Grüße vom Kuckuck

Verehrter Herr Rethage,

in den vergangenen Wochen habe ich aus den Kieler Nachrichten bemerkenswert häufig von Ihnen und über Sie etwas erfahren, was mich sehr nachdenklich stimmt. Kann es sein, frage ich Sie besorgt, dass Ihre Wahrnehmungsfähigkeit vielleicht etwas gestört ist? Oder sind es gar die Äußerungen eines Spaßvogels? Bevor Sie jetzt vorschnell und unüberlegt meine Fragen als anmaßend zurückweisen, bitte ich Sie, mir für einige Minuten zu den Anlässen meiner dunklen Ahnungen zu folgen.

Vor wenigen Wochen ließen Sie die Leserinnen und Leser der Kieler Nachrichten durch eine anrührende Homestory wissen, wie sehr Sie sich glücklich schätzen, für Ihre Familie eine Wohnung mit Ausblick auf die Gorch Fock gefunden zu haben. Nun mag es ja sein, dass Sie tatsächlich den Liegeplatz der Gorch Fock erblicken, wenn Sie aus Ihrem Fenster sehen. Aber haben Sie tatsächlich die Gorch Fock gesehen? Einen Anblick, den wir übrigen Kielerinnen und Kieler seit vielen, vielen Monaten schmerzlich vermissen? Ach was, dachte ich damals noch. Sie tun niemandem weh, wenn Sie sinnend am Fenster stehen und ein wenig träumen. Das macht jeder einmal. Dabei ist nichts Beunruhigendes.

Das änderte sich jedoch, als Sie Ihre Pläne für einen Parkplatz, früher war hier einmal die Feuerwache, präsentierten. Nun sind Pläne für diesen Platz in Kiel nichts Neues. Aber Sie sind der erste, der auf wirklich Großes verweist, wenn von etwas wie dem LeiK mit Fitnessroom die Rede ist: Hacker'sche Höfe, Flair in der Altstadt, Wellness- und kulturelles Zentrum und... und... und. Vielleicht hatten Sie ja noch keine Zeit, sich diese Gegend anzuschauen. Aber hat Ihnen vor Ihrem Auftritt niemand gesagt, dass die "Kieler Altstadt" nur die Erfindung einiger Geschäftsleute ist, die Ende der 80er Jahre an diesem öden Ort so weit ins Abseits geraten waren, dass sie in Ihrer Not sich noch anderes phantasiert hätten? Selbst die Ökohändler flüchten jetzt noch aus dieser Gegend! (Ja, ja... ich weiß auch, dass hier einmal das Zentrum Kiels war. Doch das, was der Krieg übrig gelassen hatte, musste den Plänen eines Stadtbaurats weichen, der bereits im Nazi-Reich die Entvölkerung der Innenstadt geplant hatte.)

Endgültig bestätigt wurden meine Zweifel dann durch Ihre Stellungnahme zum Stadionbau für Holstein Kiel. Gut, ich will nicht beurteilen, ob es für einige Männer, die vom Fußball leben, wichtig ist, dass sich drei Provinzclubs zusammenschließen, um Holsteins Chancen für den Aufstieg in die Dritte Liga zu vergrößern. Meinetwegen sollen sie sich dafür auch ein neues Stadion bauen. Mit großer Sorge erfüllt es mich aber, wenn Sie, verehrter Herr Rethage, darin einen Imagegewinn für die Stadt sehen und in diesem Zusammenhang gerade auf den VfL Bochum, vermutlich Ihren Heimatclub, verweisen. Wissen Sie, was Sie damit gesagt haben? Wünschen Sie der Landeshauptstadt Kiel die Pest an den Hals!? Holstein Kiel die "Graue Maus" oder die "Lachnummer" der dritten Liga! Ich bitte Sie! Muss ein für Wirtschaft und Kultur zuständiger Dezernent so etwas nicht bedenken? Reicht es aus, wenn er in unserer an schillernden Personen recht armen Stadt für die Kieler Nachrichten das zarte Pflänzchen Hoffnung ist, das gepflegt und gehegt werden muss, damit es einmal, wenn schon keinen Glanz, zumindest etwas Glitter in die Hütte bringt!

Verstehen Sie jetzt meine Besorgnis? Oder soll ich alles ganz leicht nehmen und es für das halten, was es ist: das inzwischen allgegenwärtige Geplapper? Das fragt Sie, Sie gleichzeitig grüßend,

Ihr Kuckuck

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