Internationales

G8-Gipfel:

Offensive für Gentechnik

"Die Fortschritte in der Biowissenschaft verbessern kontinuierlich unsere Lebensqualität." Man muss es vielleicht nur oft und laut genug sagen, damit es jeder glaubt. Die Spitzen der G8-Staaten haben sich Ende Juli auf Okinawa alle Mühe gegeben und einen nicht unwesentlichen Teil ihrer gemeinsamen Erklärungen dem Thema gewidmet. Denn, ob die Aussage, die sie dem entsprechenden Abschnitt voran stellten, nun stimmt oder nicht, auf jeden Fall lässt sich auf diesem Gebiet viel Geld machen. Deshalb sollen der internationale Handel mit gentechnisch veränderten Produkten möglichst reibungsfrei organisiert und das internationale Patentrecht entsprechend harmonisiert werden.

Der in vielen Staaten verbreiteten Skepsis gegenüber der neuen Technologie wurde mit einigen Lippenbekenntnissen Rechnung getragen: Der Gesundheitsschutz soll verbessert werden heißt es im G8-Kommunikee. US-Präsident Bill Clinton ließ die Agenturen gar wissen, er würde es nie zulassen, dass die Amerikaner "unsichere Nahrung" essen müssen. Die Entscheidungen über manipulierte Nahrungsmittel müssten sich allerdings auf klare Forschungsergebnisse stützen. Ähnliche Formulierungen finden sich auch im G8-Statement. Man verpflichtet sich dort, dass die Regeln des Handels mit gentechnisch veränderten Nahrungsmitteln "auf wissenschaftlicher Grundlage basieren" sollen. Zu einem klaren Bekenntnis zum Vorsorgeprinzip konnte man sich jedoch nicht durchringen. An einer Stelle heißt es lediglich, man unterstütze Bemühungen, einen "größeren globalen Konsens (herbeizuführen), welche Vorsichtsmaßnahmen man im Bezug auf die Nahrungsmittelsicherheit walten lassen sollte".

Was wie Wortklauberei aussieht ist tatsächlich eine der wesentlichen Fronten in der Auseinandersetzung um die Gentechnologie. Während interessierte Industrievertreter und die von ihnen beeinflussten Regierungen darauf beharren, die Gefährlichkeit der Genprodukte müsste zunächst einwandfrei nachgewiesen werden, bevor diese verboten bzw. die Einfuhr in ein anderes Land unterbunden werden kann, bestehen Gentechnik-Kritiker auf dem Vorsorgeprinzip. D.h. sie verweisen darauf, dass die Gefahren der Gentechnik enorm sein könnten und der Schaden irreversibel ist, da die manipulierten Gene sich unweigerlich und unkontrolliert in der Biosphäre ausbreiten werden. Es müsse also erst die Unbedenklichkeit nachgewiesen werden.

Doch während Milliarden in die Kartierung des menschlichen Genoms und in die Entwicklung neuer maßgeschneiderter Gene gesteckt werden, gibt es bisher keine nennenswerte Folgenabschätzung. Der Grund: Man müsste in aufwendigen und langwierigen Verfahren komplexe Wechselwirkungen untersuchen. Das käme jedoch einem kostspieligen wissenschaftlichen Mammutprojekt gleich, das keinerlei Profit verspräche.

Allem Bekenntnis zu Nahrungsmittelsicherheit und Gesundheitsschutz zum Trotz sucht man denn auch in den Erklärungen der G8-Chefs vergeblich nach einem Plan, ein solches Unternehmen anzugehen. Statt dessen wird die "beschleunigte Entwicklung der Biotechnologie" als gegeben akzeptiert und versprochen, die entsprechenden Rahmenbedingungen zu schaffen.

Dazu gehört auch die Harmonisierung des internationalen Patentrechts, damit die Traumprofite, die sich die Biotechnologie- und Saatgutindustrie erhofft, auch realisiert werden können. Während es zumindest in der EU nach wie vor höchst umstritten ist, ob Lebensformen, d.h. gentechnisch veränderte Organismen oder einzelne ihrer Teile, überhaupt patentierbar sind, bekennen sich die Chefs der größten Industriestaaten eindeutig zum Patentschutz für Erfindungen der Biotech-Branche.

