Betrieb & Gewerkschaft

"Green Card" entlastet nicht die Beschäftigten

Am 2.3. erschien im Pressedienst der Gewerkschaft hbv eine Stellungnahme gegen die geplante Visa-Regelung der Bundesregierung. Nach meinen Beobachtungen stehen die ver.di-Gewerkschaften damit im Gegensatz zu dem, was der DGB offiziell vertritt. Für mich klingt diese Stellungnahme durchaus vernünftig. Die AG Betrieb & Gewerkschaft wird dieses Thema sicher beraten, um zu einer gemeinsamen Stellungnahme zu kommen - der nächste Treff ist am Montag, 17.4. um 19 Uhr im Kieler PDS-Büro (Kirchenweg 53). Im Folgenden dokumentieren wir die Presseerklärung.

(brg)

"Die ver.di-Gewerkschaften lehnen grundsätzlich den Vorstoß der Bundesregierung ab, ausländischen Spezialisten für die Branche ITK/Neue Medien den Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt zu erleichtern. Die ver.di-Gewerkschaften sind jedoch offen, die längst überfällige Entlastung der prekären Beschäftigungssituation in der Branche im Dialog mit der Bundesregierung einer Lösung zuzuführen. Die im Gründungsprozess befindliche Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft ver.di vertritt mit ihren Einzelgewerkschaften die Beschäftigten in den Schlüsselbetrieben dieser High-Tech-Beschäftigungsbereiche und ist somit der zuständige Verhandlungspartner für die ITK/Neue Medien-Branche.

Bevor die Branche nach einer weiteren Öffnung des deutschen Arbeitsmarktes ruft, muss von ihr mehr getan werden, um das vorhandene Potenzial zu nutzen. Dazu gehört eine drastische Ausweitung des Ausbildungsplatzangebots und der betrieblichen Weiterbildung. Bei den Arbeitsämtern sind außerdem mehr als 30.000 arbeitslose EDV-Fachleute und über 50.000 arbeitslose Ingenieure gemeldet. Für Qualifizierungsmaßnahmen im IT-Bereich hat die Bundesanstalt für Arbeit im vergangenen Jahr eine Milliarde DM aufgewandt. Der von der ITK-Branche behauptete Fachkräftemangel erscheint weit überhöht. Die bestehenden Regelungen, ausländische Spezialisten anzuwerben, werden nicht ausgeschöpft.

Die Beschäftigungssituation in der boomenden Computer- und Telekommunikationsbranche ist geprägt von einem hohen Engagement der dort tätigen Spezialisten, für die Arbeitszeiten weit über das gesetzlich erlaubte Maß alltäglich sind. Eine Zulassung von ausländischen Spezialisten kann zwar kurzfristig zu einer Entlastung der Beschäftigten in diesen Bereichen führen, würde aber ohne verbindliche Regelungen für eine ganzheitliche Lösung nur bewirken, dass die Versäumnisse der Vergangenheit übertüncht werden und eine zukunftsgerichtete Beschäftigungspolitik auf der Strecke bleibt. Ohne verbindliche Regelungen zu den Fragen der Qualifizierung und Eingliederung des in Deutschland unausgeschöpften Potenzials an Fachkräften, zur Aus- und Weiterbildung in den Betrieben, zu Arbeitszeitfragen und zur Einkommenssicherung, kann es keine stabile Lösung der Arbeitsmarktsituation in dieser Branche geben.

Die ver.di-Gewerkschaften fordern die Bundesregierung, die Industrie und die Fachverbände auf, vor einer Öffnung des Deutschen Arbeitsmarktes in dieser Wachstumsbranche mit ihnen in Gespräche zu treten, um verbindliche Regelungen für eine innovative Beschäftigungspolitik in der ITK/Neue Medien-Branche zu treffen."