Antifaschismus

"Runder Tisch" soll anecken

Vertrauensleute der IG Metall initiieren Bündnis gegen Rechts in Kiel

Mit einer Veranstaltung unter dem Motto "Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen - Stoppt die Nazis!" gab der Vertrauensleuteausschuss der Kieler IG Metall am 6.9. das Signal für die Schaffung eines breit angelegten Bündnisses gegen Rechts in unserer Stadt. Das erste für alle Interessierten offene Treffen des "Runden Tisches" findet am 19.9. um 18 Uhr im Otto-Brenner-Zimmer im 3. Stock des Gewerkschaftshauses (Legienstr. 22) statt.

Eigentlich sollte am 6.9. eine interne Informationsveranstaltung für IGM-Funktionäre stattfinden. Als Reaktion auf die Steigerung der Nazi-Umtriebe und die erweiterte öffentliche Aufmerksamkeit wurde das Programm dann erheblich ausgeweitet: Elf Personen aus Gewerkschaften, antifaschistischen Bündnissen, der Justiz und der kommunalen und Landes-Politik wurden eingeladen, als PodiumsteilnehmerInnen Informationen zum Thema zu geben und dem Publikum auf der Veranstaltung, zu der nun öffentlich eingeladen wurde, für Fragen zur Verfügung zu stehen.

Ein mit elf Personen besetztes Podium bei einer Veranstaltungsdauer von maximal zweieinhalb Stunden - das ist an sich schon problematisch und schließt jedenfalls aus, dass sich alle PodiumsteilnehmerInnen eingehend zu den anstehenden Fragen äußern. Diesem Problem sollte begegnet werden durch die Vorgabe, dass es an diesem Abend nicht um "tiefgreifende Analysen" des Rechtsextremismus gehen solle, sondern um das Vorstellen konkreter Handlungsvorschläge gegen Nazi-Umtriebe; zudem sollten keine vorbereiteten Statements vorgetragen werden, die Eingeladenen sollten vielmehr auf Fragen der Moderatorin Annette Wiese-Krukowska (Pressestelle des Landtags) möglichst kurze Antworten geben.

So weit, so gut. Dass das Ergebnis der Podiumsbefragung dennoch unbefriedigend war, ist der unklugen Moderation geschuldet. Denn nur den PolitikerInnen Irene Fröhlich (Grüne), Dr. Ekkehard Klug (FDP), Jürgen Weber (SPD) und Dr. Arne Wulff (CDU) wurde die Gelegenheit gegeben, sich dann doch über vermeintliche Ursachen und Bekämpfungsstrategien auszulassen. Die Teilnehmer aus dem "Gewerkschafts- und Bündnisbereich" Jonny Griese (Neumünster), Cord Johannsen (Kiel), Dietrich Lohse (Kiel) und Heiner Wadle (Neumünster) konnten sich nur zu konkreten Widerstandsaktionen äußern. (Vielleicht wäre es doch besser gewesen, sich nicht so diszipliniert an den Fragen der Moderatorin zu orientieren.) Dabei ist das Wissens- und Erfahrungspotential und das Interesse an tatsächlich grundlegender Bekämpfung des Faschismus bei diesem Personenkreis ungleich höher.

Juristische Aspekte des Problems beleuchteten die Rechtsanwälte Attila Aykac und Axel Hoffmann sowie Horst Eger vom Landesinnenministerium. Dabei wurden Einblicke in die Kieler Nazi-Szene vermittelt und der Nutzen eines NPD-Verbots dargestellt. Schwach blieb der Auftritt von Herrn Eger, der die gesteigerte (verbale) Aktivität der Landesregierung als angemessene Reaktion auf eine Steigerung der Nazi-Umtriebe bezeichnete (und keineswegs als Reaktion auf öffentlichen Druck) und kein Wort fand für etwaige Versäumnisse oder Fehler der Landesregierung.

Erfreulich war die recht lebhafte Beteiligung von BesucherInnen an der anschließenden Diskussion. Deutlich wurde etwa die Sparpolitik der Landesregierung angeprangert, die u.a. Jugend- und Bildungsarbeit schädigt. Deutlich wurde auch Arne Wulff wiedersprochen, der das bayrische Modell der "Extremismusbekämpfung" lobte. Und: der ins Leben gerufene "Runde Tisch" dürfe nicht für Leute Platz bieten, die den Kampf gegen Rechts nur im Munde führen, während sie selbst reaktionäre Politik betreiben. Der Tisch dürfe zwar rund sein, das antifaschistische Bündnis aber müsse deutlich anecken bei allen, die unseren Bestrebungen im Wege stehen.

Die Veranstaltung vom 6.9. hat uns die Chance eröffnet, in Kiel zu einer auf Dauer angelegten Zusammenarbeit von Menschen zu kommen, die von unterschiedlichen Ausgangspunkten her an einer Bekämpfung der mörderischen Nazi-Umtriebe und ihrer Ursachen Interesse haben. Diese Chance gilt es unbedingt zu nutzen. Nichts wäre schlimmer, als wenn die Nazis bei einem Nachlassen des öffentlichen und z.Z. noch von den Medien geförderten Interesses immer noch weitgehend ungeschädigt dastünden. Durchsetzungsfähige Strukturen des antifaschistischen Widerstandes zu schaffen, ist in Kiel und anderswo das Gebot der Stunde.

(D.L.)