Ökologie

Gen-Technik:

Umweltschützer in Osteuropa schlagen Alarm

Im US-Senat befindet sich derzeit ein Haushaltsgesetz in dritter Lesung, das 30 Mio. US$ für die Unterstützung landwirtschaftlich angewandter Biotechnologie in den Ostblockstaaten zur Verfügung stellen soll. Die Summe versteckt sich in Titeln wie "Entwicklungshilfe" und "Internationale Ausbildungshilfe". Unter anderem sollen osteuropäische Experten in Kursen in den USA mit dem dortigen Forschungsstand und den gesetzlichen Rahmenbedingungen vertraut gemacht werden.

Rund 40 Organisationen aus fast allen europäischen Nachfolgestaaten der Sowjetunion und anderen Ost- und Südosteuropäischen Ländern haben sich in einem eindringlichen Appell an das US-Parlament gewandt. "Wir haben Grund zu der Annahme, dass der Wunsch, die Öffentlichkeit in unseren Ländern empfänglicher für in den USA zugelassene gentechnisch veränderte Produkte zu machen, ausschließlich von den finanziellen Interessen der Biotechnik-Industrie diktiert ist", schreiben sie. "Dieser Ansatz nutzt das Fehlen gesetzgeberischer und institutioneller Kapazität unserer staatlichen Verwaltungen, die Abwesenheit öffentlichen Bewußtseins sowie die Schwäche der demokratischen Strukturen in unserer Region aus."

Schon jetzt ist der Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen in Osteuropa auf dem Vormarsch, berichtet Iza Kruszewska von der in Amsterdam ansässigen Allianz für Nachhaltigkeit (ANPED). In Russland würde die Hoechst-Tochter Agrevo bereits gen-manipulierte Zuckerrüben kommerziell anbauen. Auch der US-amerikanische Konzern Monsanto sei mit seinem Gen-Soja bereits am Markt aktiv. Darüber hinaus gäbe es zahlreiche Versuchsfelder mit bt-Kartoffeln, einer genetisch manipulierten Sorte, die gegen den Kartoffelkäfer resistent gemacht wurde. In der ehemaligen Sowjetunion gebe es ein existierendes Netzwerk biotechnischer Institute, deren zum Teil extreme Finanzsorgen sich das westeuropäische und US-amerikanische Agrobusiness zu Nutze mache, indem sie die Forscher für sich arbeiten ließe.

Dabei gebe es in den meisten Ländern noch kein gesetzliches Regelwerk für Anbau und Vermarktung gentechnisch veränderter Pflanzen, obwohl die Produkte nicht nur angebaut werden sondern auch längst auf dem Markt gelandet sind. Selbst in den Staaten, in denen es Gesetze gäbe, so Kruszewska, seien diese schwach oder würden nicht angewendet und mit wenigen Ausnahmen gebe es keine Verpflichtung über die öffentliche Ankündigung von Freilandversuchen. "In der Ukraine fehlt es den Behörden an personeller Kapazität, gentechnisch veränderte Organismen zu kontrollieren. Keine Behörde kann uns garantieren, dass die bt-Kartoffeln nicht schon längst außer Kontrolle geraten sind", meint Tanja Topchiy von Green Dossier aus Kiew. "Auf der anderen Seite helfen ausgerechnet US-Organisationen wie USAID und das Citizen Network Agribusiness Alliance, zu deren Mitgliedern Monsanto gehört, unserer Regierung bei der Ausarbeitung entsprechender Gesetze."

Das Fehlen von Gesetzen und Überwachungsbehörden könnte schon bald dazu führen, dass sich die künstlichen Gene rasch ausbreiten. Erfahrungen nicht zuletzt mit Freilandversuchen in Westeuropa haben gezeigt, dass sie praktisch unkontrollierbar sind. Einmal in die Natur ausgesetzt sind sie in der Lage, selbst Gattungsgrenzen zu überspringen. Die Landwirte in den betreffenden Ländern bekommen bereits die Folgen zu spüren: Nahrungsmittelkonzerne verlangen für den EU-Markt den Nachweis, dass die aufgekauften Produkte frei von manipulierten Genen sind. In Bulgarien, berichtet Kruszewska, wo der Anbau gentechnisch manipulierten Getreides offiziell noch in der Versuchsphase faktisch aber schon weit verbreitet ist, bekommen die Produzenten erhebliche Probleme: "Die Abnehmer beginnen nach Zertifikaten zu fragen. Da es aber weder eine Auszeichnungspflicht, noch vernünftige Trennung gibt, gerät Bulgariens Export in Gefahr." Die Übernahme der US-Gentechnikgesetze, die durch das oben erwähnte Programm gefördert werden soll, könnte zudem für die EU-Beitrittskandidaten ein erhebliches Problem darstellen, da sie dem in der Gemeinschaft verbindlichen Vorsorgeprinzip widersprechen.

(wop)