Aus dem Kieler Rat

Kieler Haushalt 2001:

Keine Alternativen

Zum weiteren Kaputtsparen, weniger deutlich nennt man derlei Haushaltskonsolidierung, gibt es "keine Alternative". Das ist, wie nun schon seit Jahren, die wesentliche Botschaft von OB und Kämmerer Norbert Gansel bei der Einbringung des Etatentwurfs 2001 in der Ratsversammlung vom 19.10. Dass man sich mit diesem Kurs immer weiter gehend aus den Gestaltungsspielräumen der Kommunalpolitik und aus vielen Bereichen der Daseinsvorsorge verabschiedet, ist bekannt, kommt aber im Denken Gansels und seines Mehrheitsbeschaffers SPD nicht vor. Gansel wähnt sich vielmehr der Zustimmung der Bevölkerung sicher. Zum einen kann er mit einem Lob des Bunds der Steuerzahler für seine Finanzpolitik prahlen. Zum anderen habe die jüngst durchgeführte Bürgerbefragung u.a. ergeben, dass es "eine Akzeptanz dafür gibt, dass wenn etwas Neues begonnen wird, Altes beendet werden muss".

Während als größtes neues Projekt der Bootshafen für 8 Mio. DM (verteilt auf drei Haushaltsjahre) ausgebaut werden soll, zur "Verbesserung der Attraktivität der Innenstadt", fällt in Gansels Haushaltsentwurf unter die Kategorie "alt" vorzugsweise das Soziale. Um knapp 10% sei die Zahl der Sozialhilfeempfänger seit April 1998 gesunken, freut sich der Kämmerer. Dass dies u.a. durch Abschiebung vieler Sozialhilfeempfänger in die von der KIBA organisierte Zwangsarbeit erfolgte, wird selbstverständlich nicht erwähnt. Stattdessen eine stellvertretende Drohung an all diejenigen, die meinen sie hätten ein Recht auf ein menschenwürdiges Dasein auch ohne die Möglichkeit zum eigenen Broterwerb. Gansel an die Adresse der Schulabgänger: "Wer meint, er könne nach der Schule ein Jahr Pause machen, weil er seinen Traumjob nicht findet, wird das nicht auf Kosten der Sozialhilfe machen können." Und auch denjenigen, die sich in der städtischen Verwaltung für bessere Löhne und Gehälter einsetzen, droht der Obersparer unverblümt: "Das ist ganz simpel, das versteht jeder, der rechnen kann: Wenn in Tarifverhandlungen die Tarife steigen, dann müssen wir in gleichem Maße Personal abbauen."

Das "Soziale" scheint Gansel als Ganzes ein Dorn im Auge zu sein, denn er beklagt, dass "immer noch ein Drittel des Haushalts nur für Soziales ausgegeben" werde, obwohl der Sozialetat laut Entwurf gegenüber 2000 um netto 7,7 Mio. DM sinken soll. Diesen Posten will Gansel ohne Rücksicht auf Verluste weiter einschrumpfen: "Wir werden Eigeninitiative fördern, aber auch einfordern." Sein Dank gilt dagegen der Wirtschaft "für die Ausbildungsplätze", die die "Fälle von Jugendarbeitslosigkeit" (merke: Jugendarbeitslosigkeit ist eine Krankheit der arbeitslosen Jugendlichen, daher "Fälle") von 1.735 im Jahre 97 auf nunmehr "nur noch" 1.381 gedrückt hätten. Ebenso sei die Zahl der Arbeitslosen in Kiel "stark gesunken", von 15.100 (13,8%) 1997 auf nunmehr 12.300 (10,6%). Solche "Erfolge" gelängen nur, wenn man "bereit ist, Investoren anzunehmen, auch wenn deren Pläne mal sehr hoch fliegen", so Gansel mit Blick auf die Erweiterung des CITTI-Marktes.

Phase 1 seines "Traumziels" hat Gansel mit schonungsloser Demontage in den Bereichen Soziales und Kultur (u.a. sollen die Zuschüsse für den Veranstaltungsbereich des KulturForums auf Null herunter gefahren werden, sprich das KulturForum wird seine Arbeit einstellen und die Räumlichkeiten nur noch an andere Veranstalter vermieten) bereits zum vierten Mal in Folge erreicht: Der Verwaltungshaushalt ist bei einem Volumen von 1,1 Mrd. DM auch 2001 ausgeglichen. Im Vermögenshaushalt (Gesamtvolumen 170 Mio. DM) besteht hingegen ein Neuverschuldungsbedarf von 67,5 Mio. DM für neue Investitionen. Phase 2 der Ganselschen Träume daher: Die Neuverschuldung unter den Betrag der rentierlichen Investitionen drücken. Rentierlich ist dabei so manches nicht, etwa im dritten Jahr in Folge der Sporthallenneubau in Russee. Gansels Begründung: "Im Bereich von Sanierungen und Neubauten von Sporteinrichtungen haben wir ohnehin schon viel getan." Rentierlich sei dagegen der Umzug der Stadtgalerie in das Neue Rathaus gewesen, denn: "Im Sophienhof sind dadurch (sic!) neue Arbeitsplätze entstanden." Solche Logik verstehe, wer kann.

Sorgen macht dem Kämmerer bei aller Euphorie für seine Finanzpolitik, zu der es auch laut SPD-Pressemitteilung "keine ernst zu nehmende Alternative gibt", neben sinkenden Gewerbesteuereinnahmen und Folgen der Steuerreform v.a. das Land. Zwar sitzen im Landeshaus ebenso wie in Berlin Gansels Genossen, jedoch werde "der Widerstand der Kommunen gegen die Sparpläne des Landes beim kommunalen Finanzausgleich weitergehen: Ich habe Verständnis für die Landesregierung, dass sie ihre Förderungen durchforstet, das machen wir ja genau so, aber wir können jetzt nicht für die Ausfälle einspringen. Die Landesregierung darf nicht die Kommunen bestrafen, die ihre Finanzen aus eigener Kraft konsolidieren." So ist das mit dem Sparen nach dem St. Florians-Prinzip ...

Den Erlös des Stadtwerkeverkaufs will Gansel indes ausschließlich zur Schuldentilgung und zur "Sicherung des Kieler ÖPNV" verwenden. Begehrlichkeiten auf die schätzungsweise 420 Mio. DM vor Steuern (genaue Zahlen stehen noch nicht fest) erteilt Gansel eine "eindeutige Absage". Des Kämmerers Resümmee: "Kiel steht im Vergleich zu anderen Kommunen relativ gut da, aber unser Haushalt ist noch nicht gesund, und wenn das Land weitere Eingriffe vornimmt, bleibt er auch nicht mehr ausgeglichen." Der alternativlose Kurs des Kaputtsparens und der Aufgabe politischer Gestaltungsräume wird also weitergehen. Am 12.12. wird der Haushaltsentwurf im Finanzausschuss beraten, um am 14./15.12. bei kleineren Korrekturen von der SPD-Mehrheit im Rat verabschiedet zu werden.

(jm)