PDS

PDS:

Auf der Suche nach der nationalen Identität

Die neue PDS-Vorsitzende, Gabi Zimmer, legt nach: "Ich liebe Deutschland - diesen Satz habe ich in Cottbus ganz bewusst gesagt. Ich wollte meine Partei provozieren", ließ sie am Freitag vergangener Woche die Berliner "tageszeitung" wissen. Zu der besonderen Art der Provokation gehörte auch, dass auf dem Parteitag in der brandenburgischen Stadt Mitte Oktober kaum Zeit für Diskussion solcher und ähnlicher von ihr vorgetragenen Thesen vorgesehen war. Erst ab Sonntagmittag wurden die Mikrofone für die Delegierten freigegeben. Der Parteitag hatte unter dem sinnigen Motto "... das ein gutes Deutschland blühe" gestanden.

"Ich bin auf der Suche nach einer neuen Identität. (...) für mich gibt es (...) eine nationale Identität", vertraute sie dem taz-Reporter weiter an. Die meisten Linken würden sich heute außerhalb der Nation definieren. "Das will ich ändern." Gefragt, ob derlei Aussagen nicht die ohnehin wenig zahlreichen Mitglieder im Westen verschrecken, ließ sie durchblicken, dass ihr das ganz recht wäre: Ein Teil der westlichen Mitgliedschaft würde "das Volk verachten", "seine eigene kleine Meinung für die ewige Wahrheit" halten und somit "im Sektierertum" enden. Damit wäre jedenfalls schon mal klar gestellt, dass sowieso nur Sektierer etwas gegen ihrer neue Liebe haben können.

Zimmer jedenfalls will künftig ganz unverkrampft auf ein "Mitte-Links-Bündnis" zusteuern, wie es im Leitantrag heißt, nur muss sie dafür noch ein paar Hindernisse aus dem Weg räumen: "Eine der vielen Blockaden, die die PDS an ihrer Entwicklung behindern, ist ihr verkrampftes Verhältnis zu dieser Bundesrepublik", so Zimmer.

Patriotismus von Links also? Zimmer: "Ich habe schon mal darüber nachgedacht, ob man das so nennen sollte. Aber so weit bin ich noch nicht. Wenn man Patriotismus mit Vaterlandsliebe übersetzt, wäre mir der Begriff für das, was ich meine, zu weit gehend. Die PDS sollte über diese Frage jedoch ruhig diskutieren."

Gabi Zimmer: Auf der Suche nach deutscher Identität

Zimmers Äußerungen kommen zu einer Zeit, da der Fraktionsvorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Friedrich Merz ankündigt, man werde in künftigen Wahlkämpfen die Einwanderung zum Thema machen. Mit der Betonung auf deren Beschränkung versteht sich. Merz malt gleichzeitig ein Drohgemälde von Deutschen an die Wand, die in bestimmten Stadtteilen großer Städte in die Minderheit geraten und um ihre "Identität" fürchten müssen. Den "Ausländern" müsse deutlich gemacht werden, dass sie sich an die "deutsche Leitkultur" anzupassen haben. Besonders bei der bayrischen CSU wurde der Vorstoß aus Berlin begrüßt aber auch bei Merz' Parteifreunden in Hessen und Nordrhein-Westfalen weiß man aus den zurückliegenden Landtagswahlkämpfen um die Zugkraft fremdenfeindlicher Agitation, mit der sich über so manche schwarze Kasse der Mantel des Schweigens breiten lässt.

Mit der PDS ist derlei natürlich bisher nicht zu machen. Ihr Programm lässt da nicht viel zu wünschen übrig, obwohl Rechte für Einwanderer auch nicht gerade an prominenter Stelle gefordert werden. Etwas anders sieht es schon in ihrer Anhängerschaft aus: 59% finden, dass es in Deutschland zu viele "Ausländer" gibt, ergaben jüngste Meinungsumfragen.

Sollte das der Grund dafür sein, dass das Thema Rassismus auf dem Parteitag in Cottbus trotz der jüngsten Welle faschistischen Terrors keines war? Nur ganz am Rande fand es Erwähnung, nur ganz vage nahmen Leitantrag und Antifaschismus-Resolution gegen "Ausgrenzung" Stellung. Kein Beharren darauf, dass Deutschland ein Einwanderungsland ist, kein Pochen auf Wahlrecht für alle, kein Hinweis auf das völkische deutsche Staatsbürgerrecht, das einen Großteil der Einwanderer und ihrer Nachkommen ausgrenzt und somit bestens als ideologische Grundlage des rechten Mob dient.

In diesem Kontext erscheint Zimmers Bezug auf "Nation" und "Volk" besonders bedenklich, zumal sie eine Definition der Begriffe schuldig bleibt. Sie erachtet es offensichtlich nicht einmal für nötig, sich von den vorherrschenden Definitionen abzugrenzen, die Nation völkisch und Volk über "Bluts-Beziehungen" und Vorfahren fassen.

Entsprechend stießen die Aussagen der neuen PDS-Vorsitzenden bei einigen auf heftige Kritik. Der PDS-Bundestagsabgeordnete Winfried Wolf hatte in einer Nachbetrachtung des Parteitags von Deutschtümelei geschrieben. Für den neuen Fraktionschef Roland Claus Grund genug, Wolf öffentlich abzukanzeln: Der Rubikon sei überschritten und mit Wolf nicht mehr zu diskutieren.

Aber auch andere Abgeordnete haben mit der neuen "Liebe zu Deutschland" ihre Schwierigkeiten. Wolfs Kollegin Angela Marquardt schreibt nach Zimmers jüngstem Interview: "Nationale statt gesellschaftliche Identität - das ist die Büchse der Pandora, aus der völkisches Denken und Rassismus erwachsen." Ähnlich äußerte sich der Thüringer Abgeordnete Carsten Hübner. Auch der Abgeordnete Uwe Hiksch aus Bayern, der erst kürzlich von der SPD herübergekommen war, warnte nach dem Parteitag davor, dass die PDS, wenn sie sich die Begriffe "Deutschland" und "Nation" auf die Fahne schreibt, "einen großen Teil der kritischen Linken im Westen" verliert.

Indes spekuliert der Gysi-Vertraute Hanno Harnisch, dass die PDS sich vielleicht in 10 oder 20 Jahren mit der SPD zusammenschließen könnte, wie es auch die ehemalige Juso-Vorsitzende Andrea Nahles letzte Woche in einem Zeitungsartikel gefordert hatte. Gregor Gysi und auch der bisherige Vorsitzende Lothar Bisky distanzierten sich allerdings von Harnisch. (wop)

LinX-Startseite