Antifaschismus

"Die Erinnerung darf nicht sterben"

Barbara Reimann stellte ihre Lebenserinnerungen in der Pumpe vor

Veranstaltungen, auf denen Antifaschistinnen und Antifaschisten, die den NS-Terror überlebt haben, uns "Nachgeborenen" über ihre Erfahrungen im Widerstand, in der Lagerhaft und in der Zeit nach der Befreiung berichten, wird es in einigen Jahren nicht mehr geben. Gelegenheit zu solch einer Begegnung mit einer Zeitzeugin gab es am 11.10. in der Kieler Pumpe. Auf Einladung des FrauenLesben-Arbeitskreises zum Frauenkonzentrationslager Ravensbrück stellte die 1920 geborene Kommunistin Barbara Reimann, geb. Dollwetzel ihre Biografie "Die Erinnerung darf nicht sterben" vor.

Im Juni 1943 wird Barbara Dollwetzel von der Hamburger Gestapo verhaftet. "Vorbereitung zum Hochverrat, Abhören ausländischer Sender und Wehrkraftzersetzung" lauten die Anklagepunkte aus dem Schutzhaftbefehl. Ohne Prozess, mit dem Vermerk "Rückkehr unerwünscht" wird die damals 23jährige gemeinsam mit ihrer Mutter nach fast einem Jahr Gestapohaft ins Frauenkonzentrationslager Ravensbrück verschleppt. In der Veranstaltung berichtete Barbara Reimann vom Überleben und Widerstehen unter den mörderischen Bedingungen des Konzentrationslagers. Eindrucksvoll ihre Schilderung der Solidarität der weiblichen Häftlinge untereinander. So wurden beim Generalappell statt der von der SS geforderten 10er Reihen 11er Reihen. gebildet. Dadurch konnten zur Ermordung selektierte Häftlinge in sichereren Blocks des Lagers versteckt werden.

Großen Raum nahm auch die Schilderung Barbara Reimanns Kindheit und Jugend in einer "typischen Hamburger Arbeiterfamilie" ein, die politisch und sozial eng mit der KPD verknüpft war. (Engagement der Mutter in der Roten Hilfe, Thälmann-Reden im Hamburger Stadtpark, Verteilen von KPD-Handzetteln als Jung-Spartakistin und schließlich Razzien durch die Gestapo).

Barbara Reimanns Biografie endet nicht mit der Befreiung 1945, sondern beschreibt auch ihr Leben in der DDR, wo sie als Juristin arbeitete, und ihre bis heute aktive Mitarbeit in der Lagergemeinschaft Ravensbrück.

Skandalös, aber exemplarisch für die bundesrepublikanische Nachkriegswirklichkeit, das von Barbara Reimann weiterverfolgte "Schicksal" derjenigen Nazischergen, die für ihre Verhaftung verantwortlich waren: Der von der Gestapo in verschiedene Widerstandsgruppen eingeschleußte V-Mann Alfons Pannek wird bereits 1951 aus der Haft entlassen, der ehemalige Leiter der zuständigen Gestapo-Abteilung Henry Helms kommt 1953 vorzeitig frei und kauft sich von seiner 5-6-stelligen Haftentschädigung eine Gärtnerei in Schleswig-Holstein.

Einige Fragen, etwa nach dem Verhältnis von politischen Häftlingen zu anderen Opfergruppen oder zur SED-Politik in Bezug auf NS-Verfolgte, wurden in dem Vortrag von Barbara Reimann nicht immer ganz geklärt. Für historisch weniger vorgebildete ZuhörerInnen wurden auch ein wenig zu viel Kenntnisse der Geschichte der Arbeiterbewegung vorausgesetzt. Das im Unrast Verlag erschienene Buch ist daher dringend zu empfehlen. Von den Herausgeberinnen Franziska Bruder und Heike Kleffner wurden hier Barbara Reimanns Erinnerungen durch Dokumente, Beweise, Fotos und dem Verständnis dienenden Zusatzinformationen sehr kompetent ergänzt.

(cs)

Franziska Bruder, Heike Kleffner (Hg.): "Die Erinnerung darf nicht sterben. Barbara Reimann - eine Biographie aus acht Jahrzehnten Deutschland", Hamburg/Münster 2000