Antimilitarismus

Monopoli auf der Werft

HDW wird zum Rüstungskonzern

Bei HDW tut sich Beachtliches. Den Anfang machten im letzten Jahr Entscheidungen bei der Westdeutschen Landesbank (West LB), den Preussag-Konzern vollkommen umzumodeln. Das von der Bank kontrollierte Unternehmen gab binnen weniger Monate seine Stahl- und Anlagenbetriebe ab und kaufte sich in der Tourismus-Branche ein (Hapag Lloyd, TUI, &c.), wo es inzwischen die erste Geige spielt. Auf diesem Wege kam auch HDW zu einem neuen Besitzer, zur Deutschen Babcock AG, eine andere Gruppe aus dem Reich der West LB. Babcock war bisher v.a. im Kraftwerksbau tätig und kämpfte seit einigen Jahren mit den roten Zahlen. Babcock erhielt 50% plus eine Aktie und hatte von nun an in Kiel das Sagen. Chef der West LB ist übrigens SPD-Mitglied Friedel Neuber, Spezi führender Regierungsmitglieder in Nordrhein-Westfalen und des neuen Bundespräsidenten, sowie Aufsichtsratsvorsitzender beim Energie-Riesen RWE, der Preussag und der Deutschen Babcock, außerdem Aufsichtsratsmitglied der Deutschen Bahn AG.

Preussags Aktien sind durch die Transaktion erheblich angestiegen, aber die Sanierung dieses Konzerns scheint nicht der alleinige Grund für die Umgruppierung gewesen zu sein. Zielstrebig ging Babcock-Chef Klaus Lederer, der nach Angaben der Tageszeitung "Die Welt" von Neuber persönlich ausgesucht worden sein soll, daran, um HDW ein Rüstungsimperium zu gruppieren. Im Sommer letzten Jahres kaufte man sich einen ehemaligen Konkurrenten, die schwedische Kockums Werft, mit der man noch vor wenigen Jahre um U-Boot-Aufträge gerangelt hatte. Kockums' bisheriger Besitzer, der schwedische Celsius-Konzern, der seinen Umsatz zu 60-75% mit Tötungsgerät aller Art tätigt, erhielt im Gegenzug bei den Kielern eine Sperrminorität von 25% plus einer Aktie aus dem Bestand, der bis dahin noch von der Preussag gehalten wurde. Die Verflechtung muss noch von der EU-Kommission in Brüssel abgesegnet werden, doch bei HDW ist man zuversichtlich, dass es keine Probleme geben wird.

Mit in die Ehe eingebracht haben die Schweden ihren 49%-Anteil am australischen U-Boot-Hersteller ASC. Die restlichen Anteile werden von der australischen Regierung gehalten, doch sollen diese demnächst veräußert werden. Mit dem französischen HDW-Konkurrenten DCN hatte Kockums bisher einen Kooperationsvertrag, doch sieht man bei HDW keinen Grund, diesen weiterzuführen. Das mache keinen Sinn, heißt es beim Vorstand. Angesichts der überragenden Stellung, die die Kieler Werft bereits vor dem Neuerwerb auf dem U-Boot-Markt hatte, leuchtet das ein. Mit Kockums zusammen wird man ca. 80% des Weltmarktes beherrschen. Derzeit sind die beiden Werften weltweit die Einzigen, die außenluftunabhängige Antriebe anbieten, sieht man einmal von den nuklear betriebenen U-Booten ab.

Etwas verschnupft über die schwedisch-deutsche Hochzeit war man bei Thyssen Krupp, hatte man sich doch mit Preussag bereits in Gesprächen über die Fusion der Kieler Werft mit der Hamburger Blohm&Voss und den Emdener Nordseewerken befunden, die beide dem alten Herrn der deutschen Rüstungsindustrie gehören. Daraus wird erstmal nichts, verkündete Lederer, die Kooperation zwischen den Dreien im Fregattenbau solle allerdings weitergehen. Auch auf diesem Sektor hat HDW seine Position deutlich ausgebaut. Drei Fregatten der 124er-Klasse befinden sich derzeit im Auftrag der Bundesregierung im Bau, gleichmäßig verteilt auf die drei nordwestdeutschen Werften. Weitere Gespräche über ein Zusammengehen mit Thyssen Krupp will man bei HDW allerdings für die Zukunft nicht ausschließen. Die Bundesregierung scheint in dieser Richtung zu drängen. Man erwarte, hieß es im Dezember nach Angaben der "Hannoverschen Allgemeinen Zeitung" in einem Bericht des Wirtschaftsministeriums, "dass eine über die bestehende enge Kooperation (...) hinausgehende Annäherung (...) stattfinden wird".

