Kommentar

Kontinuitäten

Für die taz-Redaktion war es der Tag der schlechten Witze, für Kieler Sozialdemokraten das geeignete Datum, den Startschuss für den Abriss des Kriegsmahnmals Kilian zu geben.

Die Rede ist vom 8. Mai. Hierzulande hat man den ja sowieso meist als "Tag der Kapitulation" empfunden, da ist es nur folgerichtig, ihn derart zu den Akten zu legen. Schließlich ist Deutschland inzwischen erwachsen geworden und hat auf dem Balkan seine historische Schuld verblassen lassen (Schröder bei einem Truppenbesuch im Kosovo).

Der Kanzler, immerhin, kam am Jahrestag des Kriegsendes doch nicht ganz vorbei, und sprach gar vom "Tag der Befreiung". Eine Vokabel, die kaum einem seiner Vorgänger über die Lippen gekommen ist. Aber natürlich war vom Kanzler der Bosse nicht zu erwarten, dass er erwähnen würde, wovon wir denn befreit wurden, noch dass diese Befreiung - aus eigenem, d.h. der Arbeiterparteien, Unvermögen - auf halbem Wege stecken blieb.

Das wäre eigentlich Aufgabe der Linken, doch die ist wie gewöhnlich mehr mit sich selbst beschäftigt. Dabei ist nichts besser als das historische Beispiel geeignet, um jedem, der es wissen will, die ganze potentielle Bestialität der Verhältnisse, in denen wir leben, vor Augen zu führen.

Denn entgegen landläufiger Meinung kamen Hitler und seine NSDAP weder vom Mars, noch hat es in Westdeutschland jemals einen ernsthaften Bruch der historischen Kontinuität gegeben. Man kann es in hundert Büchern nachlesen und doch muss es immer wieder gesagt werden: Hitler wurde im Januar 1933 von den reaktionären Eliten der Gesellschaft, den Führungsetagen der deutschen Banken und Monopole an die Macht gehievt, um die Arbeiterbewegung zu zerschlagen und das Land fit für einen neuen Eroberungsfeldzug zu machen. Wie 1914 ging es um die Vereinigung Europas unter deutscher Vorherrschaft. Die gleichen Konzerne, die sich derzeit so zieren, ein paar Mark für den Entschädigungsfonds ihrer ehemaligen Sklaven abzudrücken, haben sich an diesem Feldzug maßlos bereichert.

Eine Liste ihrer Namen liest sich wie ein Who-is-Who der deutschen Wirtschaft: Deutsche Bank, Dresdner Bank, Krupp, BASF, Hoechst, Bayer, Siemens ... Nicht umsonst hatte eine Untersuchungskommission der US-Militärregierung die Zerschlagung der Deutschen Bank gefordert. Heute schickt sie sich an, zum größten Geldhaus der Welt zu werden.

Und wie vor 60 Jahren muss dieser ökonomische Weltmachtanspruch auch militärisch abgesichert werden. Dieser Tage hat eine Kommission Vorschläge vorgelegt, wie die Bundeswehr für künftige Einsätze in aller Welt umgebaut werden müsste. Der Kommissionsvorsitzende hat da übrigens einige Erfahrung: Er war bereits als ehrgeiziger junger Generalstabsoffizier beim Unternehmen "Barbarossa" dabei, dem Überfall auf die Sowjetunion. Sein Name: Richard von Weizsäcker.

(wop)