Herr, send’ Hirn!

"Wer A sagt, muss auch B sagen", sagt Umweltminister Klaus Müller. Eigentlich müsste das Zitat besser heißen: Wer A wie Atomkonsens sagt, muss auch C wie Castor-Transport sagen. Auch Jürgen Trittin ist gegen "Latschdemos", woraus allerdings nicht die Aufforderung an Castor-DemonstrantInnen zu lesen ist, nicht nur zu latschen, sondern den Protest schon bisschen teurer für die nun auch grüne Atomlobby zu gestalten, sondern eher so, dass man bitte zu Hause bleiben soll. Weil: "Den Dreck müssen wir zurücknehmen." So sieht es Landesvorstandssprecherin Monika Obieray und meint das moralisch. Schließlich sind auch die Grünen jenseits des Rheins dafür, dass die Deutschen ihren Schrott zurück bekommen. Nur dass bei Verhinderung der Transporte die AKWs sofort abgeschaltet werden könnten, das haben die Grünen ... naja, das ist eben der Konsens, dass genau das nicht passieren darf. Leider wird diese seltsame Logik keine nennenswerten Auswirkungen auf die Restlaufzeit der Grünen haben, obwohl auch deren regierungsaktives Parteimodell nicht erst seit Kosovo sofort abgeschaltet gehört.

Die ehemalige so genannte Protestpartei gönnt sich allerdings noch manchmal den Protest light, sozusagen als Erinnerung an schlechtere Zeiten. Angelika Beer etwa trat bei einem Besuch in der Türkei mit einem Haarband in rot-grün-gelben PKK-Farben auf. Der Nato-Partner und Panzerkäufer war entsprechend genervt. Aber so standhaft wie Grüne nunmal sind, ließ Beer das Haarband dran. Es sei ihr "demokratisches Recht" und so weiter. Aber so weit hätte sie gar nicht gehen müssen, denn rot-grün-gelb sind auch die Farben der Nelson-Mandela-Partei ANC. Und jede Rastafari-Mütze ist rot-grün-gelb. Beer aber meinte, das Haarband sei ein Andenken an ihre Freundin, die Journalistin Lissy Schmidt, die im Nordirak ums Leben gekommen war. Also Beer doch eine PKK-Sympathisanten, wenn auch um drei Ecken? Frisches Futter für die "Fischer-Trittin-" und nun auch "Beer-Affäre"?

Gelb ärgern kann man sich als Rote oder Roter nicht nur über die Grünen. Nein, die Zumutungen des Systems lauern an jeder Ecke. Etwa auf einem Plakat, mit dem die Commerzbank für irgendeinen neuen Aktienfond wirbt. Zu sehen sind paar weibliche Topmodells die einen schmollmündig feindselig anstarren. Und darunter steht: "Oben ist nur Platz für Wenige." Früher mal hätte das fast auf einem Gewerkschaftstransparent zum 1. Mai stehen können. Als Kritik. Unter den gegenwärtigen Verhältnissen jedoch ist es als Aufforderung gemeint, zu den Wenigen zu gehören. Dass die Wenigen "oben" immer mehr "unten" zur Folge haben, entgeht dem neoliberal sperrbefeuerten Normalbürger heutzutage. Das wird irgendwie nicht mehr mitgedacht. Schon seltsam, dass man die Wenigen oben früher mal einfach weg haben wollte, jetzt aber eher zu ihnen gehören will. Im Gepäck all die tollen Sprüche wie "Jeder ist seines Glückes Schmied" und "Ich bin vor kurzem Millionär geworden. Das können Sie auch. Mit Faber!"

In der Tat ist zu Geld kommen doch ganz einfach. Suggerieren jedenfalls diese Gewinnshows im TV. Wer beim BigBrotherQuiz den "Hot Button" trifft und die Allgemeinbildung hat, die man als BigBrother-Gucker eben hat, also eine von diesen super einfachen Fragen mit ganz viel Nachhilfe beantworten kann, kriegt 5.000 Mark. "Ist das nicht toll?" fragt "Moderatorin" Meike. Ist es. Nur dass auch hier gilt: Was der eine gewinnt, wird dem anderen gestohlen. "Bei Anruf Geld!" ist nämlich nur möglich, weil da ganz viele anrufen und in Warteschleifen "nur 96 Pfennig pro Minute" verdaddeln. Tucholsky hatte das mal so beschrieben: "Die Leute schenken sich den Kakao auch noch selbst ein, durch den sie dann gezogen werden."

(jm)

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