Betrieb & Gewerkschaft
Im Öffentlichen Dienst droht erstmals seit acht Jahren wieder ein Arbeitskampf, da die Gewerkschaften ÖTV und DAG die Tarifverhandlungen für gescheitert erklärt haben. Die Tarifkommissionen beider Gewerkschaften lehnten das Angebot der Arbeitgeber ab. Die ÖTV votierte mit 75 zu 50 Stimmen bei einer Enthaltung für ein Scheitern der Gespräche. Bei der DAG fiel die Abstimmung mit 18 zu 15 Stimmen knapper aus. Das bedeutete auch eine schwere Niederlage für die Gewerkschaftsführungen beider Gewerkschaften, da diese dem Schlichtungsspruch zugestimmt hatten. Wenn 75% der Mitglieder einen Streik befürworten, könnte dieser Pfingsten beginnen.
Die Arbeitgeber hatten wie die Schlichter rückwirkend zum 1.4. 1,8% mehr Lohn und Gehalt und ein Jahr später weitere 2,2% angeboten. Die Ostgehälter sollten bis 2002 in Stufen von derzeit 86,5% auf 90% des Westniveaus steigen. ÖTV-Chef Herbert Mai ist von einer Zustimmung der Basis für Arbeitskampfmaßnahmen überzeugt. Mai sagte, er gehe davon aus, dass mehr als die bei einer Urabstimmung notwendigen 75% der Abstimmungsberechtigten für einen Streik sein werden. Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) hatte letzte Woche an die Gewerkschaften appelliert, nicht zu streiken. In diese Zeit des wirtschaftlichen Aufschwungs passe kein Streik. "Das ist eine Bitte", sagte er.
Trotz der am Montag beginnenden Urabstimmung über einen Streik im öffentlichen Dienst lehnt Bundesinnenminister Otto Schily ein weiteres Angebot an die ÖTV nach wie vor ab. Schily sagte, er hoffe, "dass Einsicht und Vernunft siegen und es zu keinem Streik im Öffentlichen Dienst kommen wird". Das Angebot der Arbeitgeber werde das letzte bleiben. "Wir werden auch nicht unter dem Eindruck der Streikdrohung über den Schlichterspruch hinausgehen."
Die ÖTV will in ihren geplanten Arbeitskampf auch die Weltausstellung Expo in Hannover einbeziehen. "Ein Streik im Öffentlichen Dienst wird natürlich Auswirkungen auf die Expo haben", sagte der niedersächsische ÖTV-Bezirksvorsitzende Horst Fricke. "Wenn gestreikt wird, dann auf breiter Front. Für Hannover wird dabei keine Ausnahme gemacht." Die stellvertretende Geschäftsführerin der ÖTV-Kreisverwaltung Hannover, Monika Schrader-Pausewang, sagte, Hannover werde im Falle des Streiks ein Zentrum des Arbeitskampfes sein. Dies werde natürlich auch die Expo zu spüren bekommen. "Nach einem positiven Votum bei der Urabstimmung werden wir keine Spielstreiks machen. Dann geht es zur Sache", betonte Schrader-Pausewang.
(hg)