Betrieb & Gewerkschaft

HDW:

Superfast und supersoft in die Restrukturierung

Kriegsschiffbau wird ausgeweitet - Handelsschiffbau als Lückenfüller?

Superfastfähre im HDW-Dock

Verluste in Höhe von 150 Mio. Euro werden laut Hochrechnungen beim Bau von 6 Super-Fast-Fähren (SFF) auf der Kieler Werft HDW auflaufen. 15,5 Mio. Euro "geplante" Verluste waren von der Babcock-Konzernleitung über den HDW-Aufsichtsrat 1998 genehmigt worden. Werft-intern wurde der zu erwartende Verlust auf 35 Mio. Euro taxiert. Der Betriebsrat hatte hierzu einen Entlastungsbeitrag durch eine "Budget-Regelung" zugesagt. Nach Abschluss dieser Regelung zwischen Betriebsrat und IG Metall Küste auf der einen Seite mit HDW-Vorstand und Nord-Metall auf der anderen - jeder HDWler leistet 6 "Aufbaustunden" im Monat, leitende Angestellte und Vorstandsmitglieder entsprechende Geldbeträge - gab der Aufsichtsrat grünes Licht für den SFF-Auftrag. Im Rahmen des 7. und 8. Werfthilfeprogramms stehen HDW 20 Mio. Euro an Subventionen für die SFF-Serie zur Verfügung.

Von Preussag zu Babcock

HDW-Konzernstruktur

Nachdem die Preussag AG 1998 die HDW als im ganzen solides und liquides Unternehmen, als "Sahnehäubchen" zusammen mit anderen zur Liquidation vorgesehenen Unternehmen wie NOELL und WRT an die Babcock Borsig AG "übertragen" hat, gilt für den Handelsschiffsbau bei HDW die Konzernvorgabe: ab 2002 keine Verluste. Babcock-Chef K. Lederer 1999 auf einer Betriebsversammlung: "Wir werden viel Spaß miteinander haben!"

Heute ist die Lage ernst: Durch die "Spaßveranstaltung" droht ein eisiger Wind zu fegen. Die Westdeutsche Landesbank - mit dem "Billigflieger" F. Neubert an der Spitze - zieht die Strippen: Die Preussag AG ist zum "KDF"-Touristik-Konzern umstrukturiert worden. Auch die lange stark angeschlagene Babcock AG wurde vom industriellen "Gemischtwarenladen" auf drei Kerngeschäftsfelder ausgerichtet. Und mit dem neuen Geschäftsfeld Schiffbau soll durch die HDW - mit den Erlösen inkl. Zinsgewinnen aus dem Kriegsschiffsbau eine "Bank mit angeschlossenem Schiffbaubetrieb" - eine finanzielle Konsolidierung im Konzern vorangetrieben werden. Ein heute in der Werftbelegschaft kursierender Kommentar: "Die denken, eine Goldgrube mit einem feuchten Stollen bekommen zu haben, und jetzt wird die Grube geflutet!" Galgenhumor?

Image- und Motivationsverluste

Die vom Vorstand der HDW über die bürgerliche Presse kolportierten Getriebeprobleme sind nur Randprobleme beim Bau dieser Schiffe. Bei der Auftragshereinnahme 1998 stand die Basiskonstruktion nicht, und so zogen sich die Probleme von der Konstruktion über den Einkauf durch die gesamte Fertigung. Und HDW-üblich wird das Chaos noch potenziert.

An den Ausrüstungspiers liegen jetzt gut sichtbar die beiden ersten für den Adria-Einsatz vorgesehenen Schiffe, deren Ablieferung am 30.6. und 31.7. erfolgen sollte. Die voraussichtlich um 5 Monate verspätete Ablieferung des ersten Schiffes ist ein Novum in der Geschichte der HDW. Probleme gab es auch schon bei anderen Serien in den letzten Jahren, auch im Marineschiffbau bei den im Werftjargon "Seegurken" genannten U-Booten (Dolphin) für Israel. Das deutsche Schiffbau-Image "teuer aber pünktlich und erste Qualität" ist für HDW auf dem Weltmarkt stark angeschlagen. Bei der Kampagnen-geplagten Werftbelegschaft ist die Motivation auf dem Tiefpunkt. Ständige Änderungen und zusätzliche Arbeiten - Werftparole: "Wir schnitzen die Schiffe aus dem Vollen!" - und durch die ständigen Überstunden auf entsprechenden in die Hunderte gehende persönlichen Stundenkonten zu "hocken", ohne absehbare Freizeitausgleichmöglichkeiten avisiert zu bekommen, das kann nicht motivieren. Und schafft keine zusätzlichen Arbeitsplätze!

