Ratssplitter

Die im Juli vor Kiel lärmend ausgetragene Power-Boat-Weltmeisterschaft hatte ein Nachspiel in der Ratsversammlung vom 21.9. In einer Einwohneranfrage hatte Susanne Heise gefragt, ob es Untersuchungen über die Auswirkungen auf die Flora und Fauna zu Lande und zu Wasser gebe. OB Norbert Gansel antwortete: "Die Auswirkungen so eines Bootes auf den Meeresboden sind so, wie wenn ein Träger über eine Wiese fährt. Aber Trecker müssen nunmal ab und zu über Wiesen fahren, und außerdem gilt das nur für Flachwasser." Marine-Fachmann Gansel wusste, dass "die Auswirkungen geringer sind als bei normalen Sportbooten, weil die Schrauben der Power-Boote viel weniger tief eintauchen". Auf den Hinweis der Einwohnerin, das von der Stadt unterstützte CO2-Reduktionsprogramm "Fifty-Fifty" an den Schulen passe nicht so recht zum CO2-Ausstoß der Boote, und ihre Frage, ob es Erhebung über die CO2-Belastung durch Power-Boote gebe, meinte Gansel, der CO2-Ausstoß sei nicht gemessen worden, "da keine unvertretbaren Auswirkungen zu erwarten waren". Man weiß also einfach, dass man da nichts messen muss. Im übrigen, so schätzte Gansel, müsse man doch auch mal sehen, dass "sich durch den Besuch solcher mehrstündiger Veranstaltungen während dieser Zeit die Autonutzung bis auf An- und Abfahrt i.W. auf Parken beschränke". Mit anderen Worten: Wer Power-Booten zuguckt, fährt nicht Auto und schützt so die Umwelt. "Fifty-Fifty" à la Gansel.

So modernisiert sich Gansel in Bezug auf life-stylige Boote gibt, E-Mail an ihn ist ihm immer noch ein Graus. Die SPD hatte eine Überarbeitung des Internet-Auftritts der Stadt beantragt und fragte nach, warum die Gästebuch-Funktion inzwischen abgeschaltet worden ist. Gansel hielt darauf einen 15-minütigen Vortrag darüber, dass Hand-geschriebene Briefe besser seien, weil sich der Briefeschreiber da mehr überlege, was er sage. "Manches, was per E-Mail kommt, ist einfach ungebührlich". Es sei aber nicht so, dass der OB die Abschaltung veranlasst habe, weil er "keine Kritik vertrage". Es habe vielmehr ein "Missbrauch des Gästebuchs vorgelegen". Wahrscheinlich bestand dieser "Missbrauch" in Kritik. Also, liebe Kritiker des OB: Offline gehen, nachdenken, Federkiel geschärft und dem OB einen Brief mit Gallustinte auf Papyrus schreiben. Aber bitte nur Nettigkeiten.

"Wir wollen uns nicht nachsagen lassen, wir hätten etwas versäumt", begründete der SPD-Ratsherr Finger einen Antrag seiner Fraktion, der OB solle ein Konzept "zur Errichtung eines Zentrums für Biotechnologie" vorlegen. BioTech ist Zukunftstechnologie, so wenige Worte genügen, dass alle kritiklos dafür sind, selbst die Grünen. Da muss man nicht viel reden, nur so viel vom CDU-Ratsherr Moriz: "Wir stimmen zu, weil wir eine wirtschaftsfreundliche Partei sind." Folgenabschätzung? Das machen wir später - oder gar nicht. Brauchen wir nicht, weil wir ja schon wissen, dass das gut ist.

Nichts nachsagen lassen über Versäumnisse will sich auch schon wieder der OB. Einstimmig hatte der Ausschuss für Sport und Schule beschlossen, der OB möge weitere Mittel für die Förderung der betreuten Grundschule in den Haushalt einstellen. Weitere Mittel? Da klingeln bei Gansel, der keine Parteien mehr kennt, auch keine Politik, sondern nur noch Sparen um jeden Preis, die Alarmglocken. Dann möge man doch bitte auch dazusagen, wo die geforderte Aufstockung um 135.000 DM an anderer Stelle einzusparen sei. Kopfschütteln in der Ratsversammlung, gefolgt von Wut bei Gansel: "Ich halte es für eine Unverschämtheit zu sagen: Hier sind 49 Ratsmitglieder, die sind für die Kinder, und da ist der OB, der auf einem Sack Geld sitzt, es nicht rausrückt und jetzt der Feind ist." Den eigentlichen Feind nämlich macht Gansel in der Landesregierung aus, die durch solche zusätzlichen kommunalen Mittel für die betreute Grundschule "aus der Verantwortung entlassen" werde. Frage nur, ob Gansels Parteikollegen im Landeshaus sich hier den schwarzen Peter zuschieben lassen wollen.

(jm)