Grüße vom Kuckuck

Verehrter Herr Böttcher,

nun habe ich Sie wieder ertappt, denn das kritische Überdenken Ihrer eigenen Kommentare sind nicht Ihre Stärke, gelle? Oder haben Sie es diesmal doch getan, als Sie in den KN vom 3.2.2001 die Absicht eines Fördervereins, jedes Jahr zur Kieler Woche einen "Super-Stargast" an die Förde locken zu wollen, überschwänglich mit den Worten begrüßten: "Bill Clinton beim Holstenbummel, Nelson Mandela auf dem Internationalen Markt, das belgische Königspaar bei der Windjammerparade - sind die Kieler-Woche-Manager größenwahnsinnig geworden? Keineswegs." Das sei "bei näherer Betrachtung gar nicht so utopisch." Wahrlich, utopisch ist das wirklich nicht. Und deshalb sind die vielen Herren und, wenn ich richtig gezählt habe, die eine Dame (dafür eine super-hochkarätige, wie Sie sich wohl ausdrücken würden) tatsächlich nicht größenwahnsinnig. Ein Stargast ist eben auch nur eine Ware mit einem Marktpreis. Was zum Kuckuck ist daran aber "Veränderung und Modernisierung"!

Was aber ist mit Ihnen, verehrter Herr Böttcher? Haben Sie trotz näherer Betrachtung wieder nichts gemerkt? Wie sollten Sie auch! Ein sich um den Zustand der Schulen, der Sporthallen und der Straßenbeleuchtung in unserer Stadt sorgender Jemand, der auch nichts gegen Neger hat, wenn...ja, wenn sie prominent genug sind und die ihnen zugedachte Rolle erfüllen, kann kein Rassist sein.

Nun ist es aber mit dem belgischen Königshaus und den Negern (ich will meine klammheimliche Freude über die von Ihnen hergestellte Verbindung gar nicht verbergen) nicht ganz so einfach. Denn da gibt es eine Geschichte, die nur wenige Jahre länger zurück liegt, als zum Beispiel diese leidige Geschichte der Deutschen mit den..., Sie wissen schon, wird zur Zeit ja viel drüber geredet. Kolonialismus nannte man diese Geschichte noch vor wenigen Jahren, und jeder einigermaßen gebildete Mensch wußte etwas über Belgisch-Kongo. Der war nämlich bis 1907 Privatbesitz dieses Hauses, das mit besonderer Grausamkeit und gutem Gewissen geholfen hat (und wie alle wirklich großen Verbrechen, wurde auch dieses nicht einmal aus niederer Gesinnung verübt, lesen sie mal Conrad), die Bevölkerung eines ganzen Kontinents um die Hälfte zu dezimieren. Das war ein gutes Geschäft, und die Reichtümer aus diesem sind bestimmt noch heute in dem Hause zu bewundern.

Utopisch sind Ihre Phantastereien also wirklich nicht. Sie sind lediglich die überlieferten, alltäglichen, rassistischen Bilder von weißen Spießern, die sich alle für gute Menschen halten. Ein Kuckuck erträumt sich andere Bilder: Nelson Mandela nimmt auf der Gorch Fock die Windjammerparade ab, das belgische und andere Königspaare dienen auf dem Internationalen Markt der allgemeinen Volksbelustigung, Bill Clinton bettelt mit seinem Saxophon auf der Holstenstrasse um ne Mark und der Förderverein ruft zu einer großen Sammlung zur Förderung des Schulsystems in Südafrika auf. Das wäre eine lustige Kieler Woche, "ein Fest der Weltoffenheit und der Bewegung".

Aber Sie wünschen sich in Wirklichkeit gar nicht die drei Genannten als Gäste. Sie wünschen sich lieber Madonna. Das ist auch gut so, dabei können Sie nichts falsch machen. Und weil "das Niveau der Gäste hoch gehalten werden" soll und deshalb, wie Herr Amelung betont, "eine schwangere Jenny Elvers" nicht eingeladen wird, hat der Förderverein im vergangenen Jahr schon mal "tief in die Trickkiste" gegriffen und mit Stefan Raab der Kieler Woche neuen Glanz verliehen. Der Maßstab ist gesetzt, und meine Grüße an Sie sind herzlich.

Ihr Kuckuck

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