Ratsfraktionen

Fraktion gegen OB?

Eckehard Raupach neuer Vorsitzender der SPD-Ratsfraktion

Nicht erst seit der Dezemberratsversammlung, bei der der Fraktionsvorsitzende Cai-Uwe Lindner ad hoc zurücktrat, ist klar, dass ein Riss durch die Kieler Ratsfraktion der SPD geht. Eine knappe Mehrheit hat es offenbar satt, nur Mehrheitsbeschaffer für OB Norbert Gansels selbstherrliche Alleingänge zu sein und den Arm zu heben, wenn der König oder seine Vasallen in der Verwaltung es befehlen. Ostentativ ging der Kieler Kreisausschuss, das höchste Gremium zwischen Parteitagen, Mitte Januar dennoch auf Unterstützungskurs für Gansel. "Unser OB braucht eine stabile Mehrheit." Jede öffentliche Konfrontation zwischen Fraktion und OB schade der SPD und sei daher zu vermeiden, hieß es in einer Resolution an die Adresse der Ratsfraktion. Die Ganselianer in der Fraktion bewerteten den Beschluss des Kreisausschusses als "gute Vorarbeit, um die Aufgabendiskussion in der Fraktion fortzusetzen", so Ratsherr Bernd Heinemann. Kritik kam indes von Parteilinken. Sönke Petersen, SPD-Ortsbeiratsvorsitzender in Dietrichsdorf bemängelte, dass die Mehrheit der Fraktion "auf der Anklagebank gesessen" habe. Das könne nicht angehen, nach wie vor müsse die Politik das Primat vor der Verwaltung haben.

Trotz der deutlichen Warnungen, um nicht zu sagen Drohungen seitens der so genannten "Modernisierer" in der Kieler SPD wählte die Fraktion am 29.1. Eckehard Raupach mit zwei Stimmen Vorsprung vor Albrecht Kempe zum Vorsitzenden. Raupach war bereits 1995 bis 1998 Fraktionsvorsitzender und gilt als Parteilinker. Im Rat war es Raupach gewesen, der, wenn auch vorsichtig, als einer der wenigen in der Fraktion immer wieder auf die sozialpolitische Verantwortung der SPD verwiesen hatte. Beim Streit um das WIBERA-Gutachten, mit dessen Hilfe soziale Vereine in Kiel abgewickelt werden sollten, erwies er sich als scharfer Gegner der neoliberalen Rotstiftpolitik. Seine Ablösung nach der Kommunalwahl 1998 und ein Jahr nach Gansels Regierungsantritt durch den neoliberalen Jürgen Fenske wurde damals als Zeichen für einen Kurswechsel der SPD weg von dem sozialpolitischen Schwerpunkt und hin zu mehr Wirtschaftsfreundlichkeit gewertet. Dennoch: Trotz seines Rufs als Linker trug auch Raupach die Kahlschläge der letzten zwei Jahre mit.

Nach seiner Wahl betonte Raupach vor allem die Geschlossenheit, die die Fraktion nun wieder gewinnen müsse, und hielt sich bezüglich der politischen Zielrichtung der Fraktion unter seiner neuen Leitung sehr bedeckt. Und natürlich stellten sich auch die Neoliberalen sofort hinter den neuen Vorsitzenden. Zweifel musste man zwischen den Zeilen lesen. So sagte etwa die nach Lindners Rücktritt kommissarische Fraktionsvorsitzende Karin Halbe, mit Raupach bleibe man "nah am beschlossenen Wahlprogramm". "Nah", nicht mehr. Und Gansel äußerte sehr zurückhaltend: "Wir wollen es wieder miteinander versuchen."

Ob mit Raupach ein Kurswechsel der SPD-Fraktion vom reinen Mehrheitsbeschaffer für Gansel hin zu einer wieder eigenständigen und möglicherweise etwas linkeren Kommunalpolitik erfolgt, bleibt abzuwarten. Der OB wird seine Fäden im Kreisverband weiter ziehen. An der Spitze der Kreisgremien sitzen treue Ganselianer. Gegen die wird es Raupach zumindest schwer haben, wenn er versuchen sollte, sich und die Fraktion ab und an gegen den OB zu positionieren.

(jm)

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