Hintergrund

Die PDS ist nicht mehr unsere Partei

Nach vielen Frustrationen und reichlich Überlegung haben wir uns entschlossen, die PDS zu verlassen, da wir in ihr und mit ihr keine Zukunft für soziale Befreiung sehen. Unabhängig davon erachten wir sie - weniger auf lokaler und regionaler als auf Bundesebene - weiter als einen wichtigen Bezugspunkt - durchaus auch im negativen Sinne -, dessen fortschreitende und letztlich nicht aufzuhaltende Anpassung an den bürgerlichen Mainstream die Linke nicht unberührt lassen sollte.

Wir mussten in den vergangenen Jahren die Erfahrungen machen, dass die PDS v.a. eine Veranstaltung ist, die sich um sich selbst dreht, die den überwiegenden Teil ihrer materiellen und personellen Ressourcen in Wahlkämpfe und Parlamentarismus steckt, in Arbeitsfelder mithin, die nur einen sehr begrenzten Wert für soziale Bewegungen haben. Laut dem immer noch gültigen Parteiprogramm spielen diese Bewegungen für sozialistische Politik zwar eine herausragende Rolle, in der Praxis der Partei ist dies aber längst in Vergessenheit geraten. Ein besonders krasses Beispiel dieser bornierten Wahlkämpferei war 99/00 in Schleswig-Holstein zu beobachten, deren Ergebnis zu allem Überfluss im Anschluss auch noch als Erfolg hochgejubelt wurde.

Diese Entwicklung hat uns nicht überrascht. Jedoch hatten wir zumindest die Hoffnung, dass sich in den Partei-internen Auseinandersetzungen zumindest die Sozialisten zu einer handlungsfähigen Strömung formieren würden, d.h. all jene, die nicht in der Bundesrepublik ankommen wollen, sondern sich noch daran erinnern, dass Sozialismus nicht mehr und nicht weniger heißt, als das Ende der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen und den Sturz aller Zustände, in denen dieser ein geknechtetes, sich selbst entfremdetes Wesen ist. Die Gründe dafür, dass dies offensichtlich nicht möglich ist sind vielfältig und u.a. in der Diskurs-feindlichen Kultur der PDS zu suchen. In der Praxis führt das Fehlen einer entsprechenden Strömung dazu, dass Linke, die sich dem Anpassungsdruck der Parteiführung widersetzen, Gefahr laufen, sich an den innerparteilichen Auseinandersetzungen aufzureiben, ohne dass dabei für die Zukunft der sozialistischen Bewegung ein Nutzen zu erkennen wäre. Das Wenige, das von Einzelnen aus der PDS heraus für soziale Bewegung geleistet werden kann, steht in keinem Verhältnis zu dem Aufwand, der betrieben werden muss im Kampf gegen die tausend von der koalitionswütigen Parteiführung aufgestellten Windmühlen und Gummiwände.

Zu diesen vielfältigen Gummiwänden, gegen die wir in der PDS immer wieder haben anrennen müssen, gehört ein unsäglicher Parteifetischismus, der sich zudem bei manchem Mitglied in S.-H. mit einer jämmerlichen Versessenheit auf Posten und Pöstchen paart. Politisches Eingreifen wird von den meisten lediglich unter dem Aspekt diskutiert, wie sich die PDS am besten profilieren kann. Überlegungen, wie soziale Bewegungen zu stärken wären, und dass dies für Sozialisten, die die Selbstorganisation der Gesellschaft anstreben, ein Wert an sich sein müsste, sind hingegen den allermeisten Mitgliedern vollkommen fremd. So genommen erscheint denn die Schwäche des hiesigen Landesverbandes auch eher als Segen, da andernfalls davon auszugehen wäre, dass mit einem derartigen Politikverständnis Bewegungen gnadenlos instrumentalisiert und majorisiert würden.

 

I Diskursunwilligkeit

Dass führende PDS-Politiker wie Gregor Gysi, Lothar Bisky und André Brie seit Jahren daran arbeiten, die Partei als eine handzahme Parlamentspartei in das bürgerliche Spektrum zu integrieren, ist nicht unbedingt etwas Neues. Dabei zeigen sie wenig Berührungsängste: Brie trifft sich mit Burschenschaftern, der Bundeswehrverband wird zu Parteitagen eingeladen und der Vorstand lässt schon einmal ein paar zehntausend Mark springen, damit sich Gysi medienwirksam auf einem so genannten Zukunftsforum am Potsdamer Platz vom Chef-Ökonomen der Deutschen Bank "den Kapitalismus erklären" lassen kann (nach seinen eigenen Worten). Auch die Begeisterung von Mecklenburg-Vorpommerns Bauminister Holter über die Einladung zu den Parteigesprächen über die Steuerreform - "Riesenerfolg!" - zeigt, dass Anerkennung um jeden Preis mittlerweile wichtiger als politische Inhalte geworden ist. Weniger bekannt ist für Außenstehende vielleicht, mit welcher Hartnäckigkeit die meisten Mitglieder ihre Augen vor dieser Entwicklung verschließen, um das so über alles geliebte Heimatgefühl nicht gefährden zu müssen. Die Vehemenz, mit der man sich u.a. auch im hiesigen Landesverband einer Diskussion dieser Entwicklung und ihrer einzelnen Auswüchse verschließt, hat nicht unwesentlich zu unserer Frustration beigetragen.

 

II Weichenstellungen in Richtung Kriegspartei

Bisher konnte man zur Verteidigung der PDS ins Feld führen, dass sie zumindest eine antimilitaristische Partei ist, die im Bundestag gegen Bundeswehreinsätze im Ausland und insbesondere gegen den Angriff auf Jugoslawien aufgetreten ist. Wenn auch der Bundesvorstand nicht gerade eine heraus ragende Rolle bei der Organisierung von Protesten gegen den Balkankrieg gespielt hat, so ist aus den Reihen der Bundestagsfraktion immerhin die "Zeitung gegen den Krieg" erstellt worden, die in hoher Auflage verteilt werden konnte und zumindest einen wichtigen Beitrag zur Gegenöffentlichkeit geleistet hat. Allerdings ging sie auf die Initiative einzelner Genossen zurück und musste gegen hinhaltende Widerstände der Fraktionsspitze durchgesetzt werden. Ihre Finanzierung über die Fraktion wurde noch während des Krieges eingestellt, da kein Geld mehr da sei. Eine letzte Nummer konnte dennoch Spenden-finanziert erscheinen, wobei auch viele außerhalb der PDS Stehende beteiligt waren. Am Ende des Jahres stellte sich dann jedoch heraus, dass der Topf für Öffentlichkeitsarbeit der Fraktion, aus dem die Antikriegszeitung finanziert worden war, keineswegs leer gewesen ist. Rund 80.000 DM wurden ungenutzt an die Bundestagsverwaltung zurückgezahlt. Der Fall zeigt zweierlei: Zum einen, die Art und Weise wie die Parteispitze, in diesem Falle der Fraktions-Chef Gysi und seine Mitarbeiter, innerorganisatorische politische Auseinandersetzungen v.a. als Machtspiel betreiben und die ehrliche Diskussion scheuen. Zum anderen, dass das Interesse an einem wirksamen außerparlamentarischen Widerstand gegen den Krieg - freundlich ausgedrückt - gering war.

Das mag auch damit zusammen gehangen haben, dass Gysi weiter dachte: Manchem war während des Krieges bereits aufgefallen, dass der Fraktionsvorsitzende strikt legalistisch gegen den Angriff auf Jugoslawien argumentierte. Allein der UN-Sicherheitsrat sei zu einem solchen Schritt befugt, der jedoch übergangen worden sei, so sein immer wieder vorgetragenes Hauptargument. Von Deutschlands kriegstreibendem Wirken auf dem Balkan, der langen Wühlarbeit, den machtpolitischen Interessen war hingegen nicht die Rede. Der Sinn der Beschränkung auf die legalistische Argumentationslinie (nur damit keine Missverständnisse aufkommen: Dies ist nicht abwertend gemeint. Wir halten den Autoritätsverlust der UNO und die Verletzung internationalen Rechts durchaus für politisch sehr bedenklich.) offenbarte sich wenige Monate nach dem Krieg: Mit dem Argument, wir hätten während des Angriffs auf Jugoslawien vertreten, dass allein der UN-Sicherheitsrat das Recht habe, Frieden erzwingende Maßnahmen zu beschließen, hieß es nun, man könne nicht mal so, mal so entscheiden. Vielmehr müsse prinzipiell das Recht auf Intervention nach Artikel VII der UN-Charta anerkannt werden. Zunächst auf einer Klausurtagung der Fraktion und dann im Parteivorstand versuchte Gysi (erfolgreich) diese neue Linie durchzuboxen.

Nur die Basis spielte (noch) nicht mit. Auf dem Münsteraner Parteitag erhielt der Vorstand mit einem entsprechenden Vorstoß eine Abfuhr. Aber anstatt das Votum anzunehmen und die Konsequenzen zu ziehen, kündigte man an, dass in dieser Frage noch nicht das letzte Wort gefallen sei. Der Landes-Chef von Mecklenburg-Vorpommern, Helmut Holter, versammelte "seine" Delegierten um sich und ließ wissen, man habe genau registriert, wie die einzelnen abgestimmt hätten. Auch in anderen Landesverbänden kann wohl davon ausgegangen werden, dass das nächste Mal bei der Delegiertenwahl besser aufgepasst wird. Der Zweck der Übung ist ziemlich klar. Die PDS-Führungsriege macht keinen Hehl mehr daraus, dass man koalitionsfähig werden will. Und offensichtlich weiß sie eben so gut, wie Joschka Fischer es bereits Anfang der 90er gewusst hat, dass koalitionsfähig im "erwachsen gewordenen Deutschland" auch kriegsfähig heißt. Die Zustimmung zu UNO-Einsätzen soll daher in der PDS wie zuvor bei SPD und Grünen lediglich als Türöffner dienen, um antimilitaristische Positionen zu erodieren. Am Ende wird die Zustimmung zur militärischen Durchsetzung deutscher Interessen in aller Welt stehen.

Noch in seiner angeblichen Abschiedsrede auf dem Münsteraner Parteitag ging Gysi ein Stück weiter und redete einer Blockbildung der EU in Konfrontation mit den USA das Wort. Angesichts der realen Formierung einer europäischen Militärmacht mit eigenständiger, hoch konzentrierter Rüstungsindustrie (z.B. EADS, Hauptaktionär DaimlerChrysler, d.h. Deutsche Bank) ist das eine sehr bedenkliche Perspektive, umso mehr, als sich dagegen weder auf dem Parteitag noch danach nennenswerter Widerspruch erhoben hätte.

Nun könnte man an dieser Stelle argumentieren, dass es angesichts dieser Tendenzen besonders wichtig wäre, in der PDS zu verbleiben, um ihnen, so lange es geht, entgegen zu arbeiten. Wir mussten allerdings die Erfahrung machen, dass man diesbezüglich in S.-H. gegen Gummiwände rennt: Auf der einen Seite werden die Beschlüsse von Münster begrüßt, d.h. die Ablehnung von militärischen Interventionen, auf der anderen Seite ist man begeistert von dem Konzept der Bundestagsfraktion, die Bundeswehr auf 100.000 Mann zu verkleinern. Als gäbe es nicht schon seit Jahren eine Debatte um die Schaffung kleiner, professioneller Interventionsheere. Eine fundierte inhaltliche Diskussion war um diese Fragen in S.-H. nicht zu führen. Auch auf Bundesebene ist leider eine organisierte innerparteiliche Opposition nicht in Sicht. Wir setzen daher darauf, künftig von außen die Finger in die Wunden zu legen, und raten angesichts der Bedeutung, die die PDS zwar nicht in S.-H., wohl aber bundesweit für die Linke und die Entwicklung der politischen Kräfteverhältnisse hat, auch der übrigen Linken dringend, diese Partei mehr unter Druck zu setzen und zu kritisieren, damit es der Führung schwerer gemacht wird, sie nach rechts zu ziehen.

 

III Unterstützung der Umverteilung von unten nach oben

Eine weitere Bruchlinie wurde für uns beim Einknicken in der Frage der Steuerreform deutlich, die von der PDS Mecklenburg-Vorpommern mitgetragen wurde. Nun hat auch die "Partei der sozialen Gerechtigkeit", wie man sich seit einiger Zeit zumindest in Wahlkämpfen nennt, um das Wort Sozialismus nicht so oft zu gebrauchen, ihren Beitrag zu einem neuen Umverteilungsprogramm von unten nach oben geleistet. Und während Leute wie Holter und demnächst vielleicht auch Gysi (in Berlin) auf ihren weichen Minister- und Senatorensesseln ankommen, nimmt die soziale Polarisierung in der Gesellschaft weiter zu, auf die die PDS schon jetzt keine andere Antwort hat, als "öffentlich geförderter Beschäftigungssektor" für einige Auserwählte, wobei für tarifliche Entlohnung keine Garantie übernommen wird, wie die spärlichen Informationen aus Mecklenburg-Vorpommern befürchten lassen.

 

IV Innerparteiliche Demokratiedefizite

Auch in PDS-Papieren fehlt es nicht an hehren Bekundungen, dass man die neue Gesellschaft in der eigenen Organisation vorweg nehmen will, z.B. indem auf innerparteiliche Demokratie besonderer Wert gelegt wird. Die Realität sieht allerdings deutlich anders aus. Der Parteitag von Münster, der nicht gerade unwichtige Beschlüsse zu fassen hatte, wurde in der hiesigen PDS erst nach Ablauf der Antragsfrist - die die Regie im übrigen wie immer extrem kurz zu setzen wusste - vorbereitet. Der faktisch von Berlin eingesetzte Landesgeschäftsführer hatte leider vor lauter Wahlkampf keine Zeit gefunden, die Materialien unters Parteivolk zu bringen. Als dann Vorstand und Gysi'sches Küchenkabinett ihr friedenspolitisches Waterloo erlebten, demonstrierten sie in aller Öffentlichkeit, dass sie nicht gedenken, das Votum des höchsten Parteiorgans zu respektieren. Die Delegierten - erschrocken über ihre eigene Courage - dankten es Gysi mit stehenden Ovationen.

Damit sich eine solche Blamage nicht wiederholt, hatte man in Cottbus die Regie optimiert. Das Parteiprogramm musste nun auf einmal doch nicht mehr ganz dringend geändert werden. Statt dessen ließ man die neue Vorsitzende en passant die PDS zur sozialistischen Volkspartei umdefinieren. Und damit das auch garantiert über die Bühne ging, wurde die Diskussionszeit auf ein Minimum reduziert: Erst ab Sonntagmittag (sic!) wurde die Bühne für die Delegierten freigegeben. Zahlreiche Anträge zum Leitantrag kamen so gar nicht mehr zur Abstimmung, ja die Antragsteller konnten sie nicht einmal begründen.

Zehn Jahre nach dem Ende der SED besinnt man sich wieder auf das Gelernte, womit allerdings nicht gesagt sein soll, dass sich Entsprechendes nicht auch bei bürgerlichen Parteien oder westdeutschen Gewerkschaften abgucken ließe. Auch die paar Westdeutschen, die ein Plätzchen am Katzentisch des Küchenkabinetts abbekamen, haben da ihre Erfahrungen einzubringen.

Wie der Umgang mit der innerparteilichen Demokratie, so gruselig ist bei genauerem Hinsehen auch das Demokratie- und Sozialismusverständnis: Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch durfte vor einem Jahr Schröder bei seinem Besuch bei "den chinesischen Genossen" begleiten. Wieder zurück, schwärmt er im ND (8.11.99) von einem "interessanten Beispiel sozialistischer Marktwirtschaft". Der chinesischen Führung attestiert er, "konstruktiv mit den sozialen Verwerfungen und anderen Problemen umzugehen". Zehneinhalb Jahre nach der Niederschlagung der Proteste auf dem Tiananmen-Platz. Ob er damit auch das Verbot unabhängiger Gewerkschaften, die Verfolgung und Inhaftierung von demokratischen Gewerkschaftern bei gleichzeitigen Massenentlassungen und haarsträubenden Arbeitsbedingungen, Arbeitslager und öffentlichen Massenhinrichtungen meinte, ließ er offen. Der Mann wurde trotz dieser Äußerungen, an denen scheinbar niemand Anstoß nahm, eine ganze Zeit als Bisky-Nachfolger gehandelt. In Cottbus wurde er erneut zum Bundesgeschäftsführer gewählt. Die hiesige PDS sah sich nicht einmal in der Lage, über diese Positionen im Zusammenhang mit Bartschs Ambitionen auf den Posten des Vorsitzenden zu diskutieren. Eine entsprechende Resolution wurde von einer Landesmitgliederversammlung mit "Nichtbefassen" vom Tisch gefegt.

 

V Deutschtümelnde Volkspartei

Die offene Flanke eines nicht unwesentlichen Teils der ostdeutschen PDS-Anhängerschaft gegenüber Rassismus und Nationalismus ist seit 1990 bekannt. Neu ist allerdings eine Tendenz in der PDS-Führung mit Antiamerikanismus und Nationalismus zu kokettieren. Gysi rief wie bereits erwähnt in seiner Münsteraner "Abschiedsrede" (in Wirklichkeit strebt er in Berlin auf Landesebene nach neuen Posten) unter viel Beifall zur Bildung eines europäischen Blocks als Gegengewicht zur USA auf. Zwar wird die sich vollziehende Militarisierung der EU nicht offen unterstützt, doch der Protest dagegen ist weniger als schüchtern. Die Formierung einer europäischen Rüstungsindustrie ist schon gar nicht Thema für die PDS. Statt dessen stellt man den Cottbusser Parteitag unter das Motto "dass ein gutes Deutschland blühe". Sowohl die Grundsatzrede der neuen Vorsitzenden als auch der von ihr mitverfasste Leitantrag befassen sich mit keinem Wort mit deutscher Außenpolitik. In einer Situation, da das "erwachsen gewordene Deutschland" (Schröder) immer aggressiver auftritt, schon beachtenswert. Um so mehr, als Zimmer statt dessen den Delegierten mitzuteilen hat, dass "Deutschland schön ist" und sie George Marchaise beneidet, der Parteitage der französischen KP mit dem Ausruf "Vive la France!" beschlossen habe.

Nimmt man noch hinzu, dass die PDS angesichts der neuesten Welle rassistischer Gewalt nicht einmal in der Lage ist, auf ihrem Parteitag Forderungen nach offenen Grenzen und Bürgerrechten für Einwanderer in den Vordergrund zu stellen (Gabi Zimmer erwähnte diesen Themenkomplex nicht einmal in ihrer Rede), so lässt uns diese Deutschtümelei besonders gruseln und für die Zukunft nichts Gutes erwarten. Auch hier ist die übrige Linke dringend aufgerufen, den Finger in die Wunde zu legen.

 

VI Politikunfähigkeit vor Ort

Neben diesen grundsätzlichen Problemen der Entwicklung der PDS hat zu unserer Frustration auch der Zustand der Kieler Basisorganisation (jetzt Kreisverband) beigetragen. Mangelnde innerparteiliche Demokratie und Parteifetischismus waren auch hier zu beobachten, gepaart mit einer geradezu hahnebüchenen Politikunfähigkeit.

Bei der Gründung des KV preschten drei Mitglieder der Kieler BO vor und teilten bei einer BO-Sitzung beiläufig mit, sie hätten, wegen des symbolischen Gehalts des Datums, den KV am 1. Mai 2000 "schon mal gegründet". Abgesehen vom gänzlichen Fehlen einer demokratischen Legitimation dieser "Nacht-und-Nebel-Aktion" machte dies deutlich, wie sehr die meisten Mitglieder auf Organisationsstrukturen versessen sind, ohne sich ausreichend Gedanken über deren Sinn und inhaltliche Ausrichtung zu machen.

Während man an der Konstituierung des KV Wochen lang bastelte und Nachfragen zu politischen Inhalten, die dieser KV erarbeiten solle, geflissentlich an den Rand drängte, vollzog sich in Kiel die Privatisierung der Stadtwerke. Wie man bereits die vorangegangene Privatisierung der Kieler Wohnungsbaugesellschaft (KWG) verschlafen hatte, glänzte man auch bei diesem nicht nur kommunalpolitisch hoch brisanten Thema mit Untätigkeit - abgesehen von einer verspäteten und dadurch eher lächerlichen Postkartenaktion. Dabei hätte sich gerade das Thema Privatisierung geeignet, um an einer kommunalpolitischen Frage deren bundesweite, ja internationale neoliberale Dimension deutlich zu machen, dagegen kommunalpolitisch Stellung zu beziehen und so die inhaltsleeren, wieder lediglich auf Organisationsstrukturen zielenden Beschlüsse auf Landesebene zu einem stärkeren Engagement in der Kommunalpolitik mit konkreter Politik zu füllen. Diese Chance wurde versäumt. Ein Info-Abend, bei dem Mitglieder der LinX-Redaktion über den Stand des Stadtwerkeverkaufs berichteten, gipfelte in dem Vorschlag, eine AG zu gründen, die sich damit befassen solle - bestehend aus den Referenten, die hätten mit dem Thema "ja nun schon Erfahrung".

Wir sehen also auch vor Ort keine Möglichkeit, in einem derartigen "politischen" Zusammenhang sozialistische Politik zu entwickeln.

 

Diejenigen von uns, die die PDS nicht bereits verlassen haben, erklären hiermit ihren Austritt. Wir vollziehen diesen Schritt bewusst kollektiv und beabsichtigen auch in Zukunft gemeinsam sozialistische Politik in Kiel und Schleswig-Holstein zu machen.

 

Kiel, im Oktober 2000

Horst Gripp

Marko Kampmann

Axel Lachnit

Jörg Meyer

Wolfgang Pomrehn

Christoph Schaumann

 

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