Betrieb & Gewerkschaft

Arbeitskampf in Zeiten der Globalisierung

Nach fünf Stunden ist Sun-gil am Ende seiner Kraft. Simultanübersetzen ist ein hartes Brot, aber ohne die hilfreichen Geister im Hintergrund sind internationale Konferenzen kaum denkbar. Auch nicht die oppositioneller Gewerkschafter. Welche IG Metall Vertrauensfrau spricht schon Portugiesisch, welcher brasilianische VW-Arbeiter Koreanisch oder welcher koreanische Werftarbeiter Polnisch oder Russisch?

Und doch waren sie alle in Köln zusammengekommen, um drei Tage lang über die Probleme und Perspektiven gewerkschaftlicher Arbeit zu diskutieren. Aus insgesamt 23 Ländern waren die 150 Teilnehmer angereist. Organisiert hatte das Treffen das deutsche TIE-Büro in Offenbach, mitgeholfen hatte die Express-Redaktion, eine Zeitung für sozialistische Gewerkschaftsarbeit. TIE steht für transnationalen Austausch, und englisch ausgesprochen heißt es gleichzeitig Bindung. Unter diesem Namen arbeitet seit 17 Jahren ein unabhängiges Netzwerk linker Gewerkschafter, die sich nicht auf die Zusammenarbeit ihrer Vorstände verlassen wollen, sondern Solidarität und v.a. den Informationsfluss von unten organisieren. Finanziert von verschiedenen Stiftungen und aus kirchlichen Quellen unterhält TIE Büros in Sri Lanka, Deutschland, Russland, Brasilien, den Niederlanden und den USA. Weitere Vertretungen in der Türkei und Westafrika sollen demnächst hinzukommen. "Das Interesse an Zusammenarbeit und Austausch ist enorm. Hätten wir alle Anmeldungen zur Konferenz angenommen, dann hätten wir dreimal so viele Leute hier", berichtet Heiner Köhnen, der in Offenbach seit Monaten an der Vorbereitung der Tagung arbeitete.

Gemeinsame Probleme gibt es in der immer enger verknüpften Weltwirtschaft mehr als genug: So bemühen sich weltweit Konzerne, Teile der Produktion auszulagern, um die Belegschaften zu verkleinern. Ein besonders extremes Beispiel schildert Adi dos Santos Lima von VW do Brazil in Sao Paolo. Dort seien zwei Zulieferer auf dem Firmengelände untergebracht, so dass von den 1.400 im Werk Beschäftigten nur 200 bei VW selbst angestellt sind. Immerhin habe man bisher gleiche Löhne und Arbeitsbedingungen durchsetzen können, was alles andere als selbstverständlich ist. Schließlich ist wesentliches Ziel der Vergabe von Auftragsarbeiten, in schlechter organisierten Kleinbetrieben die Löhne drücken zu können.

So berichtete z.B. Wolfgang Schaumberg von Opel Bochum, dass Arbeiter, die zu Zulieferern wechseln müssen, mit Einbußen von ca. 30% zu rechnen haben. Im Kernwerk würden hingegen Arbeitsdichte und Druck auf die Beschäftigten ständig zunehmen, so dass heute eine Es-reicht-Stimmung herrsche. Doch so lange die Gewerkschaften Kostendruck und Konkurrenz als quasi Naturereignis akzeptieren und die meisten Arbeiter diese Sichtweise verinnerlicht haben, sei es schwer, zu einer Gegenwehr zu kommen. Nötig sei die aber auf jeden Fall, denn in den nächsten Jahren sollen im Bochumer Werk noch einmal 4.000 Arbeitsplätze abgebaut werden. Für Schaumberg weist die Tendenz zur vermehrten Auslagerung, die unter dem Schlagwort modulare Produktion betrieben wird, darauf hin, dass die Kapitaleigner dem Zwang zu langfristigen Investitionen entkommen wollen. Er hält die Forderung nach Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich für eine der wichtigsten Antworten auf die Entlassungswelle, sieht allerdings, dass angesichts der negativen Erfahrungen mit den flexibiliserten Arbeitszeiten nach dem 84er Streik um die 35-Stunden-Woche diese Forderungen heute wenig populär sind.

Dass dennoch die Chancen, sich gegen Lohnabbau und Entlassungen zu wehren, auch unter den veränderten Bedingungen nicht unbedingt schlecht sein müssen, zeigen verschiedenen Erfahrungen der letzen Jahre in Spanien und den USA. Die neuen, schlanken Produktionsstrukturen sind nämlich sehr streikanfällig. Das machten sich vor kurzem VW-Zulieferer in der spanischen Provinz Navarra zu Nutze, die bisher nur die Hälfte des Lohnes der VW-Arbeiter verdienten. Zwei Streiks reichten, um eine 20%ige Lohnerhöhung durchzusetzen.

In noch viel stärkerem Maße werden Arbeiter in den Entwicklungsländern durch ein gestaffeltes System der Auftragsvergabe gedrückt. In der Textilindustrie ist es heute z.B. Gang und Gäbe, dass die Firmen mit den großen Markennamen in Klein- und Mittelbetrieben rund um den Globus produzieren lassen, zumeist in den Freihandelszonen Asiens und Lateinamerikas. Gewerkschafter aus Sri Lanka und Mexiko nutzten daher die Kölner Konferenz, um sich auf ein gemeinsames Netzwerk zu verständigen.

Den praktischen Nutzen der Zusammenarbeit von unten machte eine aktuelle Meldung einen Tag vor Konferenzbeginn deutlich: BMW gab am Mittwoch vorletzter Woche den Verkauf von Rover bekannt. Entlassungen wurden bereits angekündigt. Britische Gewerkschaften gehen davon aus, dass der Verkauf von Land Rover an Ford und eines anderen Werkes an Alchemy Partners mindestens 9.500 Arbeitsplätze kosten wird. Bei Alchemy handelt es sich nach Angaben von in Köln anwesenden Rover-Arbeitern um einen Abwickler, der kein anderes Interesse hat, als erworbene Betriebe Gewinn bringend aufzulösen. Auf dem Kölner Treffen nutzten Gewerkschafter von BMW und Rover die Gelegenheit, um sich zu beraten. In einer Protestnote erinnerte die TIE-Konferenz daran, dass BMW bei der Übernahme von Rover eine lebenslange Arbeitsplatzgarantie abgegeben hatte. Die BMW-Arbeiter sollten ihre Kollegen bei Rover unterstützen, heißt es: "Die Schließung solch großer Werke hat Auswirkungen für alle europäischen Automobilarbeiter. Heute BMW - morgen Ford oder Opel?"

Auch in der südafrikanischen Automobilindustrie gibt es Auseinandersetzungen. Die VW-Werke in Uitenhagen haben am 4.2. 1.300 Arbeiter entlassen, weil sie sich geweigert hatten, ihren Streik zu beenden. Die 4.000 Arbeiter des Werkes befanden sich seit dem 20.1. im Streik, weil ihre Gewerkschaft 13 Shop-Stewards (vergleichbar mit den deutschen Vertrauensleuten, haben allerdings auch einige Aufgaben, die hierzulande Betriebsräte wahrnehmen) abgesetzt hatte. Die Gewerkschaftsführung hatte sich nicht damit abfinden wollen, dass die Arbeiter bei den vorhergehenden Wahlen korrupte Vertreter, die zu viel mit der Betriebsleitung gekungelt hatten, abwählten. Hintergrund der Auseinandersetzung ist die Einbindung der einst sehr kämpferischen südafrikanischen Gewerkschaften in die Regierungspolitik, die u.a. von ANC und KP getragen zunehmend auf neoliberalen Kurs geht, was dem Land eine boomende Börse und eine Arbeitslosenrate von 33% beschert. In den Gewerkschaften wird diese Entwicklung von einem rasanten Abbau innerorganisatorischer Demokratie begleitet, wie ein Vertreter der Entlassenen in Köln berichtete.

(wop)

Mehr Infos über die Auseinandersetzungen bei VW Südafrika, Rover, die deutsche Gewerkschaftslinke und manches mehr unter www.labournet.de