Der Bericht ist ein Beispiel dafür, dass das derzeitige Fusionsfieber in der Rüstungsindustrie nicht nur Teil des allgemeinen Monopolis der Konzernetagen ist. Die europäischen Regierungen haben ein strategisches Interesse daran, diesen Prozess zu beschleunigen: War es bisher noch so, dass deutsche Aufträge automatisch an hiesige Werften vergeben werden, wird damit demnächst wahrscheinlich Schluss sein. Berlin hat sich mit London, Rom, Madrid und Den Haag geeinigt, die militärische Beschaffung künftig gemeinsam zu organisieren. Gleichzeitig haben die EU-Chefs auf ihrem Juni-Gipfel in Köln beschlossen, den Aufbau einer europäischen Rüstungsindustrie voranzutreiben (siehe Kasten). Fusionen sind also angesagt. In Schweden hat man die Botschaft bereits vernommen: Celsius wird derzeit auf Druck der Regierung von seinem Konkurrenten Saab übernommen.

Damit eröffnen sich auch für HDW neue Perspektiven, denn 35% der Saab-Aktien werden von Britisch Aerospace (BAe) gehalten, die also demnächst mit 7% bei der Kieler Werft beteiligt sein wird. BAe hält aber ihrerseits 49% bei STN Atlas Elektronik, einem Spezialisten für Lenkwaffen-Elektronik und Ähnliches mit Werken in Hamburg und Bremen. Lederer wies auf einer Pressekonferenz im November, kurz nachdem Saab seine Absichten bekannt gegeben hatte, ausdrücklich auf die Kooperationsmöglichkeiten hin, die sich daraus ergeben würden.

Die Auftragslage auf dem Rüstungssektor könnte kaum besser sein. Schon bisher macht HDW rund 50% seiner Umsätze und 100% seiner Gewinne auf diesem Gebiet. Anfang Dezember berichtete die "Süddeutsche Zeitung" von einem Paket, dass Südafrika bei deutschen Werften bestellt hat: drei U-Boote und vier Korvetten. 2,5 Mrd. DM soll HDW vom Auftragskuchen abbekommen, womit der U-Boot-Bau bis über das Jahr 2005 hinaus ausgelastet wäre. Auch an deutschen Aufträgen herrscht kein Mangel: Von der Bundesmarine liegen vier Bestellungen für die neue U-212-Klasse vor, zwei weitere sollen noch hinzukommen. Kockums bringt ebenfalls volle Auftragsbücher mit: Stockholm will u.a. seine älteren U-Boote nachrüsten lassen, um sie für wärmere Gewässer zu optimieren. Ziel: Das neutrale Schweden möchte demnächst auch weltweit an Einsätzen teilnehmen können. Nur zur Friedenserhaltung, versteht sich. Die deutsche Marine zieht es ebenfalls in alle Welt. Zwei Einsatzgruppenversorger, die Truppenausrüstung um den ganzen Globus werden schippern können, sind demnächst fertig. Des weiteren will das Kriegsministerium demnächst Mittel für 15 Korvetten beantragen. Die sollen, heißt es in Berlin, die Schnellboot-Flotte in der Ostsee ersetzen und werden sich u.a. durch eine bessere (Hoch-) Seetauglichkeit und größere Reichweite auszeichnen, so dass man sie u.a. auch ins Mittelmeer schicken kann.