Spaßvogel ist wütend?

Auch Dr. K. Lederer wird der Spaß vergangen sein: Nicht einmal der Dollar-Kurs hilft HDW: Der SFF-Auftrag von der griechischen Reederei wurde auf Euro-Basis abgeschlossen. Verspätete Ablieferung bedeutet auch: Der Reeder zahlt später. Was für die Babcock Borsig AG Folgen hat. Die Babcock hat chronischen Mangel an Cash Flow und kann so auch den geplanten Ankauf der bei der Preussag AG verbliebenen HDW-Anteile nicht tätigen. Angeblich hat Preussag noch eine zusätzliche finanzielle "Sterbehilfe" für die Liquidierung ehemaliger Preussag Betriebe an Babcock überwiesen.

Am 28.9. tagt in Hamburg der HDW-Aufsichtsrat: Innovativ werden die Herren Aufsichtsräte durch den Besuch der Weltschiffbaumesse SSM nicht in die Sitzung gehen. Sie werden voraussichtlich folgende Strategie beschließen: Weitere Reduzierung des Handelsschiffbaus zum Nischenfüller und Ausweitung des Marineunterwasser- und Marineüberwasser-Schiffbaus.

Rüstungsaufträge satt

HDW-Auftragsbestand: (per 30.6.00)
U-Boot-Bau: 2,4 Mrd. Euro
Marine-Überwasserschiffbau: 0,5 Mrd. Euro
Handelsschiffbau: 0,7 Mrd. Euro

Umsätze und Stundenaufwand im Geschäftsjahr 98/99
Umsatz (Mio. DM) Umsatz (%) Fertigungsstunden
(1.000 h)
Fertigungsstunden (%)
Marineschiffbau 809 65 460 21
Handelsschiffbau 406 33 1.587 72
sonstige Fertigung 21 2 143 7
Gesamt 1.236 100 2.190 100

Der höchste Auftragsbestand in der Firmengeschichte! Seit Schließung der Schiffsreparaturabteilung 1996 werden - heute verstärkt - Flächen, Hallen und Gebäude für den Kriegsschiffbau belegt und weitere sind in Planung. Manche Marineabteilungen werden um bis zu 100% personell aufgestockt. Und es "drohen" weitere Aufträge, von Süd-Korea bis Portugal. Auch von der weiteren Umstrukturierung der Bundeswehr zur Angriffsarmee (Out of area-Einsätze) werden die Kriegsschiffbau-Werften profitieren (und die Bevölkerung durch Steuern, Sozialabbau und "Blutzoll" verlieren). HDW gehört zum Militärisch-Industriellen-Komplex und wird aus politischen Gründen bestand haben: Als Rüstungswerft!

Politisch diktiert und akzeptiert?

Den Arbeitnehmervertretern (IG Metall-Vertrauensleutekörper, Betriebsrat, Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat) ist es durch 20 Jahre Strukturkrise gelungen, die Folgen der kapitalistischen Entwicklung abzumildern. Unter dem Begriff "Universal-Werft" wurde insbesondere die immer wieder drohende Schließung des Handelsschiffbaus - der zwar meist Verluste, aber die größte Beschäftigung bringt - durch Druck auf den Vorstand, sowie Einflussnahme im Preussag-Konzern und über die Politk abgewehrt. Ein Lohnabbau und andere Attacken konnten erfolgreich abgewehrt werden. Kompromisse wurden zwar oft aus der Belegschaft kritisiert, doch Köpfe mit Rückgrat, die andere Alternativen aufzeigen und hierfür kämpfen, waren nie in Sicht!

Die Arbeitnehmervertretungen sind in vielen Fragen hart geblieben. Dem - politisch diktierten - Marsch in die totale Rüstungsproduktion werden sie sich nicht in den Weg stellen (können oder wollen), auch nicht verbal. Wer wird sich der "nationalen Aufgabe" (Kriegs-) Schiffbau heute in den Weg stellen? Supersoft wird der Marsch begleitet werden. Auf der Aufsichtsratssitzung im Januar 2001 wird das Restrukturierungskonzept zur Kriegsschiffbau-Werft abgesegnet werden. Mit den Stimmen der Arbeitnehmervertreter? "Universal-Werft" kann sich die HDW als Kriegsschiffbau-Werft mit etwas Handelsschiffbau auch weiterhin nennen. Die Pflöcke dafür werden schon heute eingeschlagen. Superfast und supersoft.

(w.jard)