auf & davon

Erneut gibt es ein Kirchenasyl in Lübeck, diesmal in der Aegidiengemeinde. Die vierköpfige kurdische Familie gehört der in der Türkei Repressalien ausgesetzten Glaubensgemeinschaft der Yeziden an. Der Familienvater gilt außerdem als Sympathisant der PKK. Beides eigentlich ausreichende Gründe, nicht zurückkehren zu können. Trotzdem wurde der Asylantrag der seit 1993 in Deutschland lebenden Familie abgelehnt, u.a. weil die vorgelegte Bescheinigung der Yezidengemeinde nicht anerkannt wurde. Die Gemeinde versucht nun, durch weitere Beweise und Argumente ein Bleiberecht zu erreichen.

Die Angriffe auf AusländerInnen setzen sich fort. In Köln verprügelten drei Angetrunkene einen tunesischen Taxifahrer. Alle drei waren Polizisten von Beruf. In Thorgau wurde ein Brandanschlag auf ein Asylbewerberheim verübt. In Düsseldorf wurde ein Schwarzer, der in Benin geboren ist und die deutsche Staatsbürgerschaft hat, von bis zu 20 Angetrunkenen angegriffen und verletzt. Der Mann hatte sich gegen rassistische Pöbeleien der Gruppe wehren wollen. In Wuppertal haben Rechte Molotow-Cocktails auf ein Wohnheim geworfen, in dem Familien aus Ex-Jugoslawien leben. Dabei wurden zwei Kinder verletzt. Vier Männer und drei Frauen aus der rechten Szene wurden festgenommen. In Berlin-Kreuzberg gab es Anschläge auf die Synagoge.

Während einerseits weiterhin vollmundig der Kampf gegen Gewalt und Rechtsextremismus gepredigt wird, gehen andererseits auch die Angriffe auf das Asylrecht weiter. Rita Süssmuth betonte erneut, dass die Zuwanderungskommission, die ihre Arbeit jetzt aufgenommen hat, auch über das Asylrecht sprechen müsse, und bezeichnete in diesem Zusammenhang eine Quote für Zuwanderung als unumgänglich. Beckstein forderte die Kommission zur Diskussion der Umwandlung des individuellen Asylrechts in eine institutionelle Garantie auf, um weniger AsylbewerberInnen und dafür mehr ausländische Fachleute ins Land zu holen. Der Vorsitzende des Bundestagsinnenausschusses, Peter Vogt (SPD) forderte gar einen Volksentscheid. Brandenburgs Innenminister Schönbohm merkt dazu an, dass "Multikulti" bei einer Abstimmung keine Chance hätte. Womit er zweifellos Recht hat, wenn man bedenkt, welche Stimmung die Äußerungen von PolitikerInnen seiner Sorte bei der Bevölkerung hervorrufen.

Schönbohm argumentierte mit altbewährten aber lange widerlegten Anerkennungszahlen, dem so genannten "Asylmissbrauch", und den hohen Sozialhilfekosten für AsylbewerberInnen im Rahmen seiner Reaktion auf die Kritik von Wolfgang Thierse an einigen Asylentscheidungen in Brandenburg. Thierse hatte insbesondere das "herzlose" Entscheiden der Brandenburger Behörden im Falle eines Algeriers kritisiert, der 1999 von Neonazis gemeinsam mit einem algerischen Freund durch Guben gehetzt wurde. Der Freund, Omar Ben Noui, verblutete beim Sprung durch eine Glastür, hinter der er Rettung suchte. Der betreffende Algerier selbst will eine Therapie beginnen, sein Asylantrag ist jedoch abgelehnt. Die Ausländerbehörde hatte argumentiert, der Algerier würde sein Leben in Deutschland nur bedingt meistern können, da er hier traumatisiert wurde. Thierse warf den brandenburgischen Behörden vor, rassistische Vorfälle anscheinend zu nutzen, um Flüchtlinge abzuschieben. Schonböhm hält Thierses Einmischung für unzulässig. Der Prozess gegen die Täter von Guben hat inzwischen begonnen, wurde aber gleich wieder vertagt.

Die verzweifelten Versuche von Menschen, sich in vermeintliche Sicherheit zu bringen bzw. in ein menschenwürdiges Leben zu entfliehen, halten an. Dabei erstickten Mitte September wieder zwei Flüchtlinge in einem Container im Hafen von Korinth. Die 31 im Container eingesperrten Menschen aus Asien wurden entdeckt, als sie nach Hilfe rufend an die Wände des Containers klopften. Für zwei kam jede Hilfe zu spät.

(a.w.)