Anti-Atom

Virtueller Atommülltransport real durchgesetzt

Na, das war dann ja wohl nichts. Alle Welt rechnete mit dem Castor-Transport von Philippsburg nach La Hague am 18.10., sogar die Polizei und der BMU, aber dann fuhr er nicht.

AKW Philipsburg

Am Sonntag, dem 15.10. hatten sich etwa 1.000 Menschen in Philippsburg versammelt, um den Abtransport der inzwischen beladenen TN13-Behälter zu behindern. Eine Sprecherin des BUND bezeichnete dabei den "Atomkonsens" als "reine Augenwischerei" und verlangte einen sofortigen Ausstieg aus der Atomenergie. Die Polizei versuchte, die Gleisanlagen komplett abzusperren, trotzdem gelangten immer wieder Blockierer auf die Gleise zum AKW. Weder Philippsburg noch Rheinsheim waren bereit, eine Wiese für ein Camp zur Verfügung zu stellen für die 300 Menschen, die von Samstag bis Mittwoch dablieben. Schließlich fand sich ein privater Grundbesitzer bereit, das Zeltlager aufzunehmen. Aber obwohl Frankreich sich inzwischen ziemlich laut weigerte, den Atommüll anzunehmen, bevor die Abfälle aus der Wiederaufarbeitung aus La Hague abgeholt und nach (wahrscheinlich) Gorleben verbracht werden, erließ der Landkreis Karlsruhe noch am Sonntag eine "allgemeine Verfügung zum Verbot von Zeltlagern". Diese recht totalitaristische Maßnahme wurde von der Polizei am Montag bei Oberhausen konsequent umgesetzt. Es kam zu ersten Festnahmen, denen etwa die Hälfte der Camper freiwillig aus dem Weg gegangen war. Den despotischen Gipfel setzten die baden-württembergischen Ordnungshüter aber mit der Beschlagnahme der beiden Küchenwagen von "Rampenplan" und "Mampf mobil". Was lernen wir daraus? Ausnahmezustand ist bei den Schwaben, wenn von versammelten Menschen eine Blockade von etwas ausgehen könnte, das überhaupt nicht stattfindet - auch die Durchführung virtueller Castor-Transporte muss genauso gesichert werden wie echte. Unter solchen Umständen sind das Übernachten in Zelten und die Essenszubereitung verboten. Atmen blieb immerhin erlaubt. Deshalb entschieden die tapferen, verfügungstreuen AKW-GegnerInnen auch, die Nächte von Montag bis Mittwoch auf den Marktplätzen von Philippsburg und Rheinsheim zu verbringen, wo ihnen auch nicht grade die Sympathie der Yello-Strom-versorgten Einwohner entgegenschlug. Ganz untätig blieb man aber nicht. Ein Teil hielt in Rheinsheim eine Dauermahnwache ab, am Mittwoch fanden sich alle noch einmal zusammen, um gemeinsam auf die Gleise zum AKW zu gehen, auch wenn dort wohl nichts mehr zu blockieren war. Bei dieser Gelegenheit nahm die Polizei gleich 120 Leute in Gewahrsam, wo sie von 11 bis 17 Uhr blieben.

Nun sind erstmal alle auseinander gegangen, keineswegs sicher, dass die Sache auch wirklich ausgestanden ist. Viele hatten schon von vornherein geglaubt, dass der französische Affront nur eine Finte sei, oder sich durch Verhandlungen zumindest innerhalb kürzester Zeit aus der Welt schaffen ließe. Dem war vorerst nicht so.

