Soziales

Die Armut in Deutschland nimmt weiter zu

Nach Darstellung des DGB und des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes nimmt die Armut auch unter den Erwerbstätigen immer mehr zu. Nach dem jüngst vorgestellten Armutsbericht der beiden Organisationen stieg der Anteil der in "erwerbstätigen-Haushalten" lebenden und dennoch als Einkommens-arm bezeichneten BürgerInnen von 6,3% im Jahre 1994 auf 8,4% im Jahre 1998.

Als Einkommens-arm gelten Menschen, deren monatliches Einkommen unter der Schwelle von 50% des durchschnittlich verfügbaren Pro-Kopf-Einkommens liegt. 1998 lag diese Schwelle in Westdeutschland bei 1.038 DM, in Ostdeutschland bei 855 DM und bei einer gesamtdeutschen Betrachtung bei 1.003 DM. Nach dieser Definition gelten der Studie zufolge 9,1% der Bevölkerung oder etwa jeder elfte Bundesbürger als Einkommens-arm. Dabei lag die Quote gemessen am gesamtdeutschen Einkommensdurchschnitt im Westen mit 8,7% etwas niedriger als im Osten mit 10,7%.

Von Einkommensarmut sind neben Erwerbstätigen v.a. Arbeitslose, Familien mit Kindern, Behinderte und AusländerInnen bzw. SpätaussiedlerInnen betroffen. So lebten nach der Studie 1998 rund 14% der Kinder in Einkommensarmut, fast 30% aller Alleinerzieher-Haushalte, gut 20% aller Paare mit drei und mehr Kindern und über 18% aller ausländischen Einwanderer. Insgesamt ist jeder fünfte Bürger im Zeitraum zwischen 1991 und 1997 zeitweise in die Armut gerutscht.

Die Entwicklung der Arbeitslosigkeit

Im Durchschnitt des Jahres 1982 gab es rund 1,8 Mio. registrierte Arbeitslose; 1997 waren es 3 Mio. in Westdeutschland, ebenfalls im Jahresdurchschnitt. Dies ist eine Zunahme um 66%. Hinzu kamen über 1,3 Mio. registrierte Arbeitslose in Ostdeutschland.

Mit 4,8 Mio. registrierten Arbeitslosen im Januar '98 mussten wir einen neuen Höchststand in der Geschichte der Bundesrepublik verzeichnen. Zur Zeit befinden sich ca. 3,6 Mio. Menschen in der Arbeitslosigkeit. Schon allein diese Entwicklung der Arbeitslosigkeit zeigt das Scheitern der Beschäftigungspolitik der Bundesregierungen. In Wirklichkeit beschönigt die Arbeitslosenstatistik sogar noch das Bild. Berücksichtigt man die Teilnehmer an Arbeitsbeschaffungs-, Fortbildungs- und Umschulungsmaßnahmen und die so genannte Stille Reserve, ergibt sich die tatsächliche Arbeitsplatzlücke. Es fehlen 2000 über 7 Mio. Arbeitsplätze.

Die Jugendarbeitslosigkeit steigt beständig. Im Jahresdurchschnitt 1997 waren rund 500.000 Jugendliche arbeitslos gemeldet. Vor allem aber geht das Angebot an Ausbildungsplätzen von Jahr für Jahr zurück, während die Zahl der Jugendlichen, die einen Ausbildungsplatz suchen, steigt. Während es 1992 noch einen Überhang von 268.456 Ausbildungsplätzen gab - der notwendig ist, damit Jugendliche einen Ausbildungsplatz entsprechend ihrer Interessen wählen können -, öffnet sich seit 1995 eine Schere. Es fehlen jährlich ca. 200.000 Ausbildungsplätze.

Abstriche bei der sozialen Absicherung

Die zahlreiche Gesetzesänderungen seit 1982 führten zu erheblichen Einschnitten und Kürzungen bei sozialen Leistungen - ohne Rücksicht auf soziale Symmetrie. Die soziale Absicherung wurde immer weiter eingeschränkt. Allein die Einsparungen im Bereich der Arbeitslosenversicherung und der Rentenversicherung addieren sich berechnet auf das Jahr 1997 auf eine jährliche Wirkung von 98 Mrd. DM, davon 60 Mrd. bei den Renten- und 38 Mrd. bei der Arbeitslosenversicherung. Hinzu kommen die Einsparungen bei der Krankenversicherung bzw. die Verlagerung von Kosten des Gesundheitswesens auf Kranke. Doch trotz dieser Kürzungsaktionen zu Lasten der ArbeitnehmerInnen ist der Gesamt-Sozialversicherungsbeitrag in den letzten 10 Jahren drastisch gestiegen.

Außerdem haben die Bundesregierungen die Verteilung der Steueraufkommen wesentlich zu Lasten der ArbeitnehmerInnen verschoben. Gab es 1980 noch einen Anteil der drei "Massensteuern" Lohn-, Umsatz- und Mineralölsteuer von 62% am gesamten Steueraufkommen, so betrug dieser Anteil 1996 72,9%. Umgekehrt sank der Anteil der "Gewinnsteuern" von 24,9% auf 14,6% - und das, obwohl der Anteil der ArbeitnehmerInnen am Volkseinkommen seit Jahren sinkt und der Anteil der Einkommen aus Unternehmertätigkeit und Vermögen dagegen steigt. Zusätzlich wurde die Vermögenssteuer gänzlich abgeschafft und die Mehrwertsteuer erhöht. Die so genannte Ökosteuer belastet nicht nur die ArbeitnehmerInnen, besonders betroffen sind die Arbeitslosen und RentnerInnen da hier kein Ausgleich vorgesehen ist.

Diese Umverteilung zu Lasten der abhängig Beschäftigten konnte durch Lohnerhöhungen nicht ausgeglichen werden. Die realen, d.h. Preis-bereinigten Nettolöhne und -gehälter je ArbeitnehmerIn lagen 1997 um 5,8% über dem Stand von 1982; die Nettolohnsumme um knapp 26%. Bei den realen Nettoeinkommen aus Unternehmertätigkeit dagegen ist seit 1982 ein Zuwachs von 168% zu verzeichnen.

(hg)