Kommentar

Glücksfall für die Bourgeoisie

Die Republik hat mal wieder einen Spendenskandal. Bei näherem Hinsehen scheint es allerdings der alte zu sein. Die CDU hatte nach der Flick-Äffäre der 80er einfach weitergemacht, als sei nichts geschehen, als habe man nicht extra seinerzeit die Gesetze zur Parteienfinanzierung verschärft. Und das Geld, das da in Hessen wieder aufgetaucht ist, scheint noch aus Kassen zu stammen, die damals in Liechtenstein in Sicherheit gebracht wurden.

Nun ist das alles für Linke nicht wirklich aufregend. Man wundert sich höchstens, auf welch klein-kriminelle Art und Weise die deutsche Bourgeoisie ihre Geschäftsführung organisiert. Ein Bonbon bleibt allerdings: Ausgerechnet Law-and-order-Kanther hatte bei der illegalen Geldwäsche seine Finger mit im Spiel. Auch wenn die professionelle Heuchelei der Regierenden wahrlichs nichts Neues ist, sollte die Linke die Gelegenheit nicht vorüberstreichen lassen, den Finger in diese Wunde zu legen.

Unerfreulich an der ganzen Affäre ist, dass die Falschen von ihr profitieren. Hatte man schon fest davon ausgehen können, dass am 27.2. in Schleswig-Holstein der konservative Normalzustand wieder hergestellt würde, wird nun wohl doch Simonis das Rennen machen. Manche werden sagen, dass sei zumindest das kleinere Übel.

Das ist in der gegenwärtigen gesellschaftlichen Konstellation durchaus zu bezweifeln. In Schleswig-Holstein hat die sozialdemokratische Regierung (mit und ohne grünen Wurmfortsatz) erheblich zur Desorientierung der sozialen Bewegungen beigetragen. Während von Atomausstieg über Bildungspolitik bis zu Abschiebungen kaum qualitative Unterschiede auszumachen sind, haben sich verschiedenste Gruppen immer wieder über parteipolitischen Verbundenheiten einfangen und vertrösten lassen. Mitunter wurde auch mit ein bisschen "Staats-Knete" nachgeholfen. Ohne nennenswerten Protest konnte die Ministerpräsidentin auf der letztjährigen Mai-Kundgebung des DGB den Angriffskrieg gegen Jugoslawien verteidigen. Einem Verteidigungsminister Rühe wäre das kaum möglich gewesen.

Nein: Die Sozialdemokratie ist gegenwärtig nicht das kleinere Übel, sondern ein Glücksfall für die deutsche Bourgeoisie. Ohne sie und ihren Juniorpartner wäre die Zäsur in der deutschen Nachkriegsgeschichte nicht so reibungslos zu organisieren gewesen. Der gegenwärtige Niedergang der CDU mag einem also vielleicht eine gewisse innere Befriedigung bescheren, Freude kommt angesichts der Aussichten auf ein sozialdemokratisches Jahrzehnt allerdings nicht auf, auch nicht, wenn es demnächst eine ost-sozialdemokratische Erweiterung bekommen sollte.

(wop)