Internationales

Göteborg:

Die Mobilisierung läuft

Im ersten Halbjahr 2001 hat, wie berichtet, Schweden die EU-Ratspräsidentschaft inne. Skandinaviens zahlreiche EU-Gegner bereiten sich daher auf eine breite Mobilisierung gegen den nächsten größeren EU-Gipfel am 15. und 16. Juni in Göteburg vor. Die schwedische Regierung hat nach eigene Angaben die EU-Erweiterung, die "Sicherung hoher Beschäftigungsraten", Umwelt- und Verbraucherschutz, mehr Gleichberechtigung von Männern und Frauen auf dem Arbeitsmarkt sowie bessere Beziehungen der EU zu Russland auf die Tagesordnung gesetzt. Eine Rolle wird mit Sicherheit auch die beginnenden Vorbereitungen für die nächste EU-Regierungskonferenz im Jahre 2004 spielen, auf der eine umfassende Reform der EU beschlossen und nach deutschen Vorstellungen ein wesentlicher Schritt zu einer staatlichen Föderation gemacht werden soll.

Regierungskonferenzen beruft die EU immer dann ein, wenn neue Verträge auszuarbeiten sind. Sie tagen zumeist über das ganze Jahr auf der Beamten- und gelegentlich auch auf der Ministerebene und werden, wie im Dezember in Nizza, mit einem der regulären vierteljährlichen Gipfel abgeschlossen.

Das umstrittene "F-Wort", dass die deutsche Regierung in letzter Zeit vermehrt in die Runde wirft, hört man in den skandinavischen Ländern allerdings äußerst ungern. Hier ist die Gegnerschaft gegen das als bürokratisch und zentralistisch empfundene Projekt besonders ausgeprägt. Unter anderem befürchtet man von der EU weitere Angriffe auf die sozialen Sicherungssysteme, die in den skandinavischen Ländern für die kapitalistische Welt einst einzigartig gewesen sind, heute jedoch unter zunehmenden Anpassungsdruck zerbröseln. Widerstand gegen die EU, heißt es bei der schwedischen Antifaschistischen Aktion (AFA), sei zwischen Skagerrak und Bottnischem Meerbusen vor allem eine Sache der Linken. Die militante schwedische Rechte würde zwar auch mit Überfremdungs-Propaganda gegen die EU argumentieren, mit Aktivitäten von dieser Seite rechne man aber nicht.

Auf der Linken haben sich hingegen gleich zwei Netzwerke gebildet, die Gegenaktivitäten vorbereiten. Geplant sind u.a. zwei Demonstrationen am 15. und 16. Juni. Das kleinere, vornehmlich aus den EU-kritischen Flügeln der Regierungsparteien bestehend, will am 15. für den Austritt aus der Union und gegen die Beteiligung am Euro demonstrieren. Geplant ist außerdem eine Veranstaltungsreihe. Nach Angaben von AFA ist der Motor dieses Bündnisses die in Göteburg vergleichsweise starke KPMLr (Kommunistische Partei der marxistisch-leninistischen Revolutionäre).

Die größere Demonstration wird aller Voraussicht nach am 16. statt finden, zu der ein breites Bündnis sozialer Bewegungen in Schweden und den Nachbarländern aufruft. (Die Bündnisplattform war in LinX 1/2-2001 veröffentlicht). In Deutschland gibt es außer in Kiel bisher wenig konkrete Aktivitäten. Aus Frankreich und Belgien wird das internationale Euromarschnetzwerk wahrscheinlich einen Bus nach Göteburg schikken. Dort sind neben den Demonstrationen auch verschiedene Gengenkongresse und Veranstaltungen geplant. Verschiedene internationale Netzwerke wollen die Protestaktivitäten für ihre Treffen nutzen, so z.B. die radikalen Umweltschützer von ASEED antirassistische Netzwerk UNITE. Auch die relativ starke anarcho-syndikalistische Gewerkschaft SAC hat ihre Schwesterorganisationen eingeladen.

Verschiedene Treffpunkte sollen eingerichtet werden. Das Bündnis gegen Rassismus, an dem AFA beteiligt ist, plant die Einrichtung eines antirassistischen Zentrums. Die Antifaschisten wollen in der Mobilisierung sich auf die rassistischen Aspekte der EU konzentrieren. "Wir haben uns dazu entschieden", heißt es auf ihrer homepage im Internet, "weil aufgrund des strukturellen Rassismus in der Gesellschaft die Faschisten und Nazibewegungen in Skandinavien aufblühen." Die AFA wendet sich nicht nur gegen die restriktive Migrations- und Flüchtlingspolitik der EU, sondern sieht auch die eurpaweite Zusammenarbeit der Polizei in diesem Zusammenhang.

Andere Gruppen, wie die SAC wollen hingegen eher unter explizit antikapitalistischem Vorzeichen zu den Protesten aufrufen oder stellen soziale Aspekte in den Vordergrund. Die Göteburger Frauenschule plant z.B. die Einrichtung eines Frauenzentrums. 10.000 bis 20.000 Teilnehmer werden zu den Demonstrationen und Veranstaltungen erwartet. Die schwedische Polizei hat bereits mit den Vorbereitungen begonnen. Die schwedische Regierung verwendet offensichtlich einige Mühe darauf, Nichtregierungsorganisationen in einen Dialog einzubinden. Bei AFA befürchtet man, dass dies Teil einer Strategie ist, die Demonstranten in "die Guten" und "die Bösen" zu trennen.

Am kommenden Wochenende, wenn sich die Arbeitsminister der EU im nordschwedischen Lule treffen, will man sich schon mal warmlaufen. Verschiedene linke Organisationen, darunter die anarcho-syndikalistische Jugend haben in ganz Nordskandinavien grenzüberschreitend für eine Demonstration mobilisiert.

(wop)

Informationen im Internet:
motkraft/gbg2001/tysk, www.gbg2001.org. Auf beiden Seiten liegen die Informationen auch auf Deutsch vor.
In Kiel bereitet "BASTA! Kieler Bündnis gegen Neoliberalismus" eine Veranstaltungsreihe vor, die zur Mobilisierung dienen soll. BASTA! trifft sich 14-tägig in der Hansastraße 48, nächstes Mal am 22.2. um 19.30 Uhr.

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