Antifaschismus

"Würdevoll sah ich jetzt aus..."

oder: Wieviel Blödsinn in einem Anzeigenblatt geschrieben werden kann

Okay - schon klar - redaktionelle Beiträge sind in einem Anzeigenblatt ohnehin eine Seltenheit und, wenn es denn mal einen gibt, nichts anderes als nettes Beiwerk für den eigentlichen Zweck - die Verkaufe. Investigativer Journalismus ist daher von den LeichtlohnschreiberInnen von Ki-West, einem Anzeigenblättchen der Kieler Nachrichten, kaum zu erwarten. Es gibt allerdings einen Unterschied zwischen Belanglosigkeiten und gefährlichem Blödsinn.

Letzteren brachte eine Gabriele Butzke in der Ki-West Ausgabe vom 21.02.2001 zu Papier. Gegenstand ihres Beitrages: Der so genannte Marienhain am Rande der Krusenkoppel im Kieler Stadtteil Düsternbrook.

"Weihestätte" Marienhain

Denjenigen KielerInnen, die nicht vor Jahren an dem hochinteressanten Stadtrundgang des Arbeitskreises Asche-Prozess "Düsternbrook - ein Stadtteil im Nationalsozialismus" teilgenommen haben, dürfte dieser Ort nicht viel sagen. Seine Geschichte ist gleichwohl für stadtgeschichtlich Interessierte ziemlich spannend: Dort wo heute nur noch die Reste einer Aussichtsplattform zu sehen sind, ließ die Stadt Kiel 1808 zu Ehren der dänischen Königin Marie, die gerade im Kieler Schloss ihre Tochter Wilhelmine zur Welt gebracht hatte, ein Teehaus in Form eines antiken Tempels bauen. Dieser Marientempel wurde 1873 von der Herzogin Wilhelmine an die Stadt Kiel zurückgeschenkt.

1934 wurde der Tempel nach den Plänen des Magistratsbaurates Rudolf Schroeder als "Ehrenmal der Stadt Kiel" zur zentralen Feierstätte des Nationalsozialismus für das Gedenken an die gefallenen des Ersten Weltkrieges umgebaut. Während des Krieges wurde das Ehrenmal stark beschädigt und auf die Plattform ein Flakgeschütz Richtung Förde aufgestellt. 1948 erfolgte der Abriss der Tempelruine.

Durchaus erwähnenswerte Lokalgeschichte also. Butzke allerdings - von allen guten Geistern und jeglichem Geschichtsbewußtsein verlassen - lässt den Hain selber seine Geschichte erzählen. Für die Zeit des NS liest sich das folgendermaßen: "1934 wurde ich (...) zum Ehrenmal für die im ersten Weltkrieg gefallenen Kieler Bürger umgebaut. Am 31.05.1935 - dem Jahrestag der Seeschlacht im Skagerrak 1916 - fand die feierliche Einweihung statt. Würdevoll sah ich jetzt aus mit der Weihehalle und der 'ewigen Flamme"'sowie dem Namensaal von 8000 Kieler Bürgern. Aber lange konnte ich mich über die neue Pracht nicht freuen. Bei einem der heftigsten Bombenangriffe (...) wurde ich komplett zerstört. (...) Was mir geblieben ist, sind die schönen alten Buchen. Und die Erinnerung an bessere Zeiten".

Dass Frau Butzke für militaristische NS-Propaganda die Begriffe "würdevoll" und "neue Pracht" verwendet, mag verwundern. Ebenso die Tatsache, dass sie offensichtlich es nicht für nötig gehalten hat ZeitzeugInnen zu befragen. Diese hätten dann sicherlich vom Skagerrak-Jahrestag 1935 als einem gruseligen Spektakel auf der Krusenkoppel berichtet - Fackeln, Uniformen, Hakenkreuzfahnen ("Triumph des Willens" für Arme sozusagen). Aber vernünftige Recherche ist von einer Journalistin, die aus der Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus in Kiel "Erinnerung an bessere Zeiten" macht, wahrscheinlich zu viel verlangt. (cs)

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