Auf jeden Fall kommt jetzt die eigentlich ganz unscheinbare Seerauer Eisenbahnbrücke über die Jeetzel ins Spiel, die zur Zeit umgebaut wird, um für Castor-Züge wieder tragfähig zu sein. Denn wer seinen Müll aus La Hague abholen will - oder soll -, der muss ihn wohl mit der Eisenbahn nach Dannenberg und dann per LKW nach Gorleben bringen. Und wenn Trittin den Franzosen nur einigermaßen glaubwürdig versichern will, dass die Abholung wenigstens in greifbarer Nähe liegt, dann müssen die Bauarbeiten an der Seerauer Brücke deutliche Fortschritte machen. Und deshalb war es auch sehr weitblickend, dass sich schon am 15.10. etwa 200 WendländerInnen zu einer Kundgebung in Hitzacker versammelten, um dann vor der denkmalgeschützten Eisenbahnbrücke gegen den Teilabriss zu protestieren. Dort gibt es inzwischen eine Kampagne "Tag B", so ähnlich wie "Tag X", aber mit "B" für Brücke, was den hohen strategischen Stellenwert ausdrücken soll. Dass diese Einschätzung nicht einseitig ist, bestätigte ein hohes Aufgebot von BGS und Polizei, das die Gleisanlagen großenteils versperrte.

Dann zogen etwa 50 DemonstrantInnen weiter nach Breese in der Marsch, wo sich die Umladestation befindet. Denn auch dort tut sich etwas. Die eingezäunte Fläche wird um 80 Meter in Richtung Dannenberg erweitert, um bis zu 6 Castoren Platz zu bieten. Der bisher stationäre Verladekran, der einzig und allein dem Zweck dient, die Castor-Behälter von den Eisenbahnwaggons auf LKW umzuladen, wird auf Räder und Schienen gestellt. Und er bekommt eine Garage. Dieser beträchtliche Aufwand (man bedenke das Gewicht von ca. 200 t, das Kran und Hebegut zusammen aufbringen) soll die Rangiervorgänge einsparen helfen, die bisher immer durchgeführt werden mussten, wenn mehr als 2 Castorbehälter in den Verladebahnhof rollten. Das niedersächsische Innenministerium hatte diese Maßnahmen verlangt.

Zwar beschwichtigt Trittin, auch wenn die Transporte abgebrannter Brennelemente aus Philippsburg, Biblis und Stade verschoben werden müssten, bräuchte kein AKW abgeschaltet werden. Man könne ja solange "interimslagern", also auf dem Werksgelände. Fragt sich nur, in was für Dosen oder Eimern das geschehen soll, denn der Grund für die Beladung der TN13-Behälter war ja gerade gewesen, dass sich die Castor V19-Behälter nicht mit der notwendigen Dichtigkeit beladen ließen - weil die Deckel jetzt nicht mehr unter Wasser aufgesetzt werden dürfen, sondern erst nach erfolgter Trocknung, bildeten sich Borsäurekristalle auf der Dichtung. Das Argument, warum TN13-Behälter diesen Anforderungen nicht genügen müssten, war, ich erwähnte es schon mal, dass sie nur dem Abtransport zur WAA und nicht einer wie auch immer gearteten Zwischenlagerung dienten. Falls Trittin den jetzt schon beladenen Transnuklear-Behältern also einen längeren Aufenthalt auf dem Werksgelände gestattet, dann ist dies eine von höchster Stelle genehmigte, atomgesetzwidrige Schlamperei und nicht mehr weit von Sellafield entfernt.

Dessen ungeachtet wird aber mit Hochdruck an einer Fertigstellung der Bahnstrecke nach Gorleben gearbeitet. Noch bestehen die Franzosen auf gleichzeitiger Rücknahme der deutschen Glaskokillen aus La Hague. Wer weiß, ob sie sich unter dem Eindruck forcierter Bautätigkeit nicht zu einem gleichzeitigen Rücknahmeversprechen mit zeitnaher Rückführung breit schlagen lassen, um den drei deutschen AKWs schon in den nächsten Wochen aus ihren Bredouillen zu helfen? Denn sonst wird der nächste Castor, wie behauptet, tatsächlich erst im nächsten Frühjahr rollen. Zur Zeit verhandelt der Staatssekretär im Kanzleramt, Frank-Walter Steinmeier, mit französische Regierungsstellen über einen "baldigen" Beginn der Rückführungen "in deutsche Zwischenlager", welche immer man sich darunter vorstellen mag, "sobald die Sicherheit gewährleistet ist". Ralf Henze von den Minderheits-Grünen kommentiert: "Welche Schweinerei wird da ausgeheckt?"

(BG)