Grüße vom Kuckuck

Verehrter Herr Ullmann,

keine Angst, ich frage sie nicht, was denn nun die deutsche Leitkultur eigentlich sei; denn das wird uns bald ganz inhaltfüllend Angela die Tragische verraten. Aber kennen Sie den? Ein Afrikaner wendet sich an die Polizei, um Anzeige zu erstatten. Er sei, so sagt er, gerade im Bus als Schwarzer beschimpft und bedroht worden. Wieso, fragt der Beamte, sind Sie denn keiner? Ein schlechter Witz, meinen Sie. Mag sein. Ich kenne noch einen über Juden. Den habe ich in den 50er Jahren als Kind gehört. Doch der ist so perfide, den erzähle ich Ihnen lieber nicht, obwohl ... nein, ich lass es.

Vielleicht fragen Sie jetzt, warum ich mich damit gerade an Sie wende. Ganz einfach, dieser Geist ist ganz offensichtlich auch in Ihrem Kopf unausrottbar. Oder wie soll ich Ihren Kommentar in der KN vom 30.10.2000, "Zur deutschen Leitkultur - Klärung notwendig" verstehen. Dort schreiben Sie: "Aber ein Stein des Anstoßes, der dem Rechtsextremismus viel Angriffsfläche für Agitation gibt, ist das partielle Eigenleben so mancher Nationalität, die sich ein Stück Heimat in der Fremde verwirklichen will." Nun scheint Ihr Problem weniger das Erlernen der deutschen Sprache, was Sie den Fremden als ersten Schritt zur Integration anraten, sondern mehr das Erlernen des Denkens zu sein. Deshalb für Sie der Sinn Ihrer Aussage in Kürze: Wenn Menschen anderer Nationalität "sich ein Stück Heimat in der Fremde verwirklichen wollen", haben sie selbst Schuld, wenn ihnen der Schädel eingeschlagen wird.

Das allerdings wirft einige Fragen auf. Meinen Sie wirklich in der "Fremde", so ganz allgemein? Das lassen Sie bitte nicht den Stoiber hören oder den neuen CDU-General Laurenz Meyer, der so stolz darauf ist, ein Deutscher zu sein. Denn die finden es bestimmt nicht gut, wenn z.B. die Deutschen, so stellen wir uns das einmal vor, in den USA jedes Mal etwas über die Rübe bekommen, wenn sie sich "ein Stück Heimat in der Fremde" bewahren wollen. Oder denken Sie gar an die vielen Deutschen auf Mallorca, Gomera, Gran Canaria oder wo immer sie ihr Leben verbringen. Vorbei wäre es mit Formel 1, "Wetten dass ...?", Hitparade der Volksmusik, die ganze deutsche Leitkultur perdü. Nein, verehrter Herr Ullmann, das können auch Sie nicht gemeint haben. Also doch konkret, nur hier in Deutschland? Danke, wir haben verstanden.

Doch davor, so lassen Sie es Ihre Leser und Leserinnen wissen, schütze als "erster Schritt das Erlernen der Sprache des Landes, das ja mehr als nur vorübergehendes Gastland sein soll". Da ich inzwischen weiß, dass Sie etwas ganz Konkretes meinen, wenn Sie etwas so allgemein formulieren, frage ich Sie besorgt: Meinen Sie das wirklich? Befürchten Sie nicht, dass die Neo- und Altnazis, die Stammtischbrüder und -schwestern und viele andere, die ich mir jetzt aber lieber zu nennen verkneife, sich Ihrer Logik folgend, zuerst einmal gegenseitig aufs Maul schlagen müssten! Und stellen Sie sich vor, welch' grausames Schicksal das deutsche Volk erlitte, wenn erst die anderen Normen, die in den Köpfen von Merz, Koch und Stoiber noch schlummernden, geweckt würden. Noch zu Ihren Lebzeiten, verehrter Herr Ullmann, drohte den Deutschen der GAU, der Sie mit Grauen erfüllt: die Deutschen in Deutschland nur noch ein Volk unter vielen.

Mir zumindest, verehrter Herr Ullmann, erscheint die Lage (oder soll ich sagen Ihre Lage) verzwickt. Denn mir ist nicht bekannt, dass auch nur ein Erschlagener, Verbrannter, Getretener, Bespuckter, Beleidigter, Gedemütigter, Erniedrigter vorher gefragt worden ist, ob er die deutsche Sprache beherrsche. Bekannt dagegen ist mir, dass in einem früheren Deutschland viele ermordet, geschändet und vertrieben wurden, die hervorragend die deutsche Sprache zu gebrauchen wussten. Nur sehr wenige der Überlebenden sind in das Land zurück gekommen, das die Rechtsnachfolge des genannten angetreten hat. Sie wussten, warum.

Sie verstehen immer noch nicht, was der Witz über dem Neger mit Ihnen zu tun hat? Das habe ich mir gedacht.

Dennoch grüße ich Sie, Ihr Kuckuck

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