Internationales

Philippinen:

Bürgerkrieg eskaliert

Auf den Philippinen droht eine Eskalation des Konflikts zwischen den für die Unabhängigkeit kämpfenden Moslems auf der Insel Mindanao und der Zentralregierung in Manila. Nachdem Regierungstruppen im Laufe der vergangenen Woche Abubakar, das Hauptquartier der Moro-islamischen Befreiungsfront MILF eingenommen haben, kündigten Vertreter der Organisation einen heiligen Krieg (Jihad) an. Sie betonten dabei allerdings, dass dieser sich nicht gegen Christen oder Zivilisten richte, sondern ausschließlich auf Armee-Einrichtungen ziele. Durch die Einnahme des wichtigsten MILF-Stützpunktes, eines Areals von 100 Quadratkilometern auf der südlichsten Hauptinsel des Archipels, droht der seit Jahren schwelende Konflikt in einen reinen Guerillakrieg umzuschlagen, mit den entsprechenden Auswirkungen für die Zivilbevölkerung.

Unterdessen ist Bewegung in die Verhandlungen mit den Geiselnehmern der Abu-Sayyaf-Gruppe gekommen, die insgesamt 39 Geiseln, darunter auch einige europäische Touristen und Journalisten in ihrer Gewalt haben. Die Gruppe, die von der MILF als terroristisch verurteilt wird und nicht nur von dieser für ein Geheimdienstprodukt gehalten wird, hat alle politischen Forderungen fallen gelassen und fordert nunmehr ein Lösegeld von einer Million US$ pro Geisel. Die Regierung gab am Donnerstag bekannt, dass die vor über einem Monat offiziell abgebrochenen Verhandlungen wieder aufgenommen würden. Auffällig ist, dass die Ankündigungen zeitgleich mit der Einnahme von Abubakar erfolgen. Während der Außenminister - ebenfalls letzte Woche - zu Gesprächen wegen der Geiselkrise nach Manila reiste und die philippinische Regierung eindringlich zum Gewaltverzicht gegenüber den Entführern mahnte, war ihm Manilas Eskalationspolitik im Bürgerkrieg auf Mindanao kein einziges Wort wert.

Dort hatte Präsident Joseph Estrada bereits am Montag in Siegerlaune vor Kameras posiert. Für die Presse ließ er die philippinische Fahne hissen und spendierte seinen Soldaten eine Wagenladung Bier und Spanferkel, ganz so, als wolle er noch einmal seine besondere Geringschätzung für die religiösen Gefühle der seit 500 Jahren für ihre Unabhängigkeit kämpfenden Moslems zum Ausdruck bringen.

Das heute ca. 14 Millionen Einwohner zählende Mindanao war im Gegensatz zum Norden der Philippinen bei Ankunft der spanischen Kolonialherren bereits islamisiert. Den Spaniern gelang es lediglich die muslimischen Festungen auf den nördlicheren Inseln einzunehmen und sich auf Mindanao in einigen Küstenstädten festzusetzen. Erst unter den US-amerikanischen Kolonialherren, die die Spanier 1898 ablösten, gelang es, Mindanao unter Kontrolle zu bringen. Seitdem herrschen dort für die großen Plantagen-Multis wie Dole und für internationale Bergwerkskonzerne paradiesische Zustände. Die muslimische Bevölkerung wurde hingegen durch Binnenkolonisation und Umsiedlungsprogramme zur Minderheit gemacht.

Die MILF war 1996 erstarkt, nachdem die Regierung in Manila mit ihrer Konkurrenzorganisation MNLF (Moro National Liberation Front) ein Friedensabkommen unterschrieben hatte. Zahlreiche MNLF-Kämpfer liefen zur MILF über, die das Abkommen als nicht ausreichend ablehnte. Die MNLF legte hingegen nach über 20 Jahren Krieg die Waffen nieder und bekam dafür eine autonome Provinz zugesprochen, in der rund zwei Millionen Menschen leben. Die MILF hat derzeit nach verschiedenen Quellen 11.000-16.000 Kämpfer unter Waffen.

Die jüngste Eskalation ist der vorläufige Höhepunkt einer militärischen Kampagne Manilas, die im Frühjahr begann und u.a. 300.000 Zivilisten zu Flüchtlingen im eigenen Land machte. Estrada ließ dabei auch alle Warnungen der Organisation der islamischen Staaten und der katholischen philippinischen Bischofskonferenz unbeachtet, die unabhängig voneinander einen Waffenstillstand und ernsthafte Verhandlungen verlangten. Auf der nördlichen Hauptinsel Luzon haben inzwischen muslimische Migranten begonnen, zusammen mit christlichen Organisationen eine Volksbewegung aufzubauen, die den Präsidenten zwingen soll, eine friedliche Lösung zu suchen.

Indes befürchten soziale Bewegungen eine Eskalation der Gewalt. Die MILF hat angekündigt, dass sie militärische Ziele sowie Infrastruktureinrichtungen auf ganz Mindanao unter Feuer nehmen wird. Einige ihrer Führer sprechen auch davon, dass Anschläge in Manila möglich seien, was zweifelsohne verstärkte Repression gegen die Zivilbevölkerung nach sich ziehen wird. Die der KP nahestehende Volksfrontorganisation BAYAN weist bereits daraufhin, dass die Regierung die Offensive nutzt, um Kader von Gewerkschaften und anderen Organisationen auf Mindanao zu verfolgen. Ihnen wird vorgeworfen, mit der von der Kommunistischen Partei kontrollierten Neuen Volksarmee zusammenzuarbeiten, die gute Beziehungen zur MILF unterhält. BAYAN befürchtet außerdem, dass die Armee wieder verstärkt ethnische und religiöse Konflikte anheizt und für ihre Grausamkeit berüchtigte Bürgerwehren reaktiviert. Der Bischof von Cotabato, einer überwiegend muslimischen Stadt auf Mindanao warnt davor, dass tief sitzende Animositäten zwischen christlichen und muslimischen Zivilisten wieder aufbrechen könnten. Philippinische Zeitungen berichten außerdem von verschiedenen Fällen, in denen Soldaten in der jüngsten Offensive Dörfer geplündert haben.

Die MILF zeigt sich indes weiter zu Friedensverhandlungen bereit, sofern keine Vorbedingungen gestellt würden. Ausdrücklich wies der MILF-Militärchef Al Haj Murad darauf hin, dass man niemals formal die Unabhängigkeit gefordert habe. Man werde sich mit jedem Verhandlungsergebnis zufrieden geben, dass für die Moslems akzeptabel sei. Absurd sei es allerdings, von der MILF die Niederlegung der Waffen zu fordern.

(wop)