Aus dem Kieler Rat

Stadtwerkeverkauf:

Quittung vom Finanzminister

Der Deal des Jahres, der Verkauf von 51% der Stadtwerke Kiel an den US-amerikanischen Konzern TXU, droht im Nachhinein zum Flopp zu werden. Einstimmig hatte die Ratsversammlung am 13.7. den Verkauf beschlossen, man war des Lobes voll über das "gute Verhandlungsergebnis" und stolz, dass man für das Tafelsilber 450 Mio. DM erschachert hatte. Doch man hatte die Rechnung ohne den Bundesfinanzminister gemacht. Der hatte sein Konzept, dass der Verkauf von Anteilen aus Kapitalgesellschaften ab dem 1.1.2001 (dem Datum, zu dem TXU die Leitung bei den Stadtwerken übernimmt, der Verkauf also rechtskräftig wird) steuerfrei gestellt wird, nach heftiger Kritik aus der SPD-Bundestagsfraktion bereits vor dem Verkauf um ein Jahr verschoben. Wenn auch der entsprechende Beschluss im Bundesrat erst am 14.7., also einen Tag nach dem Ratsbeschluss fiel - dass man die 450 Mio. DM Erlös als "vor Steuern" betrachten müsse, war eigentlich allen im Rat klar. So deutlich gesagt hatte man es indes nicht, um das gegenseitige Schulterklopfen anlässlich des gelungenen Verkaufs nicht zu stören.

Wegen somit nun zu erwartender Steuerforderungen in vermutlich zweistelliger Millionenhöhe geriet die Verwaltung in hektische Betriebsamkeit, um die Steuerschuld möglichst gering zu halten. Im Gespräch war u.a., die Übernahme der Unternehmensführung durch TXU um ein Jahr auf den 1.1.2002 zu verschieben, erst dann die Aktienmehrheit an den Strom-Multi zu übertragen und so dem Zugriff des Fiskus zu entgehen. TXU erteilte solchem Ansinnen jedoch eine deutliche Absage. Torsten Amelung, Geschäftsführer der TXU Deutschland, machte klar, dass man sich "auf keinen Fall vertrösten lassen" wolle. Rechtlich wäre ein solches Vorgehen ohnehin fraglich, da noch zu klären wäre, ob die Steuerschuld nicht schon mit der Unterzeichnung des Kaufvertrags entstanden ist.

SPD und Grüne machten in Pressemitteilungen deutlich, dass man mit der Steuerpflicht gerechnet habe. Die SPD-Fraktion sieht dennoch keinen Grund, den Verkaufsbeschluss zu kritisieren. Cai-Uwe Lindner, SPD-Fraktionsvorsitzender: "Der Anteilsverkauf stand von Beginn an unter dem Zeichen möglicher Steuerforderungen. In der Abwägung von Chancen und Risiken haben wir uns trotzdem zum Verkauf von Stadtwerke-Anteilen an die TXU entschieden." Hans-Werner Tovar, VVK-Aufsichtsratsvorsitzender, ergänzte: "Die SPD- Fraktion hat die sich durch Steuerzahlungen vermindernden Einnahmen mit in ihre Überlegungen einbezogen. Trotz dieser Umstände hat die SPD-Ratsfraktion ihre Entscheidung für den Anteilsverkauf aus gesamtwirtschaftlichen Überlegungen zur Sicherung der Zukunft und der Wettbewerbsfähigkeit der Stadtwerke getroffen." "Der Beschluss der Ratsversammlung zum Verkauf von Anteilen der Stadtwerke Kiel", so die Vertreter der SPD-Fraktion resümmierend, "war in der Sache und vom Zeitpunkt her ohne Einschränkung richtig."

Auch die Grünen teilten mit, sie seien über die Steuerpflicht nicht überrascht. Ratsherr Rainer Pasternak erinnerte jedoch daran, dass die Grünen anstelle des Verkaufs "die Stand-alone-Lösung nach wie vor für den besten Weg für die Stadtwerke halten". Pasternak weiter: "Jetzt rächen sich die Eile und der Übereifer des OB und der anderen Fraktionen." Die Grünen hätten im Juli dem Verkauf an TXU zugestimmt, weil das "die am wenigsten schlechte Lösung" gewesen sei. Noch für die November-Sitzung der Ratsversammlung verlangen die Grünen jetzt einen umfassenden Bericht des OB, wie die Steuerschuld verringert werden könne. Den Vorschlag des OB, dies im Dezember zu tun, lehnen die Grünen ab, denn das "wäre mal wieder viel zu spät, um daran etwas zu ändern." (jm)

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