Herr, send' Hirn!

Was man der EXPO so richtig gönnt sind die Pressefotos von großer Leere auf dem Centercourt. Stell dir vor, es ist EXPO, und keiner geht hin. Niemand will hin, jedenfalls nicht so viele, wie sich die Adepten von allseligmachender Gentechnik und nachhaltigem Kolonialismus gewünscht hatten. Deswegen muss das Fernsehen ran, um die Werbetrommel zu rühren, namentlich der NDR Hannover mit seinem EXPO-Magazin. Eine reine Promo-Show, journalistisch auf dem niedrigsten Nutten-Niveau (wobei Nutten professioneller und ehrlicher sind, es also für sie eine Beleidigung ist, damit verglichen zu werden). Frage an den Manager des venezuelischen Pavillons, was darin das Beste sei. Der Manager antwortet brav, hier sei "alles das Beste, vom Dach bis zum Fundament". Einigermaßen ratloser Kommentar der Fragerin: "Ja, toll. Dann nehmen Sie, liebe Zuschauer, das als Einladung. Ein Besuch lohnt sich sowieso immer." Dauerwerbesendung.

Noch unverfrorener wirbt nur die BILD-Zeitung vom 7.7.: "Ja! Ja! Ja! WM 2006 bei uns. Franz, wir setzen dir ein Denkmal." Schwarz-rot-gelber Jubelrand. Die taz titelt da ironischer: "Deutschland wird Kaiserreich." Um den Nationalchauvinismus ein bisschen zu schönen, dann auf BILD-Seite 10 "Willkommen!" in mehreren Sprachen (erinnert irgendwie an entsprechende Fotos von der Olympiade 1936). "Fußballfans aus aller Welt, wir freuen uns auf euch!" Riesenbild von einer debil lächelnden so genannten Mexikanerin, die ihre so genannten Titten in die Kamera hält. BILD-Unterschrift: "Hossa, Mexiko! Diese Senorita ist ein großer Fan aufregender BALL-SPIELE." Ob auch die Südafrikaner bei eben diesen "welcome" sind, schließlich sind sie ja schwarz und nicht rot-gold? Und all das wegen Franz, dem Golfspieler, der "geschickt taktierte", man könnte auch weniger schönfärberisch sagen: der geschickt schmierte. Ach, Franz, du immer rein gehender Elfmeter, du bist unser Goldener Schuss!

Goldener Schwell hingegen kam aus den Schrauben bei der ersten und hoffentlich einzigen Powerboot-Weltmeisterschaft auf der Kieler Förde. Gegen einen solchen schönen Kieler-Woche-Nachklapp setzten sich allerdings gleich wieder diese Ökos in Marsch. Dabei stand doch in den KN glaubhaft versichert, dass ein Powerboot "nicht mehr Schwell verursacht als ein normales Motorboot". Also Ökos, schreibt euch mal hinter eure grünen Ohren: Das mit den Kraftbooten ist wie mit den Kernkraftwerken. Die sind sicher, weil die, die daran verdienen, das sagen (und schreiben). Das sind schließlich Fachleute! Und denkt daran, was unser aller OB und eben nicht Warmduscher, sondern Power-Kaltbader in Düsternbrook sagt: "Bedenkenträger machen diese Stadt provinziell."

Das ist alles schon ganz schön traurig, nicht jedoch so traurig, dass sich nicht noch etwas Traurigeres entdecken ließe. Etwa folgende Anzeige unter "Heiraten und Bekanntschaften" in den KN: "Impotenter Diabetiker, 68 Jahre, leider etwas zu klein für mein Gewicht, Nichtraucher, Nichttänzer, sucht Partnerin für einen gemeinsamen Lebensabend. Gerne auch behindert." Jenem Menschen wünscht der Hirnsender an dieser Stelle ohne jede Ironie alles erdenklich Gute - und dass er jene Sie finden möge, die sich von so viel Ehrlichkeit über die eigene Unverkäuflichkeit in der Heiratsmarktwirtschaft mehr beeindrucken als von den vermeintlichen Defekten verschrecken lässt.

(jm)