Kommentar

Arbeitszeit verkürzen!

Die KN hat eine gute Nachricht für die Arbeitslosen: Im zurückliegenden Jahr wurde eine Trendwende erreicht. Im dritten Jahr in Folge hat ihre Zahl abgenommen, und zwar wie schon zuvor um ca. 200.000. Bei diesem Tempo wird es nur noch 19 Jahre bis zur Vollbeschäftigung dauern! Wenn das nichts ist! (Manchmal muss man wirklich an den intellektuellen Fähigkeiten derjenigen zweifeln, die da in den Redaktionsstuben Agenturmeldungen redigieren und Pressemitteilungen abschreiben.)

Doch natürlich wird es nicht einmal in diesem Tempo weitergehen, denn das sollte sich inzwischen selbst bis in die letzte Wirtschaftsredaktion herumgesprochen haben: Sowohl die Weltwirtschaft als auch die einzelnen Nationalökonomien entwickeln sich nicht stetig sondern in einer Art konjunktureller Wellenbewegung. Die gegenwärtige, sehr moderate und auf Westdeutschland beschränkte Abnahme der Erwerbslosenzahlen jedoch (die Jugendarbeitslosigkeit nahm sogar weiter zu!), fiel in eine Periode außergewöhnlich starken Aufschwungs, der zudem ausschließlich durch den Export getragen war.

Richtig gelesen: war. Denn die hiesige Konjunktur hat bereits im letzten Sommer ihren Höhepunkt überschritten. Und während der versammelte Chor der Standortpatrioten noch jubelt, dass die Summe der Exporte 2000 erstmals die Grenze von einer Billion DM überstieg, beginnt in den USA bereits der Motor der Weltkonjunktur zu stottern, eine Konstellation weitaus ungünstiger als 1997 beim Ausbruch der Asienkrise.

Ob das Ganze sich nun zur großen, nach Kondratjews Theorie der langen Wellen überfälligen Weltwirtschaftskrise auswächst oder nur eine mittelschwere Konjunkturdelle ergibt: Unterm Strich heißt das, dass sich an der Massenarbeitslosigkeit nichts ändern wird.

Nicht, solange sich nicht ganz grundsätzlich etwas im Kräfteverhältnis zwischen Kapital und Arbeit ändert. Kein noch so überzeugend vorgetragenes neo-keynsianisches Nachfragmodell zur nationalen Konjunkturankurbelung - für das es bei den exportorientierten Unternehmerverbänden eh keinen Bedarf gibt - wird die Lösung bringen, sondern nur die Verkürzung der Arbeitszeit.

Doch dafür bedürfte es nicht nur Gewerkschaftsführungen, die nicht restlos dem Standortchauvinismus verfallen wären und ein bisschen über das zerbröckelnde Milieu ihrer traditionellen Mitgliedschaft hinausdenken könnten. Es bräuchte vor allem auch mehr Solidarität unter den Lohnabhängigen und eine Linke, die kapiert, dass mit bloßer Ideologiekritik nicht das kleinste Rädchen in dieser Gesellschaft zu bewegen ist. (wop)

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