In Europa vergibt das Europäische Patentamt in München schon seit längerem ohne legale Grundlage Patentrechte auf Organismen, die auch deren natürliche Nachfahren einbeziehen. Patentrechtlich geschützt wurde auch bereits ein Verfahren zur Klonierung menschlicher Zellkerne. 1998 hat das EU-Parlament, von Industrie-Lobbyisten und EU-Kommission hartnäckig bearbeitet, die Richtlinie "Rechtlicher Schutz biotechnologischer Erfindungen" beschlossen, die erstmalig eine Rechtsgrundlage herstellen würde. Die Regierungen der Niederlande und Italiens haben allerdings vor dem Europäischen Gerichtshof Widerspruch gegen diese Richtlinie eingelegt, der noch anhängig ist.

Unterdessen bekommt die Nahrungsmittelindustrie in Europa und zunehmend auch in den USA den Unwillen vieler Verbraucher gegen Gentechnik zu spüren. Während sich in Nordamerika das erwachende Bewusstsein v.a. in der stark wachsenden Nachfrage nach Produkten aus biologischem Anbau äußert, musste diesseits des Antlantiks schon mancher große Konzern Rückzieher machen. Verbraucherverbände, Umweltschützer und besonders in Frankreich auch Bauernorganisationen organisieren seit Jahren den Widerstand gegen gentechnische Freilandversuche und manipulierte Nahrungsmittel. Greenpeace Deutschland demonstriert z.B. derzeit vor McDonalds-Läden in der ganzen Republik gegen die Verwendung von Gen-Soja als Futtermittel für Hühner, aus denen die Imbisskette ihre Chicken-Nuggets macht. Rund 170.000 Verbraucher haben sich bei Greenpeace in einen Verteiler eingetragen, über den regelmäßig Neuigkeiten aus dem Bereich Gentechnik verbreitet und Protestbriefaktionen organisiert werden. Letztes Jahr konnten auf die Art die sieben größten deutschen Handelsketten zu einer Selbstverpflichtung gebracht werden, in ihren Eigenmarken auf Gentechnik-Zutaten zu verzichten.

(wop)

Wer in den Greenpeace-Verteiler aufgenommen werden möchte schreibt an: Greenpeace-Einkaufsnetz, Postfach, 22745 Hamburg, Fax: 040-30631111, Email: mail@greenpeace.de. Man kann sich auch auf der Greenpeace-Homepage in die Liste eintragen: www.greenpeace.de


Proteste auf Okinawa

Weitab auf einer Insel im Pazifik hatten sich die Großen der Welt diesmal zu ihrem Spitzentreffen versammelt. Es half alles nichts: 25.000 Menschen demonstrierten auf Okinawa anlässlich des G8-Gipfels gegen die US-Militärstützpunkte auf ihrer Insel. Die Proteste wurden u.a. von den örtlichen Gewerkschaften organisiert.

Auch in Tokyo gab es Proteste linker Gruppen gegen den G8-Gipfel. Auf den Plakaten steht: "Militärbasen auflösen", "Zerschlagt den Okinawa-Gipfel", "Die Vorbereitung der Raketenabwehr Programme TMD und NMD stoppen" und "US-japanisches Sicherheitsabkommen auflösen".

Die internationale Kampagne für das Streichen der Schulden der Dritten Welt, Jubilee 2000 (in Deuitschland bekannter unter dem Namen Erlassjahrkampagne), hatte auf allen fünf Kontinenten Aktionen während des G8-Gipfels organisiert. Auf Okinawa fand während des Gipfels eine Konferenz des Netzwerkes statt. Die Teilnehmer beteiligten sich an der Menschenkette um einen US-Militärstützpunkt. Die Ergebnisse des G8-Gipfels wurden von Jubilee-2000-Sprechern als vollkommen unzureichend bezeichnet. Mehr dazu in der nächsten LinX.