Aus dem Kieler Rat

Die Frauenbeauftragte und der OB -

Eine kongeniale Beziehung?

Die Kieler Ratsversammlung am 16.3. beschäftigte sich u.a. mit dem Tätigkeitsbericht der Frauenbeauftragten der Landeshauptstadt. SPD, CDU und Bündnis90/DIE GRÜNEN geizten nicht mit Lob: Der Bericht sei ausgezeichnet, habe alle Aufgaben hervorragend abgedeckt, sei ausführlich, sachlich umfassend und informativ, und er bestätige die Wichtigkeit der Arbeit der Frauenbeauftragten, besonders für Frauen, die benachteiligt sind. Auch die SUK schien mit dieser Wertschätzung einverstanden zu sein und bedankte sich noch extra für die detaillierte Darstellung der Debatte um die Broschüre "Frauenleben im Vormärz und in der Revolution 1848/49", welche die SUK mit einer Kleinen Anfrage im Dezember 99 ausgelöst hatte. Dank der sachlichen Genauigkeit des Tätigkeitsberichts findet sich in diesem Zusammenhang darin auch ein Zitat des Oberbürgermeisters: "Die in der Anfrage zum Ausdruck kommende Skepsis über eine Kosten/Nutzen-Relation der Veröffentlichung teile ich". (Tätigkeitsbericht der Frauenbeauftragten der Landeshauptstadt Kiel 1999, S. 28).

Nicht nur dieser Ausspruch des Norbert Gansel stieß auf Kritik auch in seiner eigenen Partei. Der Bericht zeige, "frau kann es kaum glauben", so Inge Lindner (SPD), "wir brauchen immer noch dringend eine Frauenbeauftragte". Und Ilse Lebert von der CDU mahnte trotz aller Vorbehalte gegen das Gleichstellungsgesetz ausdrücklich an: Da das Gesetz einmal da sei, sollte es von der Verwaltung auch eingehalten werden. Wenn dies nicht speziell an der Spitze geschehe, d.h. beim Oberbürgermeister nicht umgesetzt wird, sagte sie, "dann ist das ein Skandal".

Als Gansel das Wort ergriff, wurde deutlich, wie sehr ihn der Tätigkeitsbericht unter Rechtfertigungsdruck gesetzt hatte. Seine Versuche einer frauenfreundlichen Rhetorik gingen voll daneben. Zunächst stellte er in Bezug auf die Frauenbeauftragte fest: "Dass sie unbequem ist, empfinde ich als kongenial", dann beteuerte er, dass er und seine Dezernenten täglich gute Frauenpolitik machten, indem sie mehr als die Hälfte der Post von Frauen erhielten und zu beantworten hätten, mehr als, laut Bericht, die Gleichstellungsstelle. Und schließlich entschlüpfte ihm auch noch die Freudsche Fehlleistung, von seinen "weiblichen Geschlechtsgenossinnen und -genossen" zu sprechen.

Auch in der Sache fand er aus der Defensive nicht heraus. Besonders den Vorwurf der Umgehung gesetzlicher Auflagen bei einigen Stellenbesetzungen auf Leitungsebene, wie ihn der Tätigkeitsbericht der Frauenbeauftragten detailliert begründet, konnte er nicht entkräften. Statt dessen forderte er trotzig: "Wenn ein Gesetzesverstoß vorliegt, dann bitte klagen Sie!" Darüber aber ging die Ratsversammlung, die in diesem Fall klageberechtigt wäre (nicht die Frauenbeauftragte!), vornehm hinweg. Irgendwie erinnert Letzteres an die Anfangszeiten der Ganselregierung, als im Kieler Rathaus hinter vorgehaltener Hand von der Musikgruppe "Norbert und die Feiglinge" die Rede gewesen sein soll, mit der Ergänzung: "Die einzige, die noch widerspricht, ist die Frauenbeauftragte." Insofern ist fraglich, ob das Attribut "kongenial", das der OB auf die Frauenbeauftragte bezog, schmeichelhaft ist oder nicht, denn kongenial heißt laut Duden "geistesverwandt, geistig ebenbürtig".

Übrigens: die "Kieler Nachrichten" haben über diesen Teil der Ratsversammlung vom 16.3. kein Sterbenswörtchen berichtet.

(Eva Dockerill)