KERNspalte

Die Atomgegner sind in die Jahre gekommen. Ihr Nachwuchs hat keine Probleme mit Atomspaltung. Der will lieber Karriere machen und Fun haben. Das muss jetzt auch das Urgestein der Anti-AKW-Bewegung spüren, die Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg. Ein Ersatz für die langjährigen Vorstandsmitglieder Susanne Kamien und Wolfgang Ehmcke ist nicht in Sicht. Es stellt sich nicht mal jemand zur Wahl. Zwar weiß der aktive Kern der BI immer noch, was er von dem "Ausstieg unserer Leute auf der Regierungsbank" (Mathias Edler) zu halten hat, aber im Umfeld bröckelt es - besonders, solange keine Castor-Transporte rollen. Der Ausstieg kommt doch in 30 + 3 Jahren, was soll man sich da noch engagieren! Vielleicht hilft es, so glaubt zumindest die BI, wenn man sich wieder mehr mit dem Standort Gorleben beschäftigt, statt "ständig nach Berlin zu schielen".

Das haben sie mit der Frühjahrskonferenz am 31.3.-2.4. in Mülheim an der Ruhr gemeinsam. Die Anti-AKW-Bewegung sieht keinen Sinn mehr in der Zusammenarbeit mit den Grünen - aber das war doch schon vor 6 Monaten Konsens, ist wohl mehr eine Affirmation. Außerdem kann man weiter mit den gleichen Leuten zusammenarbeiten, die bisher in den Grünen waren, denn die sind alle ausgetreten: Der Kreisverband Lüchow-Dannenberg mit Marianne Fritzen, Ex-Vorstandsmitglied Renate Backhaus, die Ex-Umweltministerin von Sachsen-Anhalt, Heidrun Heidecke, und die GAL Hamburg ja schon lange. Zentrum zukünftiger Aktionen und Proteste, solange kein Castor fährt, soll die Urananreicherungsanlage Gronau sein. Unter anderem findet grad an diesem Wochenende (15.4.) eine öffentliche Zaundemontage dort statt, weitere Aktionen werden zum Grünen-Parteitag im Juni von Münster aus erwartet (natürlich gegen den Parteitag und nicht auf dessen Initiative).

Eine Rückbesinnung auf die regionalen Probleme könnte auch Schleswig-Holstein nicht schaden. Nicht nur das Bundesumweltministerium, sondern auch die Energieministerien in Hannover und Kiel hielten 2 Jahre lang offenbar Anträge der PreussenElektra geheim, in denen es darum geht, die Reaktoren Unterweser und Brokdorf mit russischen MOX-Brennelementen zu bestücken, die auf recht abenteuerliche Weise zustande kommen sollen: Uran aus der Wiederaufarbeitung (La Hague) mit einem sehr geringen Gehalt des spaltbaren Isotops U-235 soll nach Elektrostal (600 km östlich von Moskau) transportiert werden, nachdem dorthin die komplette, stillgelegte Brennelementefabrik aus dem hessischen Hanau geliefert worden ist. Mithilfe dieser Anlagen will man dann hochangereichertes Uran aus verschrotteten russischen Atomwaffen und Atom-U-Booten mit bis zu 90% U-235 dem WAA-Uran beimischen, bis man bei dem gewünschten Gehalt von ca. 5% ist. Das will man dort in Pellets pressen und diese in Hüllrohre füllen, die von Siemens angeliefert werden. Die fertigen Brennelemente sollen über die Ostsee durch den Nord-Ostsee-Kanal (also Kiel und Rendsburg!) nach Hamburg und Bremen geschafft werden, von wo es dann per LKW zu den AKWs gehen würde. Das Geschäft wäre schon angelaufen, wenn die Behörden nicht zusätzliche Prüfunterlagen angefordert hätten, die der TÜV Nord beisteuern soll. Das sieht allerdings nach einer Vorentscheidung aus, denn durch die Prüfungen des TÜV Nord kamen bisher noch alle Unregelmäßigkeiten in Atomanlagen unbemerkt durch, u.a. auch die gefälschten Sicherheitspapiere von den Brennelementen aus Sellafield.

Ich erwähnte es schon in den letzten KERNspalten: Die Konsensgespräche stehen im Zeichen der verstrichenen Ultimaten. Auch das zuletzt erwähnte Ultimatum "Ende März" ist natürlich wieder vorbei, und der von VW/Audi und Siemens/KWU eingekleidete Wie-war-ich-Doris-Regierungsmoderator hat wieder ein neues verkündet: Bis zur Sommerpause. Nur das Jahr ist noch offen.

In einem südenglischen AKW wurden am letzten Sonntag alle Mitarbeiter evakuiert: Im Keller war eine Gasleitung undicht geworden. Ein Glück, dass der Reaktor abgeschaltet war und auch das Gas nicht explodierte.

Am 7.4. nahm die türkische Polizei in Akkuyu 87 AKW-GegnerInnen fest, weil sie gemeint hatten, das geplante AKW Akkuyu, um dessen Bau sich auch das Konsortium Siemens-Framatom bewirbt, liege in einem Erdbebengebiet - die türkische Regierung hatte jedoch Erdbeben ausdrücklich verboten (notfalls würden diese mit Waffengewalt à la Krauss-Maffei verhindert).

Und in Japan ist aus dem AKW Mihama mal wieder radioaktives Kühlwasser ausgetreten und ins Meer geflossen. Der Reaktor des Energiekonzerns Kansai wurde heruntergefahren, obwohl die ausgetretene Menge nach Einschätzung der japanischen Behörden "gering" war - wahrscheinlich eine landesübliche Höflichkeitsfloskel. Im ukrainischen Riwne musste ebenfalls ein Reaktor abgeschaltet werden, wegen eines Kurzschlusses - das kann in einem Kraftwerk schon mal fatal sein.

(BG)