Antifaschismus

Nazi-Anschlag auf Zapata-Buchladen

In der Nacht vom 20. auf den 21.7. wurde der Zapata-Buchladen auf dem Kieler Westufer Ziel eines Nazi-Anschlages. Zwei Scheiben gingen zu Bruch, große Teile der Auslage wurden beschädigt. Am Abend des 21.7. bekam der Ortsbeiratsvorsitzende am Schrevenpark (SPD) einen Anruf, in welchem von einem "schönen Anschlag" gesprochen wurde. Die Wochen zuvor waren wiederholt Männer aus der "Kameradschaft Kiel" und deren Umfeld vor dem Buchladen gesehen worden, die in den Seitenstraßen des Zapata auf und ab gingen oder ihren Kampfhund vor dem Laden etwa ein Stunde lang Gassi führten.

Zapata war vor etwa drei Jahren das letzte Mal direktes Ziel von Nazi-Aktivitäten gewesen. Damals waren die Schaufensterscheiben mit Plakaten der Jungen Nationaldemokraten beklebt worden, wobei der Kleister mit Scherben eingerührt worden war. 1998 und 1999 gab es jedoch eine ganze Reihe von Nazi-Anschlägen auf linke oder vermeintlich linke Einrichtungen und Betriebe. So waren 1998 der PDS einmal, der ehemaligen Piratenkneipe "Sub Rosa" in Gaarden gleich zweimal die Schaufensterscheiben eingeworfen worden. 1999 gab es Anschläge mit brauner Farbe auf die Schweffelstraße 6, den Buchladen "Trau Dich", den "Asia Laden Kiel" am Rathaus, das Café "ExLex" und die Musikwerkstatt Musico e.V. Ebenfalls 1999 fand mindestens ein Überfall auf die Hansastraße 48 statt.

Der Verfassungsschutzbericht dieses Jahres rief angesichts dieser Entwicklungen dazu auf, nicht mehr gegen Rechts aufzutreten, da dieses die Nazis angeblich nur bestärken würde. Stattdessen wurde der Zapata-Buchladen in diesem Bericht als linksextrem eingestuft.

Am 6.6. machte dessen ungeachtet der Kreisverband der GEW in Neumünster eine öffentliche Veranstaltung zur aktuellen Situation rechter Gewalt. Unerwartet gab es jedoch unangemeldeten Besuch von mehreren Nazis, welche alle auf dieser Veranstaltung Anwesenden mit einer Videokamera abfilmten. Etwas über eine Woche später gab es ebenfalls in Neumünster einen Nazi-Überfall auf einen Antifaschisten, bei dem diesem eine Tüte gestohlen worden war, in der sich ein Zettel mit dem Zapata als Kontaktadresse befand. In diesem Kontext und angesichts der Tatsache, dass die "Kameradschaft Kiel" über gute Kontakte sowohl zum Nazi-Treff "Club 88" in Neumünster als auch zu den Kreisen um Christian Worch in Hamburg verfügt, der für Kiel eine Offensive verlangt haben soll, ist der Täterkreis sehr gut eingrenzbar.

Die Polizei reagierte zunächst mit gelassenem Desinteresse, so wurden z.B. mögliche Beweismittel wie die drei Steine, die im bzw. am Buchladen gefunden worden waren, trotz zweifachen Hinweises der Buchhändler einfach liegengelassen. Eine Arbeitshaltung, die bei einem Anschlag mit linkem Hintergrund wohl ausgeschlossen werden kann. Erst auf Anfragen der Presse und des Ortsbeirates wurde die Polizei aktiver, indem sie ihre sichtbare Präsenz im Bezirk um den Schrevenpark erhöhte, was angeblich der Beruhigung der Anwohnenden dienen soll. Ein Ergebnis, das durchaus als Erfolg der Nazi-Strategie gewertet werden kann.

Inwieweit dieser Anschlag Teil einer so genannten Offensive der terroristischen Nazi-Szene auch in Kiel war, wie sie für den Süden Schleswig-Holsteins bis etwa Neumünster schon längst Realität ist, wird sich zeigen. Linke Initiativen oder Betriebe sollten jedoch gewisse Maßnahmen zum Selbstschutz oder auch nur zur möglichen Schadenseindämmung ins Auge fassen. Die Fixierung weiter Teile der antifaschistischen Szene auf den Ruf nach staatlichen Sanktionen gegen diverse Nazi-Gruppen hatte nach kleinsten Teilerfolgen auch die Gründung eben dieser "Freien Kameradschaften" zum Ergebnis. Eine Strategie dagegen, die von solch einer Fixierung frei ist, existiert nicht mehr und konnte bisher nicht neu entwickelt werden. Sollte eine solche Diskussion durch diesen Anschlag provoziert werden, so hätte er auch seine ausgesprochen positive Seite.

(jhh)