auf & davon

Nach einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 18.5. steht Flüchtlingen das Recht auf uneingeschränkte Sozialhilfe unabhängig vom Aufenthaltsort in Deutschland zu. Damit erklärte das Gericht die in Deutschland geltende Regelung für rechtswidrig, nach der Flüchtlinge nur in dem Bundesland die volle Sozialhilfe erhalten, in dem ihnen die Aufenthaltsbefugnis erteilt wurde. Das Gericht berief sich bei der Urteilsbegründung auf die Genfer Flüchtlingskonvention und das Europäische Fürsorgeabkommen, die den Vertragsstaaten verbieten, über Bestimmungen zur Fürsorge eine Residenzpflicht einzuführen. Gültigkeit hat dieses Urteil allerdings nicht für AsylbewerberInnen, da diese bis zur ihrer Anerkennung keinen Flüchtlingsstatus genießen. Trotzdem stellt sich die Frage, ob nicht auch die reduzierte Sozialhilfe nach dem Asylbewerberleistungsgesetz dem Europäischen Fürsorgeabkommen widerspricht ebenso wie die auf einen Kreis bzw. eine Gemeinde beschränkte Residenzpflicht.

Am 8.5. beging die algerische Asylbewerberin Naimah H. Selbstmord im Frankfurter Flughafen-Transit. Pro Asyl erhebt in diesem Zusammenhang schwere Vorwürfe gegen das Bundesinnenministerium, das auf dringende Bittbriefe, in denen der Rechtsanwalt der Toten schon im Februar auf die schwierige psychische Situation von Frau H. hingewiesen und um eine Einreiseerlaubnis nach Deutschland ersucht hatte, nicht reagierte. Ähnlich untätig blieb das Innenministerium in dem Fall eines iranischen Studenten der seit Oktober 1999 im Flughafentransit interniert war, und nach rechtskräftiger Ablehnung seines Asylantrages im Dezember 99 einen Selbstmordversuch unternahm. Auch sein Anwalt wandte sich an das Innenministerium mit der Bitte um Einreiseerlaubnis aus humanitären Gründen. Dem Gesuch wurde erst nach dem Tod von Frau H. stattgegeben

Pro Asyl weist darauf hin, dass sich die Anzahl der Flüchtlinge die 30 Tage und länger im Flughafen festgehalten wurden, unter Rot-Grün von 85 im Jahr 1997 auf 265 in 1999 erhöht habe. Die Zahl der Flüchtlinge, die über 100 Tage im Flughafen verbleiben mussten, stieg von 7 im Jahr 1997 auf 110 im Jahr 1999. Die Rot-grüne Bundesregierung hatte im Rahmen der Koalitionsvereinbarungen zugesichert, die Dauer der Flughafenverfahren auf ihre Verhältnismäßigkeit zu überprüfen.

Am Flüchtlingskongress "Gemeinsam gegen Abschiebung und soziale Ausgrenzung", der vom 21.4. bis zum 1.5. in Jena stattfand, nahmen während der 12 Tage insgesamt ca. 600 Personen teil. Neben VertreterInnen von Organisationen aus anderen Ländern wie der "Sans-papiers" aus Frankreich, der Landarbeiterinnenorganisation "Kishani Sabha" aus Bangladesch oder der "ya basta"-Gruppe aus Mailand, die über ihre dortigen Aktionen berichteten bzw. die Zusammenhänge europäischer Interessen mit der wirtschaftlichen und politischen Situation in ihren Ländern deutlich machten, sprachen v.a. Flüchtlinge über ihre Lage in Deutschland. Viele interessierte AsylbewerberInnen konnten am Kongress nicht teilnehmen, da sie die für das Verlassen ihres Landkreises notwendige Erlaubnis nicht erhielten. Für Jose Maria Jones aus Sierra Leone wurde der Verstoß gegen diese Auflage zum Abschiebungsgrund. Er war dreimal ohne Erlaubnis in andere Städte Deutschlands gefahren, um sich an Kongressvorbereitungen zu beteiligen. Diese politische Betätigung wird von der Ausländerbehörde im Wartburgkreis als Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung eingestuft und als Ausweisungsgrund genutzt. Daher ist der Widerstand gegen diese Einschüchterungsversuche von politisch Aktiven Schwerpunkt der weiteren Aktionen der KongressveranstalterInnen von "Kein Mensch ist illegal", "The Voice of Africa Forum" und der "Karawane für die Rechte der Flüchtlinge und MigrantInnen". Ziel ist die Abschaffung der Reisebeschränkungen. Weiter Informationen zum Kongress und zu geplanten Aktionen gibt es unter www.humanrights.de. (a.w.)