Aus dem Kieler Rat

Sozialhilfeempfänger werden weiter vorgeführt

In Kiel ist es offenbar seit einiger Zeit gängige Praxis, dass das Sozialamt für einmalige Beihilfen, wie etwa die Anschaffung eines Kühlschranks, kein Geld auszahlt, sondern generell den Berechtigten Gutscheine ausstellt. Diese müssen dann in den Geschäften vorgelegt werden. Die Grünen hatten in der Ratsversammlung vom 13.7. daher beantragt, dieses als diskriminierend bezeichnete Verfahren einzustellen und wieder Barbeihilfen zu zahlen. Nur in begründeten Ausnahmefällen sollte daran festgehalten werden. Der Antrag wurde in den Sozialausschuss verwiesen, d.h. auf die lange Bank geschoben. Der Ausschuss trifft sich nämlich erst am 28.9. wieder, so dass der Antrag frühestens im Oktober erneut auf die Tagesordnung des Rates kann.

Der Landesbeauftragte für den Datenschutz, Helmut Bäumler, hatte bereits im April in seinem Jahresbericht auf die zweifelhafte Rechtsgrundlage des Vorgehens nicht nur des Kieler Sozialamtes hingewiesen. "Hilfeempfänger schilderten uns wiederholt ihre Erlebnisse, wie sie mit den Bestellscheinen von Geschäft zu Geschäft wanderten, sich als Sozialhilfeempfänger zu erkennen geben mussten, Preise erfragten und von Verkäufern oder 'zuhörenden' Käufern mitleidig bestaunt wurden", heißt es unter der Überschrift "Diskriminierende Bestellscheine" in der Bestandsaufnahme des Landesbeauftragten.

Ausdrücklich werden die Behörden darauf hingewiesen, dass sie bei der Entscheidung Barbeihilfe oder Bestellschein nicht ohne weiteres freie Hand haben: "Die Gewährung von einmaligen Beihilfen in der Form von Bestellscheinen zwingt den Hilfeempfänger zur Offenbarung von besonders geschützten Sozialdaten, und zwar von Namen, Anschrift und sozialem Status gegenüber dem Geschäft. (...) Der Sache nach liegt eine Übermittlung von Sozialdaten durch das Sozialamt vor, die nur im Rahmen des Erforderlichen zulässig ist." (Hervorhebung im Original)

Sozialdezernentin Annegret Bommelmann, einst auf Vorschlag der Grünen gewählt, sieht den "Rahmen des Erforderlichen" offenbar schon in der Verringerung des Verwaltungsaufwandes. So müsse ihr Amt nicht mehr hinter den Quittungen hinterher sein. Ansonsten offenbarte sie in der Ratssitzung wie schon gegenüber den KN einen beachtlichen Mangel an Sensibilität: Städtische Beamte würden ja schließlich auch mit Bezugscheinen losgeschickt. Sie könne darin keine Diskriminierung entdecken. Nach Angaben der Kieler Grünen hat sich sowohl der Sozialausschuss des Landtags als auch das Landessozialministerium bereits gegen diese Praxis ausgesprochen.

(wop)