Kultur

Benjamin von Stuckrad-Barre auf Lesereise

Fortsetzung des Buchs mit anderen Mitteln

Wenn man ein Interview mit Benjamin von Stuckrad-Barre führt, darf man sich auf einiges gefasst machen, etwa auf messerscharf zugespitzte Knaller wie diesen: "Autor zu sein ist der asozialste Beruf, den ich mir vorstellen kann. Und deshalb ist er mir auch der liebste." Blam! Das hat gesessen. Und ist wahr auf jene nie ganz eindeutige Weise, mit der der Autor von "Soloalbum", "Livealbum" und "Remix", Gagschreiber für Harald Schmidt und Dressman auf Plakaten von Peek & Cloppenburg den Medienrummel, der um ihn veranstaltet wird, ebenso erfüllt wie konterkariert.

Nicht minder ambivalent geht das Feuilleton mit Stuckrad-Barre um. Es lobt ihn als "Jung-Autor", der "das Lebensgefühl einer Generation" eingfängt, und verreißt seine Bücher im nächsten Satz als oberflächlich oder schlicht "geschmacksterroristisch" (Der Spiegel). Mit der Zuweisung, Sprachrohr einer Generation zu sein, kann Stuckrad-Barre indes wenig anfangen: "Bei Autoren unter 30 wird sowas dauernd unterstellt. Das ist die Sehnsucht von Redakteuren, denen es zu langweilig ist, über Bücher zu schreiben, und die stattdessen irgendwelche Lebensgefühle wittern." Aber auch Stuckrad-Barre möchte letztlich "von denen gut gefunden werden". Insofern tun die Verrisse weh. Aber vielleicht zeigen sie auch nur, dass das klassische Feuilleton mit der virtuosen Medienkompetenz junger, frecher Autoren nicht klar kommt, damit, sich ein Stück weit auf den "Medienirrsinn" einzulassen, um "Öffenlichkeitsarbeit für ein Buch" zu machen. "Das Buch wie ein Theaterstück deutschlandweit auf die Bühne bringen", so resümmiert Stuckrad-Barre sein Tingeln durch die Talkshows. "Da war keine böse Medienindustrie am Werk, sondern ich habe das selbst befeuert. Ich habe mich überall rein gesetzt, wo man mich nicht wieder raus geschickt hat, vor jede Kamera und jedes Mikro." Bis in Blätter wie "Gala" hat er es damit geschafft, für Literaten ein echtes Novum.

Doch die Ernüchterung folgte auf dem Fuße. Im "Livealbum", der Chronik einer Lesereise, hatte Stuckrad-Barre den Medienzirkus weitsichtig herbeigeschrieben. "Das Deprimierendste an meinen Medienerfahrungen ist, dass all die Schlagersängerweisheiten stimmen - man muss aufpassen sich nicht zu verbiegen. Ich hatte die Wahl, jetzt zum Nachwuchs-Jürgen-Drews zu werden, oder ein neues Buch zu schreiben." Sprach's, kündigte den "Job mit Dienstwagen" bei der FAZ, reiste nach Asien und schrieb dort sein neues Buch "Blackbox", das im Herbst erscheinen wird.

Lesungen macht Stuckrad-Barre dennoch gern. Sie sind für ihn "die Fortsetzung des Buchs mit anderen Mitteln". Nicht einfach vorlesen, sondern das Buch "inszenieren". Und damit ist es ihm abseits vom Mediengetümmel sehr ernst. "Man muss den Leuten unterschiedlich auf die Nerven fallen. Deshalb: Gesamtwerk aufstocken und auf drei Meter planen. Jedes Buch ist eine Zwischenstation und geschafft ist noch gar nichts."

(jm)