Weniger rosig sieht es allerdings im Handelsschiffbau aus, auch wenn die Auslastung der Werft bis 2001 noch garantiert ist. Für einigen Wirbel sorgten Äußerungen des Babcock-Chefs auf der erwähnten Pressekonferenz, er wolle endlich auch in diesem Bereich Gewinn sehen. OB Norbert Gansel sah sich bemüßigt, Alarm zu schlagen: "Wir sind gegen eine Einstellung des Handelsschiffbaus", verkündete er in der Dezember-Ratsversammlung. "Wir wollen nicht am Ende des Jahrhunderts mit einem reinen Rüstungskonzern dastehen, wie wir es an seinem Anfang taten." Die Rüstungsbetriebe hatten Kiel im letzten Krieg einen Zerstörungsgrad von 80% und mehrere Tausend zivile Bombenopfer beschert. Aber es waren keine antimilitaristischen Regungen, die den Ex-Mariner da anfielen. Bei anderer Gelegenheit wird er nicht müde, die Stationierung von möglichst vielen Soldaten und Kriegsschiffen an der Förde zu fordern, und bemüht dafür auch schon mal die vermeintliche russische Gefahr.

Aber es ging wohl eher darum, ein bisschen um Subventionen zu pokern und im Wahlkampf ein wenig Arbeitsplatz-Geklingel zu veranstalten. Auf HDW arbeiten derzeit noch 3.200 Menschen. Trotz ordentlicher Profite ist ihre Zahl im vergangenen Jahrzehnt kontinuierlich zurückgegangen. Anfang der 90er waren es noch 4.000. Inzwischen hat Ministerpräsidentin Heide Simonis 34 Mio. DM an Werfthilfe zugesagt. Zwei Drittel davon trägt der Bund, ein Drittel das Land. Lederer kündigt unterdessen an, dass er HDWs Kapitalrendite von 12 auf 14% steigern und die Werft zu einem weltweit tätigen Rüstungskonzern ausbauen will.

(wop)

Hintergrund:

Militarisierung der EU

Seit zwei Jahren konkretisieren sich innerhalb der Europäischen Union die Bemühungen, zu einer gemeinsamen Außen- und Militärpolitik zu kommen. Vorantreibende Kräfte sind v.a. Deutschland und Frankreich. Mit dem Krieg gegen Jugoslawien wurde die Entwicklung noch einmal beschleunigt: Auf ihrem Kölner Gipfel im Juni beschloss die EU eine enge Anbindung der Westeuropäischen Verteidigungsunion WEU an die Gemeinschaft, sowie die Einrichtung der Stelle eines Hohen Beauftragten für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik. Besetzt wurde sie passender Weise mit Javiar Solana, der zuvor NATO-Generalsekretär war. Der forderte denn auch prompt, die Mitgliedsstaaten müssten ihre Rüstungsausgaben erhöhen. Wenn Europa den "ihm von Rechts wegen zustehenden Platz auf der internationalen Bühne einnehmen wolle", dann brauche es eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, ließ er im November die Abgeordneten des EU-Parlaments wissen. "Wir müssen in der Lage sein zu handeln. Und das bedeutet, dass wir militärische Mittel brauchen." Daran soll es nicht scheitern, war schon in Köln beschlossen worden. Kooperationen und Fusionen in der Rüstungsindustrie sollen dafür vorangetrieben und der Vorsprung der amerikanischen Konkurrenz aufgeholt werden. Vor allem in der Luftfahrtindustrie hat es seit dem einige Bewegung gegeben. Im Oktober gaben die DaimlerChrysler Aerospace (DASA) und die französische Aerospatiale-Matra die Fusion zur European Aeronautic, Defense and Space Company (EADS) bekannt. Aber auch in anderen Zweigen der Rüstungsbranche tut sich einiges, wie das Beispiel HDW zeigt.

Unterdessen unternahm die EU auf ihrem Dezember-Gipfel einen weiteren Schritt in Richtung Militarisierung. In der finnischen Hauptstadt Helsinki einigte man sich auf den Aufbau einer gemeinsamen Eingreiftruppe in Höhe von ca. 60.000 Mann. Nach deutsch-französischen Vorstellungen soll das Eurocorps, an dem sich neben den beiden Ländern noch einige andere beteiligen, den Kern dieser Einheit stellen. Allerdings wird sie nur im Bedarfsfall aus den Armeen der Mitgliedsstaaten zusammengerufen. Einige kleinere Länder, die z.T. nominell neutral sind, legen Wert darauf, dass die endgültige Entscheidung auf der jeweils nationalen Ebene getroffen wird. Offen ist daher noch, wie die militärischen Strukturen in den bestehenden EU-Apparat eingefügt werden können.

(wop)