Grüße vom Kuckuck

Verehrter Herr Böttcher,

schon häufig habe ich mich gefragt, was die Kommentatoren der Kieler Nachrichten eigentlich denken, wenn sie ihre Leitartikel verfassen. Sie haben richtig gelesen, "Leitartikel". Denn, wenn ich mich richtig erinnere, hießen die Kommentare früher so, und es bedurfte eines gewissen Maßes an Erfahrung, Reife und, ich wage kaum, das auszusprechen, Bildung, um bei einer Zeitung, die sich ihrer Seriosität und Bedeutung gewiss war, mit einer solchen Arbeit betraut zu werden.

Jetzt habe ich auf meine Frage eine Antwort erhalten. Dafür danke ich Ihnen. Nämlich nichts, absolut nichts. Oder haben Sie sich etwas dabei gedacht, als Sie in Ihrem Kommentar in den Kieler Nachrichten vom 22.11. zum Ideenwettbewerb "Stadt 2030" schrieben: "Dass die Förde die Stadt in zwei Hälften teilt, wissen wir alle. Die Frage ist: Wie gehen wir damit um? Können wir eines Tages nach Belieben zwischen West- und Ostufer hin und her fahren, wie es Klein-Knott ausmalt, oder bleibt es wieder nur beim Gedankenspiel?"

Abgesehen davon, dass ich zumindest es bisher nicht wusste und es auch nach wie vor bezweifle, "dass die Förde die Stadt in zwei Hälften teilt", erschrecken Sie mich zutiefst, verehrter Herr Böttcher. Ist das, was ich und mit mir Tausende (häufig sogar mehrmals) täglich tun, nämlich nach Belieben und, stellen Sie sich das einmal vor, ungehindert zwischen Ost- und Westufer hin und her zu fahren, nur ein Gedankenspiel? Und, das frage ich Sie, müssen wir diese Tätigkeit jetzt einstellen und uns erst einmal mit dem Projekt "Stadt 2030" identifizieren, wie Sie es von den Kielern fordern, damit wir diese Tätigkeit dann eines fernen Tages wieder aufnehmen dürfen?

Ich hätte es ja verstanden, wenn Sie sich entsetzt, verzweifelt, empört geäußert oder zu einer anderen starken Gemütsbewegung geneigt hätten; denn das, was Sie als den Leitgedanken der vom Stadtbaurat präsentierten "Ideenskizze" zitieren und woran über 100 bedeutende "Personen aus Wirtschaft, Kultur und Verbänden ... in vier Arbeitsgruppen" nicht nur keinen Anstoß genommen, sondern sogar mitgewirkt haben, klingt mir eher wie die intellektuelle Höchstleistung eines Bürotrottels nach dem Genuss eines Joints: Kiel stehe "vor einem umfassenden Stadtumbau von einer Stadt, die mit ihrer Wirtschaft vom Meer gelebt hat, zu einer Stadt, die am und mit dem Meer lebt, wohnt und arbeitet." (Hervorhebungen nicht vom Kuckuck.)

Wer, um Gottes Willen, hat einen Mann eingestellt, der sich so etwas einfallen lässt und sich für die Verwirklichung noch die Frist von 30 Jahren setzt. Ist er tatsächlich der Meinung, dass die Bewohner der Stadt, die er heimgesucht hat, bisher vom Meer (das kann doch nur heißen, von den Erträgen aus dem Meer) gelebt haben? Warum hat man ihm dann nicht zumindest einen Grundkurs in Kieler Wirtschaftsgeschichte verordnet? Ach! Es ergeben sich so viele Fragen, wenn man in dieser Aussage einen Sinn sucht und doch nur geistloses, aufgeblasenes Geplapper findet.

Das führt mich natürlich zurück zu Ihnen, verehrter Herr Böttcher. Vielleicht haben Sie inzwischen durch die Zeitung, für die Sie schreiben, erfahren, dass die Gaardener ihr Dorf gesäubert und aufgeräumt haben. Schlagbäume, Zollschranken oder andere Hindernisse haben sie dabei nicht gefunden. Sollten also auch Sie sich einmal kundig gemacht haben und den Weg nach Gaarden finden, dann haben Sie keine Angst, die Gaardener gewähren Ihnen zwar kein Asyl, dafür aber freies Geleit.

Es grüßt Sie, Ihr Kuckuck

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