Frauen

Dokumentiert:

Leserinnenbrief an die "Kieler Nachrichten"

Das FRAUENBÜNDNIS gratuliert

Mit Dr. Marion Kiechle ist zum ersten Mal eine Frau in Deutschland auf einen Lehrstuhl für Frauenheilkunde berufen worden, erfuhren wir aus den Kieler Nachrichten vom 15.12.99.

Da es sich bei der Berufenen um eine bisher in Kiel wirkende Oberärztin und Wissenschaftlerin handelt, möchten wir als Kieler Frauenbündnis Frau Dr. Kiechle auf diesem Wege ganz herzlich gratulieren - und in gewisser Weise auch uns selbst.

Wir sehen uns in der Tradition der Frauenbewegung, die schon im vorigen Jahrhundert und noch zu Beginn des jetzt zuende gehenden 20. Jahrhunderts dagegen zu streiten hatte, dass Frauen der Zugang zur Wissenschaft und besonders auch zum Studium der Medizin in Deutschland verwehrt wurde. So schrieb Hedwig Dohm, eine Pionierin dieser emanzipatorischen Bewegung, 1874 u.a.: "Medicin aber soll die Frau studieren, einmal im Interesse der Moral, und zweitens, um dem weiblichen Geschlecht die verlorene Gesundheit wiederzugewinnen. Die Frau kennt das physische Wirken ihres eigenen Körpers besser als der Mann, und niemals wird Dieser das tiefe Mitgefühl, das die Forschung anspornt, und die scharfe und feine Beobachtung für die Leiden, die das Leben der Frau zerstören, und die er in ihren Ursachen und Folgen aus Gründen, auf deren Erörterungen ich mich hier nicht einlassen will, nicht durchschaut". Bedenken wir dies, so sind wir doch mit dem ersten weiblich besetzten Lehrstuhl für Gynäkologie am Anfang des 21. Jahrhunderts schon einen Riesenschritt vorangekommen.

Das obige Zitat stammt aus Hedwig Dohms Schrift mit dem Titel "Die wissenschaftliche Emanzipation der Frau". In Bezug auf das Medizinstudium setzt sie sich dort mit der Abhandlung eines Herrn von Bischof auseinander, dessen Gründe für die Ablehnung des Frauenstudiums von natürlicher Schamhaftigkeit der Frau und besonderem Zartgefühl, über schwache körperliche Konstitution und Autoritätslosigkeit bis zu kleinerer Schädelbildung und geringerer Gehirnentwicklung reichen. Die kenntnisreiche und scharfsinnige Replik der Dohm ist das reinste Lesevergnügen.

Hier sei in unserem Zusammenhang nur noch auf so etwas wie Ironie der Geschichte hingewiesen: Herr von Bischof hatte seinerzeit als Anatom eine Professorenstelle in München. Möge er nicht allzu heftig im Grabe rotieren, wenn nun zum ersten Mal in der Geschichte deutscher Universitäten ausgerechnet in München ein frauenmedizinischer Lehrstuhl mit einer Frau besetzt wird.

Für das Frauenbündnis Kiel

(gez. Eva Dockerill)