KERNspalte

Es wird langsam langweilig, immer wieder die unvermeidbare kriminelle Energie aufzählen zu müssen, mit der Atomanlagenbetreiber und Genehmigungsbehörden diese Form der Stromerzeugung am Leben erhalten; ebenso das larmoyante Auflisten der aktuellen Störfälle, die zur Atomkernspaltung dazu gehören wie die Späne zum Hobeln und die Bestechung zur Politik. Ich tu's trotzdem, weil ja Umfragen zufolge immer weniger Leute glauben, dass Atomkraft was Schädliches ist. Das können nicht alles Angestellte der Atomkonzerne sein, denn davon gibt es nur 40.000, mittelbar abhängig davon sind 150.000 Arbeitsplätze - diese Zahlen nannte die Bundesregierung auf eine Anfrage der CDU/CSU im Februar.

Die Betreiberfirma British Nuclear Fuels (BNFL) der Wiederaufarbeitungsanlage Sellafield hat also seit fast 4 Jahren systematisch Sicherheitsdokumente gefälscht, mit denen dann MOX-Brennelemente in alle Welt ausgeliefert wurden. BNFL-Chef Taylor ist wegen dieses Skandals inzwischen zurückgetreten. Die Japaner hatten den Schwindel zuerst gemerkt, Irland fordert die sofortige Schließung der Anlage, aber auch das AKW Unterweser (PreussenElektra) erhielt solche Brennelemente, die dort seit 4 Jahren im Einsatz sind. Am 26.2. ging das AKW vom Netz, um die 4 Brennelemente auszuwechseln. Nach einer so schnellen Reaktion hatte es anfangs nicht ausgesehen. Noch am 21.2. meldete dpa: "Da es zu keinen Auffälligkeiten gekommen sei, habe das niedersächsische Umweltministerium die weitere Benutzung der Brennelemente gestattet." Tags darauf erfuhren wir, dass dem Betreiber die Fälschung von Anfang an bekannt war. Jüttner regte sich daraufhin fürchterlich auf, er fühle sich hintergangen, die PreussenElektra habe sein Vertrauen missbraucht - und veranlasste was? Gespräche bei noch laufendem Reaktor - Primat der Politik?

Deswegen hat sich Greenpeace jetzt an Bundeskanzler Schröder gewandt, er möge doch die Wiederaufarbeitung im Ausland stoppen. Nun wissen ja (fast) alle, dass die CDU 16 Jahre lang Politik gegen Vorauszahlung gemacht hat, nicht viel besser als z.B. in Ecuador. Nichts deutet darauf hin, dass die Entscheidungen von rot-grünen Landes- oder Bundesregierungen von jemand anderem als dem Kapital gesponsert würden. Aber appellieren kann man ja mal an den Menschen, dessen aktueller Vorschlag zum Atom-Ausstieg 30 Kalenderjahre Laufzeit mit verschiebbaren Energiemengen zwischen den AKWs vorsieht - wenn das mit den genannten Brennelementen, den zurechtgebogenen und -gelogenen Druckbehältern wie in Krümmel und sog. "Transportbereitstellungslagerung" unter freiem Himmel erfolgt, heißt "Konsens" mit der Atomindustrie doch wohl "Komplizenschaft".

Die Liberalisierung des Strommarktes hat v.a. eines erreicht: Ein kriminelles Unterlaufen von Sicherheits- und Umweltschutzrichtlinien. "Umweltdumping" wird das in einer Studie des Wuppertaler Instituts für Klimaforschung genannt. Danach toleriert die EU den Import von Strom aus Bohunice (Slowakei), obwohl eine Stilllegung wegen der gravierenden Sicherheitsrisiken noch in diesem Jahr vereinbart war, vermutlich bis 2008, ebenso wie Strom aus den Schrottreaktoren Dukovany (Tschechien) und Tschernobyl (Ukraine). Der Bedarf nach "schmutzigem Strom" wird der Studie zufolge bei einem geplanten Ausstieg aus der Atomenergie in Deutschland noch weiter anwachsen. Dazu gehöre auch polnischer Strom aus Kohlekraftwerken ohne jegliche Rauchgasreinigung.

Von krimineller Energie zeugt auch ein Vorfall in Thailand: Eine Frau, Mitbesitzerin eines Schrottplatzes bei Bangkok, hatte bei einem Trödler einen Stahlzylinder erworben, den ihre zwei männlichen Kompagnons zum Zwecke des Recycling auseinanderschraubten. Der Inhalt habe erbärmlich gestunken. Dann starben drei Hunde auf dem Schrottplatz. Wenig später wurden auch die zwei Männer und die Frau in ein Krankenhaus eingeliefert mit Hautbläschen, Brandblasen und Haarausfall - offensichtlich schwer radioaktiv verstrahlt.

Nach vier Pannen, zuletzt einem gerissenen Sicherheitsventil, ging der letzte aktive Reaktor in Tschernobyl am 16.2. wieder ans Netz. Wenige Stunden später musste er wieder auf halbe Kraft gedrosselt werden - ein Turbogenerator war ausgefallen. Der Schaden war am 28.2. "behoben", so dass der Reaktor erneut angefahren wurde. Der Ukraine kommt die Pannenserie aber ganz recht: Das übt Druck auf die EU aus, die versprochenen Kredite für zwei AKW-Neubauten endlich lockerzumachen.

Weitere Notabschaltungen melden St. Petersburg und New York (Indian Point). Bei New York sei auch radioaktiver Dampf in die Atmosphäre entwichen, der Grund des Lecks ist noch unklar; die Russen gaben dagegen gar nichts zu und ordneten an, eine "geringfügige technische Panne" zu melden - zu Befehl, Genossen!

Nebenan, in Finnland, will die Atomindustrie als einzige innerhalb der EU noch in diesem Frühjahr die Pläne für den Bau eines neuen, fünften Atomreaktors dem Parlament vorlegen. Der Ausbau des Atomprogramms dort hätte sicherlich Signalfunktion für ganz Europa. Finnische Anti-Atomgruppen sammeln zur Zeit Protestbriefe und Unterschriften gegen den Bau. @-Kontakt: lea.launokari@nettilinja.fi.

Das AKW Neckarwestheim (Baden-Württemberg) hat seinen Bauantrag für ein Zwischenlager zurück gezogen. Grund sei eine Veränderungssperre der Gemeinde für das Baugelände. Da müsse jetzt erstmal verhandelt werden.

Ansonsten sorgt aber der Zwischenlagerboom für strahlende Gesichter beim Castor-Hersteller GNB in Mülheim an der Ruhr. Die Nachfrage wachse dadurch von jährlich 30 auf über 50 Behälter, von denen jeder bis zu 3 Mio. DM kostet und 130 Tonnen wiegt. Die GNB, eine Tochter der GNS, die wiederum in den Händen der großen Energiekonzerne (deren größter die Fusion RWE-VEW darstellt) ist, will ihre Kapazität noch in diesem Jahr erweitern. Auch vom Geschäftsführer des Zwischenlagers Ahaus gab es Beifall für Trittins Entsorgungspolitik: "Keine Transporte, keine Tumulte, keine schlechte Presse". Es sei doch viel besser, wenn im AKW hinterm Zaun nur noch der Castor vom Reaktor ins Zwischenlager geschoben würde. Und ob nun in Ahaus oder am Standort gelagert würde, das sei sicherheitstechnisch doch egal - denn auch in Ahaus gebe es ja nur eine einfache Halle für die Castoren!!

(BG)