Internationales

Nach Seattle:

Eine internationale Bewegung formiert sich

Ende des Monats kommen in Genf Sozialminister und andere Regierungsvertreter aus aller Welt zusammen. Fünf Jahre nach dem großen Sozialgipfel der Vereinten Nationen in Kopenhagen soll Bilanz gezogen werden. Zahlreiche soziale Bewegungen von allen Kontinenten wollen die Gelegenheit nutzen, um sich im Vorfeld vom 22. bis zum 25.6. - ebenfalls in Genf - zu einer eigenen Konferenz zu treffen, auf der gemeinsame Positionen und Kampagnen erarbeitet werden sollen. Wir sprachen mit Christophe Aguiton, einem der Organisatoren. Aguiton ist auch Koordinator des Euromarschnetzwerkes gegen Erwerbslosigkeit.

(wop)

LinX: Christophe, du bist einer der Sprecher des Vorbereitungskommitees für Genf2000. Wofür diese Konferenz?

Christophe Aguiton (C.A.): Die Idee der Konferenz wurde im letzten Februar in Bangkok geboren. Vor allem aus folgendem Grund: Die großen Demonstrationen in Seattle und das Scheitern der WTO-Verhandlungen bedeuten einen Wendepunkt im internationalen Kräfteverhältnis. Aber: wir hatten in Seattle keine Koordination der NGOs, Bewegungen und Gewerkschaften, keinen gemeinsamen Appell. Clinton, die Führungen der Weltbank und sogar des IWF hatten es daher einfach, auf die Heterogenität des Bündnisses zu verweisen. Im Gegensatz zu ihnen sehen wir jedoch durchaus eine gemeinsame Basis der verschiedenen Bewegungen.

LinX: Worin besteht die?

C.A.: In drei Hauptpunkten: Erstens im Kampf gegen die soziale Ungleichheit, die die neoliberale Globalisierung mit sich bringt. Zweitens in der Sorge um Umweltzerstörungen, vor allem die Verbreitung gentechnisch manipulierter Organismen und Nahrungsmittel. Und drittens in der Sorge um den Abbau von Demokratie durch die neoliberale Reorganisierung der Welt über Organisationen wie den IWF, die WTO oder die Weltbank. Besonders die G7 bestimmt mehr und mehr, was auf der Welt vorgeht, aber keine dieser Organisationen ist demokratisch, sondern repräsentiert die Interessen der großen Konzerne.

LinX: Du hast Bangkok angesprochen...

C.A.: In Bangkok war im Februar eine große UNCTAD-Konferenz. Aus diesem Anlass haben sich NGOs und Bewegungen aus dem Süden und einige aus dem Norden getroffen. Attac war dabei, ebenso die Kampagne zur Streichung der 3.-Welt-Schulden, Jubilee 2000. Wir haben dort über die Lage nach Seattle diskutiert, einen gemeinsamen Appell verabschiedet und uns auf Genf2000 geeinigt.

LinX: Um weiter zu diskutieren?

C.A.: Ja. Es sollen gemeinsame Kampagnen vorbereitet werden, u.a. zur Jahrestagung von IMF und Weltbank im September in Prag, aber auch über bestehende Widersprüche diskutiert werden, die es neben den Gemeinsamkeiten natürlich auch gibt. In den USA z.B. spielt der Widerstand gegen den WTO-Beitritt Chinas eine große Rolle. In Europa interessiert diese Frage hingegen kaum jemanden. In der Frage der Sozialklauseln, die die Gewerkschaften aus dem Norden in die WTO-Verträge aufgenommen haben wollen, gibt es eine große Kluft zwischen diesen Verbänden und NGOs aus dem Süden.

LinX: Wie wird das Konferenz-Programm aussehen?

C.A.: Am 22. gibt es ein Plenum, auf dem die Themen der Tagung vorgestellt werden. Danach wird es für jeden Kontinent Arbeitsgruppen geben, in denen spezifische Projekte vorbereitet werden. Für Asien ist z.B. der Alternativgipfel in Seoul während des Asien-Europa-Meetings (ASEM) der Regierungschefs im Oktober wichtig. Die Europäer werden sich über die Vorbereitung der Mobilisierung gegen den EU-Gipfel in Nizza im Dezember unterhalten.

Die wichtigsten Tage werden sicherlich Freitag und Samstag werden. Am Freitag (23.6.) gibt es viele Arbeitsgruppen, z.B. zu Frauenthemen, Bauernproblemen, zu Alternativem zum Neoliberalismus, zu den Sozialklauseln und zur Kampagne gegen IWF und Weltbank.

Am Samstag wird es denn ein weiteres Plenum geben, auf dem eine gemeinsame Erklärung verabschiedet werden soll. Ein Entwurf ist schon erarbeitet und rumgeschickt, und kann von unserer Webseite heruntergeladen werden (www.attac.org). Außerdem wird es im Plenum um einige wichtige Ereignisse, wie den G7-Gipfel auf Okinawa, die Prager Jahrestagung von IWF und Weltbank sowie den Süd-Nord Dialog von Jubilee2000 im Dezember in Dakar gehen.

Am Sonntag wird es dann eine breite gemeinsame Mobilisierung geben. Die Teilnehmer werden sich mit Schweizer Gruppen, den NGOs, die hauptsächlich zum UN-Gipfel kommen und auch mit Vertretern des Internationalen Bundes Freier Gewerkschaften treffen. Später, am Nachmittag, soll es eine gemeinsame Demonstration zum Hauptquartier der WTO geben.

LinX: Kann man sagen, dass auf der Konferenz eher soziale Bewegungen als NGOs zusammenkommen?

C.A.: Ja. NGOs werden nicht den Schwerpunkt bilden. Der liegt bei Arbeitslosen, Gewerkschaften, Frauenorganisationen usw. Und es wird ein breites Spektrum kommen. Z.B. Jubilee South, das ein Netzwerk sehr radikaler Gruppen und Bewegungen ist und auf der anderen Seite auch die Jubilee-Vertreter aus England, die sehr gemäßigt sind, aber eine wichtige Rolle beim Zustandekommen der internationalen Jubilee-Kampagne gespielt haben. Das Wichtigste ist, dass Bewegungen aus dem Norden und Süden zusammen kommen.