Internationales
In Südkorea spitzen sich die Tarifauseinandersetzungen zu. Nachdem die meisten Unternehmen wenig Neigung zeigten, auf die Forderungen der Gewerkschaften einzugehen, folgten am Mittwoch letzter Woche rund 70.000 Arbeiter verschiedener Branchen einem Streikaufruf. Der Gewerkschaftsdachverband KCTU fordert die Reduzierung der Wochenarbeitszeit auf 40 Stunden, die Einführung der Fünftagewoche, bessern Schutz für Zeitarbeiter sowie Lohnerhöhungen von 15,2%. In dem ostasiatischen Land beträgt die durchschnittliche Wochenarbeitszeit noch immer über 50 Stunden und ist während der letzten Jahre sogar wieder angestiegen. Die Jahresarbeitszeit ist in keinem anderen Land so hoch. Mit 2.390 lag sie 1998 mehr als 800 Stunden über dem deutschen Wert. Die Löhne waren während der zurückliegenden Krisenjahre deutlich zurückgegangen, da die Gewerkschaften in vielen Fällen Kürzungen bei Löhnen und Zulagen zugestimmt hatten, um Entlassungen zu verhindern. Die koreanische Gewerkschaftsbewegung ist in Betriebsgewerkschaften organisiert.
Bis zum 29.5. hatten 185 Mitgliedsgewerkschaften v.a. in der Metall verarbeitenden Industrie und einigen Krankenhäusern für Streik gestimmt. Die Automobilarbeiter, die dem Land mit ihren Aktionen gegen den geplanten Verkauf des Fahrzeugherstellers Daewoo Motors an ein ausländisches Unternehmen in Atem gehalten hatten, beteiligen sich allerdings nach Angaben koreanischer Zeitungen bisher nicht an dem Ausstand. Ebenso hält sich die Gewerkschaft der Seouler U-Bahn zurück, die in vergangenen Jahren bei Streiks in vorderster Front gestanden hatte. Die KCTU-Zentrale berichtet jedoch, dass auch die Arbeiter bei Hyundai Motors, dem größten Automobilproduzenten des Landes, in einer Urabstimmung für Streik votiert haben. In einem Versuch, dem Streik den Wind aus den Segeln zu nehmen, hatte Südkoreas Präsident Kim Dae-jung am Dienstag vergangener Woche auf einer Kabinettsitzung angekündigt, man werde sich Gedanken über eine gesetzliche Einführung der Fünftagewoche machen. Noch in diesem Jahr solle ein Gesetz eingebracht werden, wenn sich Gewerkschaften und Unternehmer zuvor geeinigt hätten. Der KCTU-Vorsitzende Dan Byung-ho forderte daraufhin von der Regierung einen verbindlichen Zeitplan. In Seoul demonstrierten zum Streikauftakt nach unterschiedlichen Informationen 20.000 bis 30.000 Menschen für die Forderungen der Gewerkschaften. Die KCTU-Führung hat den Ausstand nicht befristet. Am Samstag traten auch die Angestellten des staatlichen Rundfunks KBS in den Streik. Die 70.000 Mitglieder zählende Lehrergewerkschaft hat ebenfalls die Forderung nach 15,2% Lohnerhöhung übernommen. Ein Teil ihres Vorstandes befindet sich derzeit im Hungerstreik, um von der Regierung endlich die Zulassung ihrer Organisation zu erreichen, die seit vielen Jahren heiß umstritten ist und vom Reformpräsidenten Kim Dae-jung bereits bei seiner Wahl vor zwei Jahren versprochen worden war. Laut Agenturmeldungen haben sich inzwischen in einer ganze Reihe von Betrieben Gewerkschaften und Unternehmer auf Lohnerhöhungen geeinigt, so dass ein Teil der Streikenden bereits an die Arbeit zurückgekehrt ist. Für das kommende Wochenende plant die KCTU gemeinsam mit Studenten- und Bauernorganisationen eine Demonstration gegen die Freihandelsabkommen mit Japan und den USA, von denen negative Auswirkungen für Industrie und Landwirtschaft des Landes befürchtet werden. Die Kundgebung soll auch zur Unterstützung des Streiks genutzt werden. |
Bei der Luftfahrtgesellschaft Korean Airlines konnte die Regierung hingegen in letzter Minute einen Streik der Piloten abwenden, indem die wesentliche Forderung der Angestellten anerkannt wurde: Die Piloten bekommen das Recht, sich gewerkschaftlich zu organisieren, das ihnen zuvor wie vielen anderen Beschäftigten des Öffentlichen Dienstes und in "sicherheitsrelevanten" Branchen verwehrt worden war. In einer Urabstimmung hatten sich zuvor 98% der Gewerkschaftsmitglieder für Streik ausgesprochen, sollte ihre Organisation nicht anerkannt werden und die Regierung nicht zu Tarifverhandlungen bereit sein.
(wop)