KERNspalte

Eine Handvoll AktivistInnen hat am 23.3. die Anlieferung eines leeren Castor-Behälters im AKW Neckarwestheim mit einer Kundgebung empfangen. Nach den Vorstellungen des Aktionsbündnisses Castorwiderstand Neckarwestheim sollten die Aktionen von AKW-GegnerInnen mangels anderer Transporte auch auf leere Behälter ausgeweitet werden.

Der Rechnungsprüfungsausschuss des Bundestages hat einvernehmlich dafür gestimmt, die Deckungsvorsorge für die Betreiber von Atomkraftwerken von 500 Mio. DM auf 5 Mrd. DM anzuheben. Die Risikoabsicherung für Atomunfälle sei seit 1985 nicht mehr angepasst worden, wie das Atomgesetz es vorgesehen habe. Durch die Unterdeckung entstehe in jedem Schadenfall eine Belastung von 120 Mio. DM für den Bundeshaushalt. Falls dieser Vorschlag umgesetzt wird, wird Strom aus deutschen AKWs wieder etwas teurer und vielleicht weniger konkurrenzfähig. Ein Grund mehr, die Atomkonzerne umzustrukturieren.

Im Zuge der VEBA/VIAG-Fusion soll der Bereich Kernenergie der VEBA-Tochter PreussenElektra mit dem Bayernwerk zusammengelegt werden. Im übrigen aber hat sich herausgestellt, dass der Handel mit Atomstrom lukrativer ist als die Produktion. PreussenElektra und der polnische Stromerzeuger PSE haben im Beisein von Wirtschaftsminister Müller einen Vertrag über die Lieferung von Strom aus dem Osten nach und durch Deutschland in andere EU-Länder unterzeichnet. Wie nicht anders zu erwarten war, werden dabei die niedrigsten Produktionskosten den liberalisierten Markt erobern, und die entstehen zur Zeit in Russland - eingerahmt von niedrigsten Sicherheits- und Umweltstandards. Etwa die Hälfte der gelieferten Energie wird russischen Ursprungs sein, der Rest aus Polen.

Im Gegenzug soll auch etwas nach Russland zurückfließen: westlicher Atommüll, hauptsächlich aus den USA und Deutschland, und zwar nach Krasnojarsk und Majak, zwei ehemaligen Plutoniumfabriken, die zu den am stärksten verstrahlten Orten der Welt, noch vor Tschernobyl, zählen. Das jedenfalls plant der "Non-proliferation Trust" gemeinsam mit dem russischen Atomministerium Minatom. Zwar schreiben die aktuell gültigen Atomgesetze bisher noch eine Rücknahme selbstverursachten Atommülls vor, aber wer wollte der Liberalisierung auf dem Müllmarkt noch länger im Wege stehen?

Nicht nur bei British Nuclear Fuels sind die Papiere faul: Auch bei französischen MOX-Brennelementen für das AKW Isar 2 (Landshut) ist es nach Angaben der Siemens AG bei der Qualitätskontrolle zu einer Datenpanne gekommen. Bei einer Lieferung von 32 Brennelementen Ende 1999 seien nachträglich Fehler in der Datenerfassung festgestellt worden. Ursache sei ein "Softwarefehler". In Sellafield, wo die Software nicht mehr beschuldigt werden kann, hat sich inzwischen ein Saboteur der Anlage angenommen. 6 Kabel, die ferngesteuerte Werkzeuge mit dem Hauptschalter verbanden, wurden durchtrennt. Nach Angaben der BNFL wurde "die Sicherheit nicht gefährdet" - welche Sicherheit??? Die Schweiz liefert jedenfalls keinen Atommüll mehr dorthin. Man sei über die Sicherheitskultur dort "sehr besorgt".

Sogar Japan überdenkt seit dem Unfall von Tokaimura seine Atompolitik. Nachdem Bürger und Medien eine Reduzierung des Atomprogramms gefordert hatten, sollen nun nicht mehr 20 neue Reaktoren gebaut werden, sondern höchstens noch 13. Vielleicht werden es noch weniger, wenn andere Gouverneure dem Beispiel der Präfektur Mie folgen und die Baugenehmigung einfach verweigern, wie in zwei Fällen schon geschehen.

Außenminister Joschka Fischer hat vor dem Grünen-Parteitag mehreren Hermes-Atombürgschaften zugestimmt, über die er die Partei erst im Nachhinein unterrichtete, und zwar, wie er selbst zugab, für AKW-Aufrüstungen in Argentinien, China und Litauen. Ausgerechnet die "Welt am Sonntag" stellt nun fest, dass selbst die Entschuldigung eine Täuschung war, denn es gibt eine vierte Bürgschaft: Tschernobyl. Das Ministerium erklärte dazu, es handele sich um ein Projekt zur Beseitigung von radioaktiven Abfällen, für das bereits die alte Bundesregierung Verpflichtungen übernommen habe. Das Auswärtige Amt verwies auf eine eigene Erklärung von Mitte März, in der das Tschernobyl-Projekt bereits erwähnt worden sei. Andere Behauptungen seien "an den Haaren herbeigezogen". An den selbigen herbeigezogen ist auf jeden Fall die Ausrede, dafür seien ja weitere 11 Bürgschaften für Großprojekte gestrichen worden - die Entscheidung ist in allen 11 Fällen nur ausgesetzt, darunter 9 Atomreaktoren und zwei Staudämme. Waffenlieferungen an Völkermord-Regime, Hermes-Bürgschaften für Billigst-Atomanlagen in aller Welt - die Grünen-Basis goutiert das alles auf ihrem Parteitag, wenn auch mit knapper Mehrheit. Ihre Forderung für die Zukunft: "Kehrtwende in der Hermespolitik". Die CDU forderte kurz und knapp den Rücktritt von Fischer (warum, habe ich auch nicht verstanden; sind die jetzt komplett in die Grünen eingetreten, dass sie so betroffen tun?).

Dazu passt mal wieder ein Brief vom CDAK (CDU-CSU-Mitglieder gegen Atomkraft). Die lehnen ein Strategietreffen zum AKW Mülheim-Kärlich mit den Bündnisgrünen ab, solange diese "den Weiterbetrieb der Atomkraftwerke betreiben". Desweiteren werfen sie den Grünen vor, das Grundrecht der Bürger auf körperliche Unversehrtheit zu missachten, das Recht auf Eigentum höher anzusiedeln als das Recht auf Leben, vor der Atomlobby zu kuschen und gegenüber der Atomkraft-Problematik "bis in die Spitze von Bundestagsfraktion und Partei desinteressiert und inkompetent" zu sein. Außerdem würden Sicherheitsstandards nach dem neuesten Stand von Wissenschaft und Technik ohne Not aufgegeben und Einwirkungsmöglichkeiten von Behörden sogar weiter beschnitten. Auch ein blindes Huhn findet mal ein Korn!

Freundlicherweise dokumentieren die Grünen ja immer die erbosten Schreiben, die bei ihnen eingehen, so auch das von Sebastian Schönauer, stellv. Vorsitzender des BUND aus Bayern, der sich bei Minister Trittin darüber beschwert, dass nicht nur in der Vergangenheit die Änderung des Atomgesetzes "quasi unter Ausschluss der Öffentlichkeit" beschlossen wurde, sondern das gleiche jetzt mit der Strahlenschutzverordnung erfolge. Die Umweltverbände würden über die Entwürfe überhaupt nicht oder zu spät unterrichtet. Eine Beratung durch diese sei wohl nicht gewünscht. Trittin solle doch sagen, wenn er die Verordnungen lieber mit der Industrie auskungeln wolle. Schönauer zur Atomgesetznovelle, die am 25.2. beschlossen wurde: "Das bedeutet erstens, dass die Atomfirmen von ihrer Pflicht zur Endlagerung entbunden werden, zweitens die Pflicht zur Entsorgung des Atommülls teilweise den Gemeinden aufgebürdet wird und drittens niedrigstrahlende radioaktive Stoffe in menschliche Lebensbereiche gelangen können."

Seltsam erscheint eine späte Investition in das Salzbergwerk Gorleben: Am 14.3. wurde ein neuer Schacht-Aufzug eingeweiht, der 110 Mio. DM gekostet hat. Wenn das BMU seine Ankündigung wahr macht und Ende März das Ende der Endlagererkundung in Gorleben bekannt gibt, kann der höchstens noch für Routinearbeiten zur Sicherung der Stollen benutzt werden. Oder war das wieder alles nicht so gemeint? Inzwischen hat das Verwaltungsgericht Lüneburg entschieden, dass der Firma SALINAS GmbH der Abbau von Salz zu kommerziellen Zwecken genehmigt werden muss, da im Bergrecht wirtschaftliche Zwecke vor wissenschaftlichen gehen. Damit hoffen die Atomkraftgegner um den Grafen Bernstorff, dem die Salzrechte und das Gelände über Teilen des Salzstocks gehören, den Endlagererkundern in die Suppe zu spucken, möglichst gar den Salzstock als Endlager unbrauchbar zu machen. Vielleicht könnte man sich gütlich einigen und den Salzschürfern den neuen Aufzug in dem 900 m tiefen Schacht schenken. Man könnte dort ein Schild aufstellen: "Der Bundesrechnungshof muss leider draußen bleiben!".

(BG)