Internationales

Subventionen für Gentechnik

Die indische Feministin und Ökologin Vandana Shiva hat sich auch in Europa mit ihren Veröffentlichungen und ihrer Arbeit in Indien für den Schutz der Kleinbäuerinnen und -bauern und ihrer Lebensgrundlagen einen Namen gemacht. Jetzt hat die von ihr gegründete Stiftung Research Foundation for Science,Technology and Ecology entdeckt, dass die nordamerikanische Gentechnik-Industrie die Lage von Katastrophenopfer in Indien schamlos ausnutzt. LinX sprach mit ihr in Brüssel.

(wop)

LinX: Frau Shiva, Sie werfen der US-Regierung vor, dass deren Nothilfe für die Orkanopfer im indischen Bundesstaat Orissa gentechnisch verändertes Soja und Mais enthält. Können Sie uns Näheres darüber erzählen.

Vandana Shiva (V.S.): In Orissa hatten wir Ende Oktober diesen Super-Orkan, der schreckliche Verwüstungen angerichtet und unzählige Opfer gekostet hat. Auch die USA haben nach einer Weile Nahrungsmittelhilfe geschickt, die allerdings nicht unbedingt den Lebensmitteln entsprach, die Inder gewöhnlich essen, eben jene Mischung von Soja und Mais. Unsere Leute, die in der Katastrophenregion bei der Versorgung der Menschen arbeiten, haben von diesen Sendungen Proben genommen und sie an ein renommiertes US-Institut zur Untersuchung eingeschickt. Anfang Juni haben wir die Ergebnisse bekommen, die unseren Verdacht bestätigten: Die Nahrungsmittelhilfe besteht aus gentechnisch verändertem Soja und Mais. Interessanter Weise bestätigte der Sprecher für Agrarfragen der US-Botschaft in Delhi gegenüber einem indischen Fernsehsender diese Tatsache. Und zwar ohne Entschuldigung. Natürlich enthalte die Hilfslieferung gentechnisch veränderte Produkte, hat er dem Sender gesagt, das würde seine Regierung auch in anderen Regionen so machen.

Im Falle Orissa hat die US-Regierung 4,5 Mio. US$ ausgegeben. Das sind 4,5 Mio. US$ Subventionen für die Biotechnik-Industrie, für Produkte, die sie in Europa nicht absetzen können, weil die Verbraucher sie nicht haben wollen.

LinX: Was sagen die indischen Gesetze? War der Import legal?

V.S.: Sie haben das Zeug ohne jede Information geschickt. Weder die indische Regierung, noch die Leute, die es gegessen haben, haben irgend etwas gewusst. Die Lieferungen waren nicht besonders gekennzeichnet. Aber es gibt bisher auch keine Kennzeichnungspflicht. Wir waren als Gesellschaft nicht vorbereitet. Wir haben sehr strikte Gesetze, was den Anbau angeht, aber keine gegen Importe. Als ein Ergebnis dieses Vorfalls, werden wir uns für eine entsprechende Gesetzgebung stark machen.

LinX: Der Mais war als Nahrungsmittel verteilt worden nicht zur Aussaat?

V.S.: Als Nahrungsmittel. Mais und Soja zusammengemixt zu einem schrecklichen Brei. Die Sache ist die, dass die Menschen in einer Notsituation sind. Sie essen, was sie bekommen können. Die Leute haben von Wurzeln und Baumrinde gelebt.

Die US-Regierung nutzt diese schreckliche Lage der Katastrophenopfer aus, um einen Markt zu schaffen. Ein empörendes Verhalten. Absolut unmoralisch. Leute, die Opfer einer Naturkatastrophe wurden, werden zum zweiten Mal zu Opfern, indem man sie zu Versuchskaninchen in einem großen gentechnischen Experiment macht, an dem die Verbraucher in Europa sich geweigert haben, Teil zu nehmen.

Nach meiner Ansicht sollte man gegenüber Menschen in einer Notlage besonders rücksichtsvoll sein, und sie nicht noch ausnutzen.

LinX: Was werden sie jetzt unternehmen?

V.S.: Wir werden die Sachen natürlich weiter verfolgen und Anti-Gentechnik-Gruppen in den USA informieren, was mit ihren Steuergeldern passiert, dass damit die Gentechnik-Konzerne unterstützt werden. Wenn diese Politik fortgesetzt wird, wenn weiter die Gentechnik-Industrie ihre Produkte in der Katastrophenhilfe loswerden kann, dann werden früher oder später auch die Verbraucherbewegungen gegen Gentech-Nahrung unterminiert werden. Denn wenn erst einmal im Süden Märkte geschaffen sind, werden sie sagen: "Wenn ihr eine gentechnikfreie Welt fordert, versperrt ihr den Armen den Zugang zur Nahrung."

Außerdem geht es auch um das Überleben der Biotechnikindustrie, der es durch die Konsumenten-Boykotte zurzeit sehr schlecht geht. Durch die Nahrungsmittelhilfen könnte diese Durststrecke überbrückt werden, was den europäischen Verbrauchern in drei vier Jahren auf die Füße fallen wird. Denn dann werden die Konzerne mit gestärkten Kräften versuchen, all die Moratorien und Boykotte zu brechen. Die Verbraucher in Europa sollten also über die Politik der US-Regierung gegenüber Katastrophenopfern genauso besorgt sein, wie sie sich um das sorgen, was auf ihren Tisch kommt.

Das andere ist, dass wir die Indische Regierung noch stärker drängen werden, eine Kennzeichnungspflicht einzuführen.