Internationales

Schuldenkampagne:

Mogelpackung für die Ärmsten

Eine ernüchternde Bilanz zieht zum Jahresende das internationale Netzwerk zur Streichung der Schulden der Entwicklungsländer Jubilee 2000. Von dem gesteckten Ziel, den Schuldendienst auf höchstens 5% der Exporterlöse der betreffenden Länder zu senken, sei man weit entfernt, schreibt Barbara Unmüßig von WEED in Bonn im Infobrief ihres Instituts. Der kleine alternative Think-tank in der alten Bundeshauptstadt - WEED steht für World Economy, Environment and Development (Weltwirtschaft, Umwelt und Entwicklung) - begleitet die Jubilee-Kampagne mit theoretischen Arbeiten.

Dabei hat alles ganz vielversprechend angefangen: Um das Thema Verschuldung der Entwicklungsländer konnte in den letzten Jahren eine bis dahin beispiellose internationale Mobilisierung organisiert werden, die in Zeiten vielfach beklagter Entsolidarisierung Mut mache, so Unmüßig. Und zunächst schien es, als sei es der weltweiten Bewegung gelungen, so viel politischen Druck zu erzeugen, dass die Gläubigerländer zu wirklich neuen Akzenten in der Entschuldungspolitik bereit sind. Immerhin konnte nach Einschätzung von WEED durchgesetzt werden, dass auf dem Kölner Weltwirtschaftsgipfel im Juni 1999 die Entschuldung der ärmsten Länder zum vorherrschenden Thema wurde.

An öffentlichen Versprechungen hatte es keinen Mangel: Im Wettlauf miteinander hatten verschiedene G-7-Regierungschefs einen Durchbruch bei der Entschuldung zumindest der ärmsten Länder angekündigt. Doch die Bilanz stimmt wenig optimistisch, auch wenn die Weltbank zum Jahresende für einige weitere Länder einen Schuldennachlass bekannt gab. "Nicht ausreichend" ist die Note, die die Bonner an die Schuldenerlass-Initiative der in der G7 zusammengeschlossenen reichen Industriestaaten vergibt.

Während Jubilee 2000 Entschuldung für alle Länder des Südens fordert, um diese aus der "Entwicklungsblockade" zu befreien und die Bewegungen in den betroffenen Ländern sogar eine bedingungslose und restlose Streichung aller Schulden fordert, da diese illegitim seien, haben sich die G7-Staaten nur auf Programme für einen begrenzten Kreis eingelassen. Es wurde die so genannte HIPC-Initiative für die hochverschuldeten ärmsten Länder (Highly Indebtetd Poor Countries) gestartet.

Doch selbst für diese Gruppe von 41 Staaten liegt das Jubilee-Ziel, die Zahlungsverpflichtungen an die nördlichen Gläubiger auf 5% der Exporteinnahmen, zu beschränken in weiter Ferne. Nach den von Weltbank und G7 aufgestellten Kriterien liegt die so genannte Tragfähigkeitsgrenze des Schuldendienstes zwischen 15 und 20% der Erlöse aus den Ausfuhren. Insgesamt 28 Milliarden US$, heißt es bei WEED, werden in diesem Programm an Schuldenerleichterung herauskommen. Ein Tropfen auf den heißen Stein angesichts der rund 200 Mrd. US$, die der Schuldenberg dieser Gruppe bereits 1997 betrug.

Nur einige wenige Staaten wie z.B. Bolivien, Kamerun, Mosambik oder Uganda und Ruanda werden tatsächlich mit spürbaren Entlastungen ihrer Haushalte rechnen können. In anderen Ländern wird noch immer zwischen 15 und 35% der Haushaltseinnahmen für den Schuldendienst ausgeben werden müssen. Bei WEED sieht man in der in Köln verabschiedeten HIPC-II-Initiative denn auch eher eine Mogelpackung. Während deren konsequente Umsetzung den deutschen Bundeshaushalt lediglich mit 150 Mio. DM Verlust durch den Wegfall von Einnahmen aus dem Schuldendienst kosten würde, übersteigen die Zins- und Tilgungsleistungen in einigen der ärmsten Länder auch weiterhin die staatlichen Ausgaben für Bildung und Gesundheit um ein Mehrfaches.

Zudem sei damit zu rechnen, dass den Ländern des Südens hinten herum genommen wird, was man öffentlich großherzig gewährt: Kürzungen in den Etats der Entwicklungshilfe könnten die Budgetentlastungen schon bald wieder auffressen. Unberücksichtigt bliebe auch, dass sich die Rahmenbedingungen der Weltwirtschaft für die meisten Länder weiter verschlechtern würden, in dem die Energiekosten stiegen, aber die Preise für ihre Exportprodukte fielen.

Schließlich zitiert Unmüßig auch die wachsende Kritik von Nichtregierungsorganisationen aus dem Süden an den so genannten Armutsbekämpfungsprogrammen, die mit der HIPC-Initiative als Auflage verbunden werden. IWF und Weltbank bekämen die Möglichkeit noch stärker als bisher in die Entwicklungspolitik der Staaten des Südens hinein zu regieren. Die versprochene Beteiligung der "Zivilgesellschaft" bliebe aus Zeitdruck faktisch meist auf der Strecke.

Beim, deutschen Zweig von Jubilee 2000, der Erlassjahr-Kampagne, diskutiert man derzeit über die Bewertung der Aktivitäten der letzten drei Jahre. Ein Teil der Beteiligten will offensichtlich weiter machen und dabei nach Unmüßigs Angaben das Thema Verschuldung der Entwicklungsländer in einen umfassenderen Zusammenhang mit Fragen der internationalen Handels- und Finanzpolitik stellen. (wop)

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