor Kiel singt. Film- und Tondokumente aus dem Archiv von Karl Siebig ergänzen die Hommage an den Schauspieler und Sänger, Brechts Galilei-Darsteller und den Barrikaden-Tauber von Berlin. Das Programm um 22 Uhr. Anschließend wird im Bistro des Schauspielhauses gefeiert. Ein ähnliches Programm ist noch einmal am Sa, 5.2., 20 Uhr in der Pumpe zu sehen.

(Jens Hülsen, cs, wop)

(Der Text basiert zu großen Teilen auf dem empfehlenswerten, aber leider vergriffenen Rowohlt-Taschenbuch von Karl Siebig: "Ich geh' mit dem Jahrhundert mit. Ernst Busch - Eine Dokumentation", Reinbek 